Dienstag, 9. Mai 2023

Heute: 150 Jahre Flächentarifvertrag in Deutschland

97. Offenkundig erleben die Arbeiterorganisationen in unserer Zeit einen mächtigen Aufschwung und haben ganz allgemein auf nationa1er und internationaler Ebene eine anerkannte Rechtsstellung. Sie treiben die Arbeiter nicht mehr in den Klassenkampf, sondern leiten sie zu sozialer Partnerschaft an. Dazu dienen vor allem die Gesamtarbeitsverträge [= Tarifverträge] zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden.
IOANNES PP. XXIII. "Mater et Magistra", 15. Mai 1961

16. Wenn die Arbeit eine Pflicht im mehrfachen Sinne dieses Wortes ist, eine Verpflichtung, dann ist sie zugleich auch eine Quelle von Rechten des Arbeitnehmers. Diese Rechte müssen untersucht werden im großen Zusammenhang der Menschenrechte insgesamt, der Rechte, die sich aus der Natur des Menschen ergeben und von denen viele durch verschiedene internationale Stellen proklamiert sind und von den einzelnen Staaten für ihre Bürger immer mehr garantiert werden. Die Achtung dieses weiten Gefüges der Menschenrechte stellt die Grundbedingung für den Frieden in der Welt von heute dar: für den Frieden sowohl im Inneren der einzelnen Länder und Völker als auch auf internationaler Ebene. Das Lehramt der Kirche hat dies schon oft betont, besonders seit der Enzyklika »Pacem in terris«. In den weiteren Rahmen dieser fundamentalen Rechte der Person lassen sich die Menschenrechte, die der Arbeit entspringen, ohne Schwierigkeit einfügen.
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20. Aus all diesen Rechtsansprüchen zusammen mit der Notwendigkeit, daß die Arbeitnehmer selbst sich für deren Gewährleistung einsetzen, ergibt sich noch ein weiteres Recht, nämlich sich zusammenzuschließen, also Verbände oder Vereinigungen zu bilden, deren Zweck es ist, die Lebensinteressen der in den verschiedenen Berufen Tätigen zu vertreten. Solche Vereinigungen werden als Gewerkschaften bezeichnet. ...
Die Angehörigen aller Berufe können sich ihrer zur Sicherung der jeweiligen Rechte bedienen. Es gibt daher auch Gewerkschaften der Landwirte und der Arbeitnehmer in leitender Stellung wie auch Vereinigungen der Arbeitgeber. ...
Bei ihrem Einsatz für die berechtigten Forderungen ihrer Mitglieder bedienen sich die Gewerkschaften auch der Methode des Streiks, das heißt der Arbeitsniederlegung als einer Art von Ultimatum, das sich an die zuständigen Organe und vor allem an die Arbeitgeber richtet. Sie wird von der katholischen Soziallehre als eine unter den notwendigen Bedingungen und in den rechten Grenzen erlaubte Methode anerkannt. Auf dieser Grundlage müßte den Arbeitnehmern das Recht auf Streik garantiert werden, ohne daß ihre Teilnahme daran negative Folgen für sie nach sich zieht. ...
JOHANNES PAUL II., "Laborem Exercens", 14 September 1981

Auf diesen Text, der durchaus prophetischen Wert besitzt, möchte ich auch die Bürger meiner Heimat verweisen, weil ich sicher bin, daß seine praktische Anwendung auch für die heutige gesellschaftliche Situation in Deutschland von großem Nutzen sein wird.
ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI., Internationaler Flughafen "Franz Joseph Strauss", München, Donnerstag, 14. September 2006

Das Grundrecht in Art. 9 Abs. 3 GG schützt
damit auch das Recht der Vereinigungen selbst, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, grundsätzlich ihnen selbst überlassen ist .... Dabei ist der Schutz der Koalitionsfreiheit nicht etwa von vornherein beschränkt, sondern erstreckt auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Art. 9 Abs. 3 GG umfasst also nicht nur die Gründung von Koalitionen und die Mitgliederwerbung (vgl. BVerfGE 93, 352 <358>), sondern insbesondere mit der Tarifautonomie den Abschluss von Tarifverträgen und Arbeitskampfmaßnahmen. ...
Auf Seiten der Gewerkschaften bedarf es des Streiks, um ihre strukturelle Verhandlungsschwäche auszugleichen. Ohne diese oder gleich effektive Eskalationsstufen zur Herstellung von Kompromissfähigkeit wären Kollektivverhandlungen nur „kollektives Betteln“ (grundlegend BAG, Urteil vom 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 -, juris, Rn. 96).
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09. Juli 2020 - 1 BvR 719/19

Erfolgsgeschichte Tarifvertrag: Heute vor 150 Jahren trat in Deutschland der erste Flächentarifvertrag für Buchdrucker in Kraft. Seitdem sorgen Tarifverträge für deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Tarifgebundene Betriebe sind attraktiver, weil die Beschäftigten dort mehr verdienen und kürzer arbeiten müssen. Zum 150-jährigen Jubiläum des Flächentarifvertrags fordern wir endlich einen gesetzlichen Rahmen, damit Tarifflucht verhindert und die Tarifbindung wieder gestärkt werden kann!
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Und die katholische Kirche in Deutschland?
(3) 1 Interessengegensätze zwischen Dienstgebern und Mitarbeitenden bei der Festlegung kirchlicher Arbeitsvertragsbedingungen sollen durch Verhandlung und wechselseitiges Nachgeben gelöst werden. 2 Streik und Aussperrung widersprechen diesem Grunderfordernis und scheiden daher aus. 3 Kirchliche Dienstgeber schließen keine Tarifverträge mit tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) ab
Art. 9 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes (GrO) in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 22. November 2022

1 Kommentar:

  1. >>In der Theorie ist die Welt ganz einfach: Ein Schismatiker trennt sich von der Kirche, weil er Probleme ... mit der praktischen Umsetzung bestimmter Dinge hat. Eine neue Lehre stellt er jedoch nicht auf. Anders bei der Häresie: Hier sind theologische Überlegungen der Grund für die Trennung, persönliche Leitungsambitionen spielen weniger eine Rolle. In der Praxis überschneiden sich beide oft ... << so https://www.katholisch.de/artikel/44862-was-haeretiker-und-schismatiker-fuer-die-kirche-bedeuten

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