Sonntag, 2. April 2017

Sonntagsnotizen - Die Überflüssigen der Dienstgemeinschaft

Am Dienstag hat der RBB unter dem Titel "Schlechter Umgang mit Mitarbeitern" über den Wechsel des Berliner Franziskus Krankenhauses zum ebenso katholischen Elisabeth-Vinzenz Verbund.

Konkret heißt es im Beitrag von Jörn Kersten:
"Gemeinsames christliches Selbstverständnis und Synergie-Effekte im Verbund sichern die Zukunft des traditionsreichen Hauses im Zentrum von Berlin", heißt es in der Pressemitteilung zur Übernahme der Klinik. Für viele Mitarbeiter bedeutete das die Entlassung.
Als erstes wurde Küchenpersonal und einigen Pflegekräften gekündigt, wenig später waren die Physiotherapeuten an der Reihe. Aus beiden Bereichen Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten für das Krankenhaus gearbeitet hatten. Die Arbeit der entlassenen Mitarbeiter werden nun von externen Firmen übernommen.
Auch Radio Vatikan hat sich unter dem Titel "Katholisches Krankenhaus in der Kritik" mit den Vorgängen und den im RBB bekannt gewordenen Vorwürfen befasst.


Der katholische Elisabeth-Vinzenz-Verbund (EVV) wies als Träger des Krankenhauses die Vorwürfe zurück. Er erklärte, aufgrund der negativen Bilanzen des Krankenhauses seit 2013 seien umfassende Sparmaßnahmen notwendig gewesen. Dazu habe auch die betriebsbedingte Kündigung von 34 Beschäftigten in Dienstleistungsbereichen des Krankenhauses gehört. Ihnen seien aber „bei Interesse und Eignung Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten innerhalb des EVV oder in eigenen Dienstleistungsgesellschaften mit marktüblichen Tarifstrukturen und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften angeboten“ worden. Der EVV erklärte zudem, die Rahmenbedingungen im Gesundheitsbereich zwängen alle Krankenhausträger dazu, „patientenferne Dienstleistungen“ auszulagern. 

Möglicherweise handelt es sich bei dieser Feststellung "alle Krankenhausträger" würden "`patientenferne Dienstleistungen` auslagern" auch nur um einen bei katholischen Krankenhausträgern verbreiteten Glauben? (Es soll doch auch Kliniken geben, die auch "patientenferne" Dienstleistung in Eigenregie behalten? Sogar katholische? Warum sonst sollten die AVR Vergütungen für diese Beschäftigtengruppen tarifieren?)

Wie auch immer. So schnell kann es also gehen, dass man sich auch als langjährig Beschäftigter von heute auf morgen außerhalb der Dienstgemeinschaft wiederfindet! 34 Beschäftigten wurde der Sendungsauftrag durch den Elisabeth-Vinzenz-Verbund entzogen? Und das interessiert zwar den RBB, nicht aber den Erzbischof?
Interessant ist auch, dass es offensichtlich eine "eigene Dienstleistungsgesellschaft" gibt, die aber vermutlich nicht kirchlich ist?
Die gekündigten Beschäftigten fallen künftig dann - wenn sie denn eine Weiterbeschäftigung finden - unter den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes, das Koalitionsrecht nach Art. 9 Grundgesetz gilt für sie dann auch nach Auffassung der kirchlichen Arbeitsrechtsexperten uneingeschränkt? Die Loyalitätsobliegenheiten der Grundordnung reduzieren sich auf die eines normalen Katholiken (oder Staatsbürgers mit welcher Religion auch immer).

Manche Geschenke erhält man dann, wenn man sie sich am wenigsten wünscht...

Den Auszug aus der gelobten Dienstgemeinschaft gibt es auch in kollektiver statt teilkollektiver Fassung. In Würzburg ist Anfang des Jahres die katholische Missionsärztliche Klinik mit der Klinik des Juliusspitals fusioniert. Die Aufregung darüber, dass mehrere hundert Beschäftigte von heute auf morgen die Dienstgemeinschaft (und den Caritasverband) verlassen haben, hielt sich in überschaubaren, um nicht zu sagen mikroskopischen Grenzen.

In der vergangenen Woche wurde im neu entstandenen Klinikum Würzburg Mitte ein Betriebsrat gewählt, wo vorher eine Personalvertretung und eine Mitarbeitervertretung die Interessen der Beschäftigten wahrgenommen hat.

Die Erkrankungen sind dieselben geblieben und an den Finanzierungspraktiken der Krankenkassen hat sich auch nichts nennenswertes verändert.


Über eine weitere Variante des Ausstiegs aus der Dienstgemeinschaft berichtet die RK-Nord in ihrem aktuellen RK-Info. Offensichtlich steht eine Abwicklung von Caritas-Altenheimen im Bistum Hildesheim bevor:
Caritas Seniorenstift St. Paulus schließt 

Zum Jahresende verlieren alle Beschäftigten des St. Paulus Seniorenstifts ihren Arbeitsplatz – das Altenheim stellt seinen Betrieb ein. Gerade diese Mitarbeiter hatten seit Jahren auf vertragliche Sonderzahlungen verzichtet, um das Seniorenstift vor dem Aus zu retten. Die katholische Stiftung Altenhilfe, Betreiber des Hauses, hatte den Verzicht der Sonderzahlungen beantragt und bewilligt bekommen. Bedingung war die Garantie, den Betrieb mindestens bis 31. Dezember 2017 fortzuführen.
Bereits Anfang Januar wurde bekannt, dass ebenfalls das Altenpflegeheim Marienhaus in Hannover, Vinzenz Verbund Hildesheim, zum 30. September 2017 geschlossen wird. Auch hier gab es eine Bürgschaft des Trägers. Über die Zusage des Fortbestandes der Einrichtung bis zum 31.12.2016 oder der Rückzahlung der gekürzten Vergütungsbestandteile. Diese Mitarbeiterinnen hatten auf beschlossene Gehaltserhöhungen in den Jahren 2014 bis 2016 verzichtet. 
Jetzt hat die Mitarbeitervertretung einen Erhöhungsantrag nach § 14 AKO gestellt, damit die Mitarbeiter ein Arbeitslosengeld auf Grundlage ihres normalen, nicht abgesenkten Gehaltes bekommen. Kündigung nach Gehaltsverzicht, Arbeitslosengeld und am Ende verminderte Rente: Kann das Verantwortung und Fürsorge unter dem Dach der katholischen Kirche sein?
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Nochmal zurück zu Berlin: am 28. April feiert die DiAG MAV Berlin ihr 25jähriges Bestehen. Den Festvortrag hält Prof. Dr. Axel Bohmeyer, Vizepräsident der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin zum Thema "Die Zukunftsfähigkeit des `Dritten Weges`- Herausforderung angesichts der Ökonomisierung des Sozialen".
Es dürfte spannend werden, wie Prof. Bohmeyer als ehemaliger Mitarbeiter des Oswald-von-Nell-Breuning-Instituts (eines Instituts, das den Namen eines entschiedenen Gegners des kirchlichen Sonderarbeitsrechts trägt!) auf dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Berlin die Zukunftsfähigkeit dieses tariflichen Sonderarbeitsrechts darstellt.
Immerhin zeigt sich im Berliner Fall, dass, wie der neue Träger behauptet, die AVR für den Servicebereich (also eher die unteren Lohngruppen) die Arbeitsverhältnisse nicht mehr "marktüblich" darzustellen vermag.
AVR nur noch für die tarifliche Mittelschicht?

Prof. Bohmeyer eilt der Ruf voraus, empfindlich zu sein, wenn Theologie für soziale Einschnitte mißbraucht wird.

Weitere Medienberichte zum Franziskus Krankenhaus:

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