Montag, 20. Januar 2020

Jahr der Pflegenden - Papst contra Caritas Deutschland?

Am Ende des Angelusgebets hat Papst Franziskus daran erinnert, dass 2020 das „Jahr der Pflegefachleuten und der Hebammen“ ist, und deren Arbeit und Leistung mehr als deutlich gelobt und seiner Wertschätzung versichert.
 
Gleichzeitig berichtet katholisch.de unter der Überschrift
Pflegerin setzt sich zur Wehr – 70.000 Unterschriften gesammelt

Pflege am Limit: 12 Tage Schicht, 2 Tage frei, 12 Tage Schicht

über die fatale Situation der Pflege in Deutschland. 
 
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind hart: Zwölf Tage Dienst am Stück sind keine Seltenheit – damit das anders wird, hat eine Altenpflegerin über 70.000 Unterschriften gesammelt. Unterstützung kommt von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung – doch nicht überall in der Kirche ist man begeistert von der Petition.
 
Was verblüfft, ist nicht diese Tatsachenfeststellung - ver.di weist schon seit Jahren unter dem Stichwort "Entlastung" auf die Problematik hin (wir berichteten). Die Pflege ist "krank gespart". Verblüffend ist vielmehr die Reaktion und der Lösungsvorschlag von Offiziellen aus der Caritas Deutschland. Auch das wird im Berich genannt:
 
Alfons Maurer, einer der Sprecher des Netzwerks "Alter und Pflege" des Rottenburg-Stuttgarter Diözesancaritasverbands, bestätigt das. Zwölf-Tage-Schichten seien zwar nicht die Regel oder gängige Praxis, manchmal könne man sie aber nicht vermeiden. Jedenfalls nicht, "solange wir ökonomische Zwänge haben".
...

Caritas-Vertreter gegen gesetzliche Regelung

Vor allem der Personalmangel zwinge Einrichtungen, solche Dienstpläne aufzustellen, erläutert Maurer. Der Königsweg für ihn wäre eine Erhöhung des Personalschlüssels: "Dann löst sich das Thema dieser Aneinanderreihung von Arbeitstagen rasch auf, und es können alle Mitarbeitende in einer Fünftagewoche arbeiten", sagt er.

und
Maurer ist gegen eine gesetzliche Regelung. Die Begrenzung auf maximal zehn Arbeitstage am Stück sei "unnötig und nicht hilfreich". Statt einer gesetzlichen Regelung zur Arbeitszeit brauche es schlicht mehr Personal.
 
Mit anderen Worten: der ohnehin schon magere Fachkraftschlüssel (ver.di Forderung: "keine Nacht alleine") soll noch weiter aufgeweicht werden, um Fachkräfte durch Hilfskräfte zu ersetzen.
Und darüber hinaus sollen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbegrenzt zum (nicht nur gesundheitsschädlichen) Dienst herangezogen werden.
 
Das ist der einfachste Weg.
 
Wir sparen an Fachkräften und der Qualität, und lassen möglichst viele Hilfskräfte möglichst viel Arbeit übernehmen. Das Essen wird also an- und abgeräumt, und niemand prüft, ob die zu Pflegenden (insbesondere im Alter) auch wirklich genug zu sich nehmen und nicht dehydrieren. Und wenn es trotzdem nicht reicht, dann müssen die Beschäftigten halt noch mehr Dienst leisten. Dieser betriebswirtschaftliche Ansatz reduziert die zu Pflegenden und die Pfleger*Innen auf reine Kostenfaktoren.  
 
Bravo.
 
Pflege lässt sich nicht den Gesetzen des Marktes unterwerfen. Das sind wir den Alten und Kranken schuldig. Es geht darum, die bestmögliche Pflege zu gewährleisten - und nicht darum zu überlegen, bei welchen Alten und Patient*Innen aus wirtschaftlichen Gründen eine Reduzierung der Leistungen infrage kommt. Rentiert sich bei der 80jährigen "Trümmerfrau" die intensive Fachpflege mit teuren Medikamenten überhaupt noch?
Alleine diese Frage ist aus dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch an den "Sozialstaat" unzulässig. Jede/r hat danach Anspruch auf optimale Versorgung, egal was es kostet! 
 
Gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fordern stattdessen bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Entlohnung. Denn dann lässt sich auch mehr Fachpersonal gewinnen. Das scheitert bislang freilich an der "Konkurrenz der Wege". Denn bislang gibt es keine allgemein verbindlichen tariflichen Mindestarbeitsbedingungen, sondern - aus ideologischen Gründen - die Weigerung der Kirchen und ihrer Einrichtungen, solche mit den Gewerkschaften zu vereinbaren. Damit bestimmen aber auch die sogenannten "Billigheimer", die "Schmutzkonkurrenz" (wie Kardinal Marx in seinem Buch "Das Kapital" schreibt) die Höhe der Refinanzierung.
 
Wer sich aber allgemein verbindlichen Regelungen verweigert, der nimmt die damit einher gehende Kostenknkurrenz der Anbieter billigend in Kauf. Das wirkt sich zu Lasten der zu Pflegenden und der Pfleger*innen aus.
 
Ist das wirklich kirchlich gewollt?
 
 
 
 
 
 

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