Montag, 2. Dezember 2024

Interessante Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht:

Advent ist die Zeit der Vorbereitung. Da liegt es nahe, einen Blick auf mögliche Entwicklungen zu werfen, die kirchliche Einrichtungen betreffen. Wir fangen mit einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an.

1 BvR 2127/24
Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2024 - BVerwG 5 C 7.22 - sowie mittelbar gegen § 20 Absatz 1 Sätze 2 und 3 des Gesetzes zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz - KiBiz) vom 30. Oktober 2007 (GV NRW S. 462) in der Fassung des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (GV NRW S. 622).

Betr.: Recht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit; die Verfassungsbeschwerde betrifft die staatliche Finanzierung von Kindertageseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft

Art. 3 Abs. 1, 3 Satz 1; 4; 140 GG

Berichterstatter: BVR Dr. Christ

Das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts findet sich hier:
Begehren eines kirchlichen Trägers auf Neubescheidung des Antrags auf staatliche Finanzierung einer Kindertageseinrichtung nach dem nordrhein-westfälischen Kinderbildungsgesetz 2016

Leitsätze:

1. Die Zuschussregelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 KiBiz in der Fassung vom 8. Juli 2016, nach der kirchliche Träger für die von ihnen betriebenen Kindertagesstätten im Vergleich zu anderen anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe einen um drei Prozentpunkte niedrigeren Zuschuss von (nur) 88 Prozent der Kindpauschalen nach § 19 KiBiz 2016 erhalten, ist mit höherrangigem Recht vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen die Gleichheitssätze des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und des Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. § 4 Abs. 2 SGB VIII).

2. Der in § 4 Abs. 2 SGB VIII normierte Funktionsschutz der freien Jugendhilfe gehört zu den Strukturprinzipien des bundesrechtlichen Jugendhilferechts, die vermittelt über Art. 3 Abs. 1 GG Maßstabsqualität für die Ausgestaltung eines landesrechtlichen Förderungssystems erlangen (Ergänzung der Rechtsprechung des BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2010 - 5 CN 1.09 - und vom 26. Oktober 2023 - 5 C 6.22 -).

3. Der Funktionsschutz der freien Jugendhilfe nach § 4 Abs. 2 SGB VIII verpflichtet den Landesgesetzgeber im Sinne eines Schutzes vor Verdrängung, die Finanzierung von Kindertagesstätten so zu regeln, dass die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe durch die öffentliche Förderung in die Lage versetzt werden, ihre Aufgabe sachgerecht zu erfüllen und ein nach Art und Umfang von einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherzustellendes Betreuungsangebot anzubieten.

Sonntag, 1. Dezember 2024

Sonntagsnotizen zu Beginn des Kirchenjahres - Abschlussdokument der katholischen Weltsynode ist vom Papst als "rechtsverbindlich" bezeichnet worden

das berichten zu Beginn des neuen Kirchenjahres u.a. das Domradio oder auch VaticanNews *). Da ist es dann schon interessant zu schauen, was denn nun genau "rechtsverbindlich" geworden ist.
Die vier Bischöfe aus Eichstätt, Köln, Passau und Regensburg haben in einer gemeinsamen Presseerklärung bereits am 4. November klar gestellt, dass von den Themen des "Synodalen Weges" in Deutschland lediglich das Thema "Macht" von der Weltsynode aufgegriffen wurde:
...
Die von der Frankfurter Versammlung vorgenommene, ausschließliche Identifikation von vier Hauptthemen als diejenigen, die Missbrauch strukturell begünstigen würden, hält nach heutigen Erkenntnissen kaum Stand. Zwei der vier Themen (Zölibat und Sexualmoral) sind im Abschlussdokument der Weltbischofssynode zudem nicht aufgegriffen worden. In der Frage nach der möglichen Teilhabe von Frauen am sakramentalen Weiheamt gibt es nach der Weltbischofssynode keinen neuen Sachstand. Und die Frage nach der Macht, die in ihrer negativen Auswirkung von Papst Franziskus massiv unter dem Stichwort "Klerikalismus" angeprangert wird, wird im Schlussdokument mit einem umfassenden Entwurf eines gemeinsamen, geistlichen Weges der Kirche beantwortet. Die Ziele des deutschen Synodalen Weges und der weltkirchliche Prozess der Synode gehen damit aus der Sicht der vier Bischöfe inhaltlich nicht Hand in Hand. Auf den in der römischen Synode angestoßenen Weg sind auch die vier Bischöfe gerne bereit, sich mit ihren Mitbrüdern im Bischofsamt und mit möglichst vielen anderen Beteiligten aus möglichst allen kirchlichen Gruppierungen neu einzulassen. Leitend ist ihnen dabei die Frage, welche Formen und Strukturen dem gläubigen Volk Gottes in Deutschland dabei helfen, "ein Volk von Jüngern und Missionaren zu sein, die gemeinsam unterwegs sind" (XVI. Ordentliche Bischofssynode, Abschlussdokument, Nr. 155).
Auch wir haben das Thema "Macht" und "Klerikalismus" mehrfach in unserem Blog aufgegriffen. Wir möchten daher nachlesen, wass denn die Weltsynode dazu gesagt hat.
Bisher liegt die offizielle Fassung des finalen Dokuments auf Italienisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch und Englisch (Stand 26.10.2024) vor. Das Abschlussdokument der katholischen Weltsynode ist bisher wohl nur in deutscher Arbeitsübersetzung verfügbar.
Wir sind dann schon neugierig, wann dieses Dokument dann auch offiziell auf deutsch veröffentlicht wird.


Anmerkungen:
vergleich auch
katholisch.de - Jeppesen-Spuhler (Synodenteilnehmerin): Papst hat Weltsynoden-Dokument verbindlicher gemacht
katholisch.de - Was die offizielle Approbation des Papstes bedeutet: Maßschnur für Bischöfe – das Synodendokument als ordentliches Lehramt
Diesem Lehramt ist zwar keine "Glaubenszustimmung", wohl aber "religiöser Verstandes- und Willensgehorsam" entgegenzubringen, wie es in der Sprache des Kirchenrechts heißt (c. 752 CIC). Das bedeutet: Glauben muss zwar niemand, was im Abschlussdokument steht, wie das etwa bei Dogmen der Fall wäre.
Wohl aber muss es "ehrfürchtig anerkannt" werden und den Positionen "aufrichtige Anhänglichkeit gezollt" werden, wie es das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Kirchenkonstitution "Lumen Gentium" (Nr. 25) formuliert. Damit sollen nicht Verstand und Willen ausgeschaltet werden, kommentiert der "Münsterische Kommentar zum CIC", und ein eigenständiges "Nachdenken und Forschen" werde erwartet. Letzten Endes werde in dieser Verbindlichkeitsstufe aber erwartet, dass die von der höchsten Autorität der Kirche vorgetragene Lehre akzeptiert wird. So wichtig war dem kirchlichen Gesetzgeber dieser Gehorsam, dass auf die "hartnäckige Ablehnung" derart vorgetragener Lehren kirchliche Strafen ausgesetzt sind – insbesondere der Amtsverlust. Auf diese Konsequenzen verweist Papst Franziskus nicht ausdrücklich. Er lässt sie angesichts konservativer Kritik an der Weltsynode und ihren Beschlüssen aber zumindest anklingen.
na ja, was wir von der "ehrfürchtigen Anerkennung" und der "hartnäckigen Ablehnung" halten können, sehen wir ja bei den Irrungen des deutschen kirchlichen Arbeitsrechts - da ist vom Gewerkschaftsprinzip der päpstlichen Sozialenzykliken und Tarifverträgen (Mater et magistra) nur das Gegenteil übrig geblieben.
Wie war das doch gleich wieder mit dem Thema "Glaubwürdigkeit und Kirche" ?
Sollte man wirklich noch daran glauben, dass im neuen Kirchenjahr (beginnend mit dem 1. Adventssonntag) der Umgang mit dem päpstlichen Lehramt auch in Deutschland relevant würde?
Zweifel bleiben - aber die gehören wohl zur Theologie (Joh 20,19-31)