Donnerstag, 11. Juli 2013

Unter dem Titel "Lehrschreiben des Deutschen Caritasverbandes zu Artikel 9 Grundgesetz? "

hatten wir am 27. Juni über Informationen berichtet, wonach die Caritas an alle Dienstgeber vor Ort genaue Ausführungsbestimmungen zum Zutrittsrecht von externen Gewerkschaftsangehörigen in kirchlichen Einrichtungen an die Hand gegeben hat.

Inzwischen liegen uns diese "Handreichungen" vor.
Unzweifelhaft wird durch diese Handreichung des Vorstandes des DCV das Zutrittsrecht der Gewerkschaften in der Einrichtung eingeschränkt. Ganz nebenbei ergibt sich damit die Konsequenz, dass eine "gewerkschaftliche Betätigung", wie sie das Bundesarbeitsgericht in seiner Streik-Entscheidung vom November letzten Jahres gefordert hat, nicht gewährleistet ist.

Damit wird vom Vorstand des DCV das Streikrecht in Einrichtungen der Caritas gefördert. Das freut uns natürlich.

Dennoch möchten wir am Inhalt dieses Rundschreibens leichte Kritik üben. Der DCV handelt mit dise Rundschreiben als kirchlicher Arbeitgeber (denn für die "normalen weltlichen Arbeitgeber" ist das gewerkschaftliche Betätigungs- und Zutrittsrecht, das nicht nur aus dem Koalitionsrecht des Grundgesetzes abgeleitet wurde, kein Problem). Dieses gewerkschaftliche Betätigungs- und Zutrittsrecht ist u.a. im IAO Übereinkommen Nr. 87 auch normiert worden. Solche internationalen Übereinkommen haben in Deutschland den Rang von einfachen Bundesgesetzen. Sie stehen über Rechtsverordnungen, dem Gewohnheitsrecht sowie dem Recht der Länder - und erst recht kircheneigenen Regelungen. Nur das Grundgesetz geht solchen Regelungen vor. Dieses Abkommen ist daher ein "für alle geltendes Gesetz" im Sinne des Art. 140 GG mit Art. 137 WRV.
Das Übereinkommen Nr. 87 gewährt Gewerkschaften nach Ansicht des Ausschusses für Vereinigungsfreiheit ein Zugangsrecht zu Betrieben und anderen Unternehmensanlagen jeglicher Art, solange sie den Unternehmensablauf nicht behindern oder Betriebseigentum beschädigen. Nach der Spruchpraxis der IAO steht Gewerkschaftsvertretern somit grundsätzlich das Recht auf Zugang zu Unternehmensanlagen zu, das ihnen nur in Ausnahmefällen verweigert werden darf.

Auch in Deutschland ist anerkannt, dass Gewerkschaften jedenfalls zur Mitgliederwerbung im Grundsatz ein Zugangsrecht zu Betrieben zusteht. Jedoch muss das gewerkschaftliche Interesse am Zugang zum Betrieb gegen die Interessen des Arbeitgebers abgewogen werden.
Wenn der Vorstand des DCV nun dieses Recht für kirchliche Einrichtungen einschränken will, dann fragt man sich: "Ja dürfen die das denn?".

Diese Frage lässt sich aus zweierlei Sicht beleuchten:

1. die Staatskirchenrechtliche Sicht
gibt in Art. 140 GG / Art. 137 WRV (und im Übrigen auch im Art. 1 Reichskonkordat) die Grenzen des kirchlichen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts vor. Es ist das "für alle geltende Gesetz". Und das Übereinkommen Nr. 87 nimmt die Kirchen nicht aus - es gilt also auch für die Kirchen. Auch eine völkerrechtskonforme Auslegung kann zu keinem anderen Ergebnis führen.

Nun gibt es aber
2. auch die kirchenrechtliche Sicht.
Und auch die ist eindeutig:
In c. 1286 des "Codex Iuris Canonici (CIC)" - des weltweit geltenden "Grundgeseztes der katholischen Kirche - ist geregelt:
"Die Vermögensverwalter haben

1° bei Beschäftigung von Arbeitskräften auch das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens gemäß den von der Kirche überlieferten Grundsätzen zu beachten

...."
und bisher hat mir noch niemand belegen können, dass die von der Kirche überlieferten Grundsätze (der kath. Soziallehre) gegen eine gewerkschaftliche Betätigung gerichtet sind. Das Gegenteil ist richtig.

Und wenn schon durch Kirchenrecht das Koalitionsrecht - entgegen den von der Kirche überlieferten Grundsätzen - eingeschränkt werden sollte, dann müsste auch c. 18 des CIC beachtet werden:
"Gesetze, die ... die freie Ausübung von Rechten einschränken ... unterliegen enger Auslegung".
Was der Vorstand des DCV da produziert, ist genau das Gegenteil.

Und damit stellt sich die Frage: steht der DCV noch auf dem Boden der katholischen Kirche?

4 Kommentare:

  1. Mich würde das ganze Schreiben informieren, nicht nur Auszüge. Stellt ihr das auch mal noch online?

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  2. Lieber Kollege bzw. liebe Kollegin,
    wir haben die Rechte an diesem Papier nicht und wollen uns nicht in diesbezügliche formaljuristische Scharmützel stürzen, sondern suchen eher die inhaltliche Auseinandersetzung.
    Für die Caritas bestehen zahlreiche Arbeitnehmerorgane (MAVen, DiAGen, BAG-MAV, AK, RKs, Zentral-KODA usw.), die wir eigentlich hier primär in der Verantwortung sehen, entsprechende quasi amtliche Papiere den Betroffenen zur Kenntnis zu bringen. Wofür sonst gibt es die Dienstgemeinschaft und die vielbeschworene Augenhöhe?
    Allerdings solltest Du auch dort Deine Nachfrage nicht anonym vorbringen. Denn - auch da bitten wir Dich um Verständnis: Papiere, die uns von verschiedener Seite persönlich bzw. für unsere Gewerkschaft zugeleitet wurden, können und werden wir nicht einfach "inhaltlich breit publizieren". Dieses Elaborat verdient auch keine weite Verbreitung.

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  3. Ich (als Mitarbeiter der Caritas) finde die ganze Diskussion von BEIDEN Seiten als sehr scheinheilig: Die Verdi betreibt eine öffentliche Hetzkampagne gegen den Arbeitgeber Caritas, der aber tatsächlich und nachweislich mit einen Mitarbeitenden deutlich besser und fairer umgeht als etwas die Diakonie oder die der Gewerkschaft so lieben AWO-SPD (bei der Tariftreue nicht gerade ganz oben steht und bei der Outsourcing zum guten Ton gehört). Die Caritas Ihrerseits sollte sich tatsächlich als Teil der Gesellschaft verstehen und nicht als Gesellschaft in der Gesellschaft. Und mit dieser Sichtweise einfach entspannt mit anderen orrdentlich demokratischen und gesllschaftlichen Kräften wie eben auch den Gewerkschaften umgehen - eben auf Augenhöhe!

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  4. Lieber Kollege,

    erst einmal das Schreiben, das inzwischen veröffentlicht ist:
    http://news.lambertus.de/res/100250/AR/NL_6_2013/2013-06-24_Argumentationshilfe_ZutrittsrechtGewerkschaften_VS.PDF

    Dann zum Posting von Anonym:
    Ich weiß nicht, was von ver.di "scheinheilig" ist - konkret:

    Problematisch ist der gegenseitige Kosten- und Preiswettbewerb in der Branche, der politisch gewollt ist. Die einzige Alternative, um diesen Kosten- und Preiswettbewerb zu beenden, ist ein "Allgemein verbindlicher Sozialtarifvertrag". Der bindet alle - auch die nicht tarifgebundenen privaten - Anbieter der Branche. Und er wäre zugleich die Grundlage für die entsprechende Refinanzierung.

    Unstrittig ist auch - flächendeckend treibt vor allem die Diakonie die Lohnkosten nach unten.

    Was ist nun bisher geschehen?
    1.
    Ver.di hat sich bei ARKen im Dritten Weg beteiligt, um das Lohndumping der Diakonie zu beenden - und ist an der Blockadehaltung der Arbeitgeber gescheitert.
    2.
    Ver.di hat dann versucht, einen gesetzlichen Mindestlohn (Pflege) zu vereinbaren - und ist auch dan an der Solidarisierung der diakonischen Arbeitgeber mit privaten, auf Gewinn abzielenden Anbietern gescheitert.
    3.
    Erst danach hat ver.di als "ultima ratio" die Mitglieder in diakonischen Einrichtungen zum Arbeitskampf aufgerufen, um so das zu tun, für was eine Gewerkschaft gemeinhin tätig ist:
    die Arbeitsbedingungen für die Mitglieder tarifvertraglich zu regeln.

    Das ist nicht scheinheilig, sondern entspricht genauestens auch den Vorgaben der kath. Soziallehre. Und das stand unter der Vorgabe "Tarifverträge für die DIAKONIE".

    So, und was tut die Caritas?
    Mit der "Magdeburger Erklärung" der Zentral-KODA stellen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Seite der diakonischen Lohndumper und gegen die eigene Soziallehre. Und die Caritas stellt sich damit auch noch selbst ins Scheinwerferlicht. Frei nach dem Motto: "Wo geschossen wird, stellt man sich am Besten mitten rein".
    Dass ver.di (und im Übrigen auch andere) dann näher hinschauen, ist auch nicht scheinheilig, sondern zwangsläufig.
    Und wenn Du jetzt z.B. die letzten Ausgaben des "Kircheninfo" von ver.di anschaust - die findest Du über die Seite "Streikrecht ist Grundrecht", die wir in der rechten Spalte verlinkt haben - dann siehst Du in jeder Ausgabe Hinweise auf Caritas-Einrichtungen, die alles andere als "ethisch sauber arbeiten".
    Ist es jetzt scheinheilig, diese Dinge anzusprechen? Ich meine nicht. Es ist eher scheinheilig von diesen dort genannten Arbeitgebern (die sich als "caritativ" darstellen), einen "besseren und faireren Umgang mit den Beschäftigten zu behaupten, obwohl das nachweislich nicht stimmt.

    Und weiter - was den Umgang des "Arbeitgebers Caritas" angeht: welchen der vielen tausend Arbeitgeber meinst Du, die unter dem Dach der Caritas vereint sind?
    Ich zweifle nicht, dass es auch solche Arbeitgeber bei der Caritas gibt, die deutlich besser und faier mit ihren Beschäftigten umgehen als andere.
    Ich weiß aber auch, dass so manche Behauptung (z.B. die Ansage "Caritas schlägt ver.di" in der "Wohlfahrt intern" bei näherem Hinsehen reine Seifenblasen sind, Geblubber, das einer Überprüfung - leider - nicht standhält.

    Ganz offen noch ein Schlußsatz:
    Mir wäre es deutlich lieber, wenn es gemeinsam mit der Caritas gelänge, einvernehmlich zu einem allgemein verbindlichen Tarifvertrag für die gesamte Branche zu kommen - auf dem Niveau des TVöD = AVR Caritas Bundesbeschluss, ohne dass sich ver.di in irgendwelchen "Häuserkämpfen" verzetteln muss.
    Wenn sich die Caritas dem verweigert, dann sollte sie auch erklären, warum sie den Preiswettbewerb weiterhin will - und damit das gegenseitige Streben nach abgesenkten Löhnen billigend in Kauf nimmt.
    Und dann frage ich mich auch, wo "Scheinheiligkeit" vorliegt.

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