Nur zehn Tage später wird vom Domradio (Köln) über ein anders Modell aus dem Erzbistum Köln in Form eines Interviews mit Frank Hüppelshäuser (Amtsleiter im Erzbischöflichen Generalvikariat Köln) informiert:
Das Erzbistum Köln gründet zusammen mit dem Kita-Träger Fröbel eine gemeinsame Servicegesellschaft. Was bedeutet das für die 525 Kindertagesstätten im Erzbistum Köln?Auch Fröbel berichtet über diese "wegweisende Partnerschaft".
Zunächst einmal:
Fröbel ist einer der größten (Anm. gewerblichen) Träger von Kinderkrippen, Kindergärten und Horten in Deutschland mit über 5500 Mitarbeitenden, zwei Akademien für Fachkräfte und Kindergärten in Australien. Aktuelle Zahlen, Daten, Fakten stehen im Pressedossier(Quelle: Eigendarstellung im Internet).
Das in Form eines "Vereines" organisierte Unternehmen hat nach eigenen Angaben seit Jahren jährlich steigende Umsatzerlöse. Diese wurden für 2023 mit fast 300 Mio. Euro angegeben (konkret: 292.869 TEuro). Das Unternehmen ist Mitglied des Deutschen Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes und verfügt über einen mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ausgehandelten Fröbel-Haustarifvertrag. Die Gehaltsstufen und die Laufzeit orientieren sich nach eigenen Angaben am TVöD. Ein näherer Blick in diesen Haustarifvertrag offenbart allerdings schon einige Unterschiede. So ist die Stufenlaufzeit im Haustarifvertrag (§ 15 Abs. 7) erkennbar anders geregelt als im TVöD. Aber darauf soll es uns hier nicht ankommen.
Denn nach der Meldung des Domradio soll diese Servicegesellschaft primär mehrere andere Effekte erzielen:
...also - handelt es sich um die Umsetzung von Sparmöglichkeiten durch Synergieeffekte? Klar scheint jedenfalls, dass diese Bemühungen zu Lasten der "Personalkosten" gedacht sind, denn die Spareffekte bei einer gemeinsamen Beschaffung von Betriebsmitteln wie Computern, Druckerpapier usw. sind eher rudimentär. Dass ein stramm geführtes Wirtschaftsunternehmen natürlich betriebswirtschaftliche Prozesse (z.B. bei Beschaffungsmaßnahmen) stringenter, also schlanker umsetzen kann als eine an öffentlich-rechtliche Grundsätze gebundene Verwaltung ist zu erwarten (Zitat: Verwaltung heißt: Finanzbuchhaltung, Controlling oder Einkauf).
wir müssen es auch unter der finanziellen Perspektive betrachten. Wir stecken eine ganze Menge Kirchensteuermittel in das Thema Kita, was genau richtig ist. Aber auf Sicht werden die Kirchensteuermittel weniger werden. Also müssen wir auch in diesem Umfeld zu sparen versuchen. Wir wollen aber nicht sparen, indem wir Kitas schließen. Ganz im Gegenteil. Wir wollen in der Verwaltung sparen und eigentlich jeden Euro, den wir dort sparen, in die Pädagogik, in die Ausstattung, in die Kitas vor Ort investieren. Das ist die Idee.
Letztendlich werden die kirchlichen KiTAs künftig also nicht mehr nach den caritativen Grundsätzen der "Gemeinnützigkeit und "Wohltätigkeit" (ohne Gewinnerzielungsabsicht) betrieben, sondern nach eiskalten betriebswirtschaftlichen Regularien.
Deutlicher kann man das kaum formulieren.
Weiter im Interview des Domradio:
Die Erzieherinnen und Erzieher, die einen wunderbaren Job machen, aber auch sehr belastet sind, werden krank oder es gibt Kündigungen.
Wir können diese Ausfälle künftig in sehr größeren Einheiten viel besser kompensieren. Wir haben das mal durchgerechnet und glauben, dass wir die Ausfallzeiten um etwa zwanzig Prozent reduzieren können.
Mooooment einmal:
Wieso können pädagogische Kräfte plötzlich von A nach B nach C "verschoben" werden? Denn der Hinweis auf die "Vermeidung von Ausfällen" besagt doch nichts anderes, als dass personelle Lücken im KiTA B oder C durch Personal aus der KiTA A geschlossen werden.
Wieso können pädagogische Kräfte plötzlich von A nach B nach C "verschoben" werden? Denn der Hinweis auf die "Vermeidung von Ausfällen" besagt doch nichts anderes, als dass personelle Lücken im KiTA B oder C durch Personal aus der KiTA A geschlossen werden.
Und dazu jetzt ein Blick auf den Fröbel-Haustarifvertrag. In § 2 Abs. 2 steht da ganz vorne, an prominenter Stelle:
Soll das etwa heißen, dass Personal je nach Bedarf oder Gusto in ganz Deutschland oder - im Rahmen der gemeinsamen Gesellschaft - zumindest innerhalb der Erzdiözese verschoben werden kann?
Der Arbeitnehmerin kann aus dringenden betrieblichen Gründen oder mit ihrer Zustimmung vorübergehend eine mindestens gleichwertige Tätigkeit, die ihrer beruflichen Ausbildung und Erfahrung angemessen ist, in einer anderen Einrichtung der Arbeitgeberin zugewiesen werden. Die Rechtsstellung der Arbeitnehmerin bleibt unberührt.Das ist jetzt schon mal spannend - denn diese Arbeitgeberin, die FRÖBEL e. V. und die FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH verfügt nach eigenen Angaben über Standorte, die in der ganzen Bundesrepublik verteilt sind. Das Unternehmen ist
Träger von 243 Kitas *) in ganz Deutschland(Quelle: eigene Angaben).
Soll das etwa heißen, dass Personal je nach Bedarf oder Gusto in ganz Deutschland oder - im Rahmen der gemeinsamen Gesellschaft - zumindest innerhalb der Erzdiözese verschoben werden kann?
Hier scheint uns eine bessere Information erforderlich.
Im Interview wird dann auch hinsichtlich des diözesanen Verschiebebahnhofes mitgeteilt:
Im Interview wird dann auch hinsichtlich des diözesanen Verschiebebahnhofes mitgeteilt:
Es gibt zwei Gesellschaften. Es gibt den Kita-Träger, der nur dem Erzbistum gehört. Die Kitas werden in diesen zum Erzbistum gehörenden Träger wechseln, genau wie die Mitarbeiter auch. Die unterliegen künftig dem katholischen Arbeitsrecht. MAVO (Mitarbeitervertretungsordnung, Anm. d. Red.) und KAVO (Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung, Anm. d. Red.) gelten für alle Beteiligten weiterhin.sowie
Für die Mitarbeitenden, die in den Träger wechseln werden, ändert sich gar nichts. Die KAVO bleibt und die MAVO bleibt. Wir wären ja verrückt, wenn wir das ändern würden.aha - die Erzdiözese betreibt also "Rosinenpickerei". Und ändern wird sich doch etwas - Mitarbeitende werden künftig im Rahmen der Trägergesellschaft nicht nur einen Arbeitsvertrag für eine örtlich bestimmte KiTA erhalten, sondern im gesamten Tätigkeitsgebiet der Trägergesellschaft - also dem gesamten Erzbistum - eingesetzt und versetzt werden können.
Der Betrieb der katholischen KiTAs wird (sukzessive) nach gewerblichen Methoden strukturiert.
Aber das Gegengewicht zum Schutz der Arbeitnehmer
- Mitbestimmung durch Betriebsräte mit den wesentlich besseren Rechten aus dem Betriebsverfassungsgesetz und
- Tarifverhandlungen "auf Augenhöhe" anstatt dem kollektiven Betteln mit abhängigen Beschäftigten in arbeitsrechtlichen Kommissionen ("Dritter Weg")
sollen weiterhin verweigert werden.
Man fragt sich, ob das alles mit den Mitarbeitenden abgestimmt wurde. Und da erklärt dann der Amtsleiter ganz frank und frei:
Wir haben ein "Sounding Board" (Qualitative Meinungsbefragung, Anm. d. Red.) im Projekt gegründet, bei dem sich über 160 Menschen, Kitaleitungen, Verwaltungsleitungen und Pfarrer beteiligen und bei dem wir immer wieder auch Rückkopplungen aus dem Projekt heraus suchen.Wunderbar - das ist also anscheinend ein reines Leitungsprojekt. Mitarbeitende aus den "unteren Ebenen" oder wenigstens Mitarbeitervertretungen waren entweder gar nicht dabei - oder für Herrn Hüppelshäuser gar nicht erst erwähnenswert.
Na Bravo, das nennt sich Unternehmenskultur.
Wie steht es so schön in der Enzyklika MATER ET MAGISTRA **) von PAPST JOHANNES PP. XXIII ***)
Verantwortliche Mitarbeit der Arbeitnehmer im Mittel- und Großbetriebnun gut, die Enzyklika stammt vom Mai 1961, was man schon an der sehr altertümlichen Wortwahl in der deutschen Fassung der Enzyklika sieht ***). Wir haben das mit unserer Übersetzung verbessert.
91. Wie schon Unser Vorgänger sind auch Wir der Meinung, daß die Arbeitnehmer mit Recht aktive Teilnahme am Leben des sie beschäftigenden Unternehmens fordern. Wie diese Teilnahme näher bestimmt werden soll... kann sogar in demselben Unternehmen rasch und grundlegend wechseln. In jedem Fall aber sollten die Arbeitnehmer an der Gestaltung der Angelegenheiten ihres Unternehmens aktiv beteiligt werden. Das gilt sowohl für private als auch für öffentliche Unternehmen. Das Ziel muß in jedem Fall sein, das Unternehmen zu einer echten menschlichen Gemeinschaft zu machen; diese muß den wechselseitigen Beziehungen der Beteiligten bei aller Verschiedenheit ihrer Aufgaben und Pflichten das Gepräge geben.
92. Das erfordert im gegenseitigen Verhältnis von Arbeitgebern, leitenden Angestellten und Arbeitnehmern im Betrieb Zusammenarbeit, Achtung voreinander und Wohlwollen; alle müssen zum gemeinsamen Werk mit ehrlichem und innerlichem Einsatz all ihrer Kräfte zusammenwirken; sie sollen ihre Arbeit nicht nur als Mittel des Erwerbs auffassen, sondern auch als Pflichterfüllung und Dienst an der Gemeinschaft. Das bedeutet aber: Bei der Erledigung der Angelegenheiten und beim Ausbau des Unternehmens sollte auch die Stimme des Arbeiternehmers gehört und seine Mitverantwortung angesprochen werden. Unser Vorgänger Pius XII. sagte mit Recht: "Anderseits verlangt die wirtschaftliche und soziale Funktion, die jeder Mensch erfüllen möchte, daß die Tätigkeit die der einzelne entfaltet, nicht völlig dem Willen eines anderen untergeordnet sei" (Ansprache vom 8.10.1956). Zweifellos muß ein Unternehmen, das der Würde des Menschen gerecht werden will, auch eine wirksame Einheitlichkeit der Leitung wahren; aber daraus folgt keineswegs, daß wer Tag für Tag in ihm arbeitet, als bloßer Untertan zu betrachten ist, dazu bestimmt, stummer Befehlsempfänger zu sein, ohne das Recht, eigene Wünsche und Erfahrungen anzubringen; daß er bei Entscheidungen über die Zuweisung eines Arbeitsplatzes und die Gestaltung seiner Arbeitsweise sich passiv zu verhalten habe.
...
Mitwirken der Arbeitnehmer auf allen Ebenen
97. Offenkundig erleben die Arbeitnehmerorganisationen (Anm. Gewerkschaften) in unserer Zeit einen mächtigen Aufschwung und haben ganz allgemein auf nationaler und internationaler Ebene eine anerkannte Rechtsstellung. Sie treiben die Arbeitnehmer nicht mehr in den Klassenkampf, sondern leiten sie zu sozialer Partnerschaft an. Dazu dienen vor allem die Tarifverträge zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden. Wir möchten darauf hinweisen, wie notwendig oder mindestens höchst angemessen es ist, daß die Arbeitnehmerschaft Gelegenheit hat, ihre Meinung und ihr Gewicht auch über die Grenzen des Unternehmens hinaus geltend zu machen, und zwar in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.
Nur ist - offensichtlich - nicht einmal die altertümliche Fassung der Enzyklika bis Köln vorgedrungen.
Anmerkungen:
*)
Im Erzbistum Köln sind 525 Kitas in katholischer Trägerschaft mit 8.300 Mitarbeitenden (Quelle). Das Erzbistum bringt also mehr als doppelt so viele Kitas und deutlich mehr Mitarbeitende in die Servicegesellschaft ein als der bundesweit agierende KiTA-Konzern Fröbel.
Das wird dann auch im Domradio angesprochen:
Wir haben zwei Gesellschaften. Die eine haben wir im Herbst letzten Jahres gegründet. Das ist die Trägergesellschaft "Katolino". Die gehört nur dem Bistum. Diese Trägergesellschaft hat eine Servicegesellschaft gegründet, die zu 60 Prozent dem Erzbistum gehört und zu 40 Prozent die Beteiligung von Fröbel beinhaltet.
Das Erzbistum hat bei beiden Trägern die Mehrheit. Bei dem einen vollständig, bei dem zweiten zu 60 Prozent. Kein Mitarbeiter ist bei Fröbel angestellt. Man muss aber auch keine Angst vor Fröbel haben. Sie sind mit 250 Kindertagesstätten einer der größten überregionalen Träger und machen ihr Geschäft gut. Sie helfen uns ausschließlich bei der Verwaltung.
**)
vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung und auch „Mater et magistra" und ihre Bedeutung für das Wirken des DGB
***)
Die Übersetzung des Wortes "lavoratori" aus der italienischen Fassung der Enzyklika oder "employees" aus der englichen Fassung mit dem Begrif "Arbeiter" statt dem heutigen Begriff des "Arbeitnehmers" ist mehr als unglücklich. Auch der italienische Begriff "contratto collettivo" (in der englischen Fassung wird "method of collective bargaining" - also "Methode der Tarifverhandlung" geschrieben) ist in der deutschen Übersetzung schlicht verfälschend gebraucht.
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