Donnerstag, 14. September 2017

Fast schon prophetische Worte ....

... mit dieser Überschrift würdigt "katholisch.de" am 14. September letzten Jahres die Sozialenzyklika "Laborem exercens" und führt weiter aus:
Fast schon prophetische Worte

Ob Kapitalismus- oder Flüchtlingskrise oder gerechte Familienpolitik - mit seiner am 14. September 1981 veröffentlichten Enzyklika "Laborem Exercens" legte Johannes Paul II. eine bestechende gesellschaftliche Analyse vor.
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Dem Grundsatz "Arbeit vor Kapital" folgend, hält "Laborem Exercens" auch die Arbeiterrechte hoch. Ansprüche haben die Arbeiter sowohl gegen den "direkten Arbeitgeber", also etwa das Unternehmen, das den Arbeiter beschäftigt, wie gegen den "indirekten Arbeitgeber": die sozialen und rechtlichen Strukturen, die die Arbeit in einer Gesellschaft regeln. Dazu gehören etwa das Arbeitsrecht, Tarifverträge und nationale und internationale Institutionen, die die Rechte der Arbeitnehmer beeinflussen und gestalten.

Ein Jahr nach Gründung der polnischen oppositionellen Gewerkschaft Solidarnosc überrascht es nicht, dass Johannes Paul II. sich auch stark macht für das Recht, Gewerkschaften zu gründen, und für das Streikrecht der Arbeiter – eine Forderung, die immer wieder in der Soziallehre der Kirche erhoben wird; auch wenn die Kirche als Arbeitgeber davon nicht immer etwas wissen will.
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Einige Jahre zuvor hat der "deutsche Papst" Benedikt, der seine deutsche Kirche wie kaum ein anderer kennt, diese Sozialenzyklika bei seiner Abschiedsrede auf dem Flughafen München seiner Heimat besonders an's Herz gelegt. Wir zitieren aus der Enzyklika:
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20. Die Bedeutung der Gewerkschaften

Aus all diesen Rechtsansprüchen zusammen mit der Notwendigkeit, daß die Arbeitnehmer selbst sich für deren Gewährleistung einsetzen, ergibt sich noch ein weiteres Recht, nämlich sich zusammenzuschließen, also Verbände oder Vereinigungen zu bilden, deren Zweck es ist, die Lebensinteressen der in den verschiedenen Berufen Tätigen zu vertreten. Solche Vereinigungen werden als Gewerkschaften bezeichnet. Die Lebensinteressen der Arbeitnehmer sind bis zu einem gewissen Punkt allen gemeinsam; gleichzeitig jedoch weist jede Art von Arbeit, jeder Beruf bestimmte Eigenheiten auf, die in diesen Organisationen ihre besondere Berücksichtigung finden sollten.

Die Gewerkschaften gehen in gewissem Sinne schon auf die mittelalterlichen Zünfte zurück, insofern diese Organisationen jeweils Angehörige des gleichen Handwerks umfaßten, also Menschen aufgrund der von ihnen verrichteten Arbeit zusammenschlossen. Gleichzeitig besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen solchen Korporationen und den Gewerkschaften: Die modernen Gewerkschaften sind aus dem Kampf der Arbeitnehmer, der Arbeiterschaft und vor allem der Industriearbeiter, für den Schutz ihrer legitimen Rechte gegenüber den Unternehmern und den Besitzern der Produktionsmittel entstanden. Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der existentiellen Interessen der Arbeitnehmer in allen Bereichen, wo ihre Rechte berührt werden. Die historische Erfahrung lehrt, daß Organisationen dieser Art ein unentbehrliches Element des sozialen Lebens darstellen, vor allem in den modernen Industriegesellschaften. Das bedeutet freilich nicht, daß nur Industriearbeiter Vereinigungen dieser Art errichten könnten. Die Angehörigen aller Berufe können sich ihrer zur Sicherung der jeweiligen Rechte bedienen. Es gibt daher auch Gewerkschaften der Landwirte und der Arbeitnehmer in leitender Stellung wie auch Vereinigungen der Arbeitgeber. Alle teilen sich dann, wie gesagt, entsprechend den verschiedenen Berufszweigen noch weiter in Gruppen und Untergruppen auf.

Die katholische Soziallehre vertritt nicht die Meinung, daß die Gewerkschaften nur Ausdruck der »Klassen«-Struktur einer Gesellschaft und Teilnehmer des Klassenkampfes seien, der unvermeidlich das gesellschaftliche Leben beherrsche. Gewiß, sie nehmen teil am Kampf für die soziale Gerechtigkeit, für die berechtigten Ansprüche der Arbeitenden in den verschiedenen Berufen. Dieser »Kampf« muß jedoch als ein normaler Einsatz für ein gerechtes Gut angesehen werden: in diesem Fall für das Wohl, das den Bedürfnissen und Verdiensten der nach Berufen zusammengeschlossenen Arbeitnehmern entspricht. Es ist dies aber kein Kampf gegen andere. Wenn er bei umstrittenen Fragen auch den Charakter einer Opposition gegen andere annimmt, so geschieht das im Hinblick auf das Gut der sozialen Gerechtigkeit und nicht um des »Kampfes« willen oder um den Gegner auszuschalten. Es ist ein Kennzeichen der Arbeit, daß sie die Menschen vor allem eint; darin besteht ihre soziale Kraft: sie bildet Gemeinschaft. In dieser Gemeinschaft müssen sich letzten Endes alle irgendwie zusammenfinden, sowohl jene, die arbeiten, wie auch jene, die über die Produktionsmittel verfügen oder sie besitzen. Im Licht dieser grundlegenden Struktur jeder Arbeit - im Licht der Tatsache, daß schließlich in jedem sozialen System »Arbeit« und »Kapital« die unentbehrlichen Elemente des Produktionsprozesses sind - bleibt der arbeitsbedingte Zusammenschluß von Menschen zur Verteidigung der ihnen zukommenden Rechte ein positiver Faktor der sozialen Ordnung und Solidarität, von dem man nicht absehen kann.

Der legitime Einsatz zur Sicherung der Rechte von Arbeitnehmern derselben Berufsgruppe muß allerdings immer den Beschränkungen Rechnung tragen, welche die allgemeine Wirtschaftslage des Landes auferlegt. Die gewerkschaftlichen Forderungen dürfen nicht in Gruppen- oder Klassenegoismus ausarten, wenngleich sie im Interesse des Gemeinwohls der ganzen Gesellschaft auch auf die Verbesserung all dessen abzielen können und müssen, was im System des Eigentums an den Produktionsmitteln oder in der Art, sie einzusetzen und über sie zu verfügen, fehlerhaft ist. Das gesellschaftliche und wirtschaftlich-soziale Leben ist gewiß wie ein System »kommunizierender Röhren«, und auch jede soziale Aktivität zugunsten der Rechte einzelner Gruppen muß sich in dieses System einfügen.

In diesem Sinn gehört die Aktivität der Gewerkschaften zweifellos in das Gebiet der »Politik«, wenn sie als kluges Bemühen um das Gemeinwohl aufgefaßt wird. Andererseits ist es nicht Aufgabe der Gewerkschaften, »Politik zu machen« im heute üblichen Sinne dieses Ausdrucks. Die Gewerkschaften haben nicht die Eigenschaft politischer Parteien, die um die Macht kämpfen, und sollten auch nicht den Entscheidungen der politischen Parteien unterstellt sein oder in zu enger Verbindung mit ihnen stehen. Sonst verlieren sie nämlich leicht den Kontakt mit ihrem eigentlichen Auftrag, der Sicherung der berechtigten Ansprüche der Arbeitnehmer im Rahmen des Gemeinwohls des ganzen Landes, und werden statt dessen ein Werkzeug für andere Zwecke.

Wenn vom Schutz der berechtigten Ansprüche der Arbeitnehmer je nach den verschiedenen Berufen die Rede ist, muß man natürlich immer vor Augen haben, was in jedem Beruf für den subjekthaften Charakter der Arbeit entscheidend ist, aber gleichzeitig oder sogar in erster Linie, was die dem Subjekt der Arbeit eigene Würde bedingt. Hier eröffnen sich der Tätigkeit der Gewerkschaften vielfältige Möglichkeiten, auch in ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit und bei ihrer Förderung der Selbsterziehung. Große Verdienste haben sich dabei Gewerkschaftsschulen, die sogenannten Arbeiter und Volkshochschulen sowie die Programme und Kurse für Fortbildung erworben, die gerade derartige Aktivitäten entwickelt haben und dies weiterhin tun. Es ist stets zu wünschen, daß es dem Arbeitnehmer dank des Wirkens seiner Gewerkschaft gelingt, nicht nur mehr zu »haben«, sondern vor allem mehr zu »sein«, sein Menschsein also in jeder Richtung voller zu verwirklichen.

Bei ihrem Einsatz für die berechtigten Forderungen ihrer Mitglieder bedienen sich die Gewerkschaften auch der Methode des Streiks, das heißt der Arbeitsniederlegung als einer Art von Ultimatum, das sich an die zuständigen Organe und vor allem an die Arbeitgeber richtet. Sie wird von der katholischen Soziallehre als eine unter den notwendigen Bedingungen und in den rechten Grenzen erlaubte Methode anerkannt. Auf dieser Grundlage müßte den Arbeitnehmern das Recht auf Streik garantiert werden, ohne daß ihre Teilnahme daran negative Folgen für sie nach sich zieht. Wenn man zugibt, daß der Streik ein erlaubtes Mittel ist, muß man jedoch gleichzeitig hervorheben, daß er in gewissem Sinn ein äußerstes Mittel bleibt. Man darf ihn nicht mißbrauchen, vor allem nicht für politisches Taktieren. Auch darf man nie außer acht lassen, daß die für das Leben und Zusammenleben der Bürger notwendigen Dienstleistungen auf jeden Fall sichergestellt werden müssen, wenn nötig, durch besondere gesetzliche Maßnahmen. Der Mißbrauch des Streiks kann zu einer Lähmung des ganzen sozio-ökonomischen Lebens führen, und das widerspricht den Erfordernissen des Gemeinwohls der Gesellschaft, das auch mit der richtig verstandenen Natur der Arbeit selbst im Einklang steht.
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Quelle: "klick"

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