Donnerstag, 14. August 2014

Faktencheck: Qualifizierung lohnt sich nicht?

In CAREkonkret 31/2014 vom 1.8.2014 wird die politische Sprecherin der Dienstgeberseite der AK Caritas, Lioba Ziegele, mit folgender Äußerung zitiert:
"Derzeit verdienen Pflegehelfer nach dem siebten Jahr der Beschäftigung zum Teil deutlich mehr als examinierte Fachkräfte in deren ersten sechs Jahren. Das wollen wir ändern und dadurch eine Qualifizierungsbereitschaft fördern, die wegen des Fachkräftemangels in der Pflege dringend erforderlich ist."
Wir haben uns bemüht, um uns einen Überblick zu verschaffen, die Vergütungsverläufe derjenigen, um die es geht etwas differenzierter darzustellen. Der Verlauf erstreckt sich über 25 Jahre.

Dargestellt sind diejenigen Kräfte, von denen die Rede ist, wenn von Pflegehelfern und Fachkräften die Rede ist. Unterscheiden muss man

  • Helfer ohne Ausbildung
  • Helfer mit einem qualifizierenden Kurs (der mindestens 110 Stunden theoretischen Unterricht erfordert)
  • Altenpflegehelfer mit einer 1- bis 2-jährigen Ausbildung (Vollzeit- oder Teilzeit, landesrechtlich geregelt; Theoriestundenaufwand ca. 500-600 Stunden)
  • Altenpfleger mit einer 3- bis 5-jährigen Ausbildung (Vollzeit- oder Teilzeit, bundesweit geregelt, Theoriestundenaufwand ca. 1600 Stunden)

Deutlich weniger als examinierte Fachkräfte im ersten Jahr verdienen die Helfer ohne Ausbildung auch noch nach 25 Berufsjahren.
Weniger als der Helfer mit einem qualifizierenden Kurs nach dem 25 Jahren beruflicher Tätigkeit verdient die Fachkraft in der Altenhilfe nur im 1. Jahr, danach steigt die Vergütung kontinuierlich an, während die des Helfers ab dem 4. Jahr stagniert.
Gegenüber dem Altenpflegehelfer ist der Vergleich etwas durchwachsener: im direkten Zeitvergleich ist die Vergütung der Fachkraft immer höher, der langjährig beschäftigte Helfer verdient aber teilweise tatsächlich mehr als der Berufsneuling. Allerdings ist das durchaus normal in Tarifregelungen, die sich am öffentlichen Dienst orientieren, bei dem die Vergütungen im Lauf der Zeit über die Erfahrungsstufen steigt. Der Altenpflegehelfer ist aber auch keine nicht qualifizierte Kraft, sondern ein Beschäftigter mit einer kleineren fachlichen Qualifikation!

In 25 Jahren verdient die Fachkraft mit der einfachen Fachkrafttätigkeit nach den aktuellen Tabellen insgesamt 246637 € mehr als der Helfer ohne Ausbildung, auch beim Altenpflegehelfer beträgt der Abstand noch 172097 € und der qualifizierende Kurs schlägt immer noch mit 67578 € zu Buche. Dass sich Ausbildungen nicht lohnen, davon kann angesichts dieser Zahlen keine Rede sein.

Vom 90 € Mindestbetrag würden übrigens alle vier Qualifikationsgruppen mehr profitieren als von der 3-%igen Erhöhung! Die im vorherigen Absatz genannten Differenzen würden dabei übrigens erhalten bleiben!



JahrStufeHelfer ohne AusbildungHelfer mit
qualifizierendem Kurs
AltenpflegehelferAltenpfleger mit entspr. Tätigkeit*
111871,901963,131964,132192,64
221933,932111,862111,862365,13
321933,932111,862111,862365,13
431975,892250,332250,332515,75
531975,892250,332250,332515,75
631975,892250,332250,332515,75
742006,912250,332544,612746,57
842006,912250,332544,612746,57
942006,912250,332544,612746,57
1042006,912250,332544,612746,57
1152028,802250,332619,632861,96
1252028,802250,332619,632861,96
1352028,802250,332619,632861,96
1452028,802250,332619,632861,96
1552028,802250,332619,632861,96
1662061,642250,332758,092980,84
1762061,642250,332758,092980,84
1862061,642250,332758,092980,84
1962061,642250,332758,092980,84
2062061,642250,332758,092980,84
2162061,642250,332758,092980,84
2262061,642250,332758,092980,84
2362061,642250,332758,092980,84
2462061,642250,332758,092980,84
2562061,642250,332758,092980,84












Vergütungssumme in €650876718454822973897513
Abstand in %100,00%110,38%126,44%137,89%
Abstand in €
67578172097246637


Bei den Altenpflegern muss noch betont werden, dass hier nur die einfachste Fachkrafttätigkeit dargestellt ist, darüber hinausgehende Leitungs- oder Funktionstätigkeiten führen regelmäßig zu höheren Vergütungen und entsprechenden Vergütungsverläufen.

1 Kommentar:

  1. Die Aussage der Arbeitgebervertreterin dient doch offensichtlich nur dem Ziel, die Vergütungsanpassung der unteren Vergütungsgruppen an den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zu blockieren. Damit "der Abstand stimmt" müssen die schlecht bezahlten Mitarbeiterinnen nach dieser Logik noch schlechter bezahlt werden.
    Dass die Ausgangsaussage (fehlender Abstand) nicht stimmt, zeigt die Vergleichstabelle.
    Und dass diese Logik natürlich auch einen anderen Schluss zulassen würde - die Vergütung der Fachkräfte muss noch mehr steigen - wird wohl nicht in die Überlegungen einbezogen, genauso wenig wie sozialethische Aussagen zum "angemessenen Lohn" anscheinend ein Gegenstand der Überlegungen auf der Arbeitgeberseite wären.


    Btw.: im ver.di internen Mail-Forum [fb3bay.kirchen-intern] ist jetzt ein sehr interessantes Schreiben des Bayerischen Kultusministeriums verteilt worden:
    In dem Schreiben stellt das Ministerium verschiedene Dinge zwischen Schulunterricht und praktischer Ausbildung klar.
    Zum Beispiel:
    - An Unterrichtstagen müssen die Schülerinnen und Schülerin nicht in der Einrichtung arbeiten.
    - An einem Schultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden gilt die tägliche Arbeitszeit als erbracht.
    - Eine Schulstunde (45 Minuten) entspricht mit Vor- und Nachbereitung einer Arbeitsstunde im Ausbildungsbetrieb und ist voll anzurechnen.
    ...

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