Sonntag, 20. Oktober 2024

Sonntagsnotizen - zum Kirchenamt

In unserem Blog haben wir immer wieder einmal das "kirchliche Amt" oder das "Kirchenamt" und das eigene Ämterverständnis thematisiert. Beispielhaft möchten wir auf diese Beiträge verweisen:
Eine ungetaufte Erzieherin in der KiTa - geht das, oder muss sich die Pädagogin taufen lassen?
Ist die Tätigkeit eines MAV-Mitgliedes oder von MAV-Vorsitzenden die Ausübung eines Kirchenamtes?

Heute möchten wir die Reflektion eines durchaus geschätzten Generalvikars vom 8. Oktober zum Thema wiedergeben (Quelle). Er sieht das "Kirchenamt" wohl auch auf der geistlichen Ebene, dass also die Inhaber eines Kirchenamtes nur geweihte Kleriker sein können - und bestätigt damit unsere Überlegungen, die infolge des II. Vaticanum auch kirchenrechtlich normiert wurden:
"So wie die Ämter des Papstes und der Diözesanbischöfe dogmatisch und subsidiär kirchenrechtlich momentan ausgestaltet sind, sind sie nicht wirklich lebbar und stellen eine permanente Überforderung der Amtsträger dar.", sagt Thomas Schüller in diesem theologisch differenzierten und realitätsorientierten Beitrag. Die Überhöhung des kirchlichen Amtes ist nicht nur eine Überforderung für deren Träger, die dadurch oftmals sich selbst gleich mit überhöhen und die Realität völlig ausblenden. Und die Realität beschreibt Thomas Schüller sehr zutreffend, wenn er darauf aufmerksam macht, dass das kirchliche Amt heute kaum noch auf ernsthafte Akzeptanz stößt: "Kirchenrechtliche Anordnungen wie lehramtliche Weisungen laufen ins Leere, werden von den Gläubigen nicht rezipiert oder ignoriert. Normative Anordnungen, in der Regel Gesetze, die von den Normunterworfenen regelmäßig nicht beachtet werden, verlieren ihre Verbindlichkeit." Die Folgen sind fatal und im kirchlichen Alltag jederzeit zu beobachten: Amtliche Verlautbarungen und Dokumente, lehramtliche Äußerungen, kirchliche Gesetze werden zwar zuweilen noch innerkirchlich aufgeregt diskutiert, eine Wirkung im Leben der Gläubigen haben sie jedoch weitgehend nicht mehr. Letztlich verliert damit auch das kirchliche Amt an Bedeutung und Wirksamkeit. Deshalb ist es so wichtig, in den synodalen Debatten nach ernsthaften Korrekturen und Weiterentwicklungen der Ausgestaltung des Amtes und der Entscheidungsprozesse in der katholischen Kirche zu suchen.
Anlass für diese Reflektion war der folgende Artikel, der aber auch eine Trennung von Leitungs- und Weihegewalt befürwortet:
Bischöfliches Amt und Synodalität – kirchenrechtliche Aporien und theologische Fallstricke!

Bischofssynode in Rom und Synodaler Ausschuss in Deutschland ringen aktuell um das Verständnis von Synodalität. Thomas Schüller (Münster) benennt Aporien, die sich zwischen dem Wunsch nach Synodalität und dem katholischen Verständnis des Bischofsamts ergeben.
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Judith Hahn kann in ihrer Kirchenrechtssoziologie eindrucksvoll nachweisen, dass zwischen papalem und bischöflichem Anspruch, alles alleine entscheiden und anordnen zu können, und der tatsächlichen Annahme ihrer Vorgaben durch die Normunterworfenen eine Kluft besteht, die faktisch zur nahezu vollständigen Wirkungslosigkeit führt. Kirchenrechtliche Anordnungen wie lehramtliche Weisungen laufen ins Leere, werden von den Gläubigen nicht rezipiert oder ignoriert. Kirchenrechtlich gibt es für Papst und Bischöfe kaum Sanktionsinstrumente, die tatsächlich zu einer Verhaltenskorrektur führen, ausgenommen bei Klerikern und abhängig Beschäftigten. Normative Anordnungen, in der Regel Gesetze, die von den Normunterworfenen regelmäßig nicht beachtet werden, verlieren ihre Verbindlichkeit, taugen nicht, das Miteinander der Gläubigen bezogen auf das Evangelium wirkmächtig zu gestalten.
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Durch die vom Papstamt abgeleitete monarchische Nachbildung des Amtes des Diözesanbischofs ohne Gewaltenteilung auf dem I. Vatikanum bietet sich der Bischofskonferenz zurzeit nicht wirklich eine Möglichkeit, effektive bischöfliche Kollegialität zu realisieren. Sie steht bei römischen Kurialen, aber auch bei nicht wenigen Diözesanbischöfen selbst, die um ihre uneingeschränkte Amtsvollmacht fürchten, unter dem Generalverdacht, entweder nationale Sonderwege einzuschlagen (Stichwort: Gallikanismus/ Febronianismus) oder faktisch die Amtsgewalt des einzelnen Diözesanbischofs zu unterminieren.
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In der päpstlichen Praxis, aber auch in Förderplänen einzelner Bistümer, die Frauen in Leitungspositionen bringen, wird kirchenrechtlich erkennbar, dass man hier – wie vor dem II. Vatikanum und wie im alten CIC/1917 – wieder deutlich zwischen Weihe- und Leitungsgewalt unterscheidet. Bekanntlich hatte das II. Vatikanum versucht, beide Gewalten mit dem Begriff der potestas sacra zu einer Einheit zu verbinden. ... Franziskus hat kein Problem damit, Frauen mit umfassender Leitungsgewalt auszustatten. Im gleichen Atemzug allerdings sperrt er sie von der Weihegewalt aus mit dem Hinweis, die Priesterweihe würde sie klerikalisieren und widerspreche ihrem Wesen als Frau. Die Weihe ist nun aber die Grundlage für die Übertragung der höchsten Leitungsämter in der katholischen Kirche, nämlich des Papst- und Bischofsamtes. Sie bleiben Männern reserviert.
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(Quelle und mehr)

Es wird spannend zu beobachten, wie sich der Begriff des Kirchenamtes entwickelt.
Bleibt es bei dem Weg des II. Vatikanums, das kirchliche Ämter an das Weiheamt gekoppelt sind? Dann darf und kann aber ein Verstoß gegen das Ämterrecht - mit Ausnahme einer Amtsanmaßung - nicht zu kirchenrechtlichen Sanktionen gegen abhängig Beschäftigte führen.
Wird die Leitungsgewalt von der Weihe getrennt? Auch dann wäre zu beachten, dass abhängig Beschäftigte keine Leitungsgewalt ausüben. Abhängig Beschäftigte werden allenfalls weisungsgebunden tätig - entweder im Einzelfall oder in Form genereller Handlungsvorgaben. "Abhängigkeit" und "Leitungsfunktion" (= materielle Entscheidungskompetenz) schließen sich dogmatisch aus. Auch dann kann es zu keinen kirchenrechtlichen Sanktionen gegenüber abhängig Beschäftigten kommen. Abhängig Beschäftigte sind lediglich im Rahmen ihrer Tätigkeit weisungsgebunden. Und ansonsten sind sie ihrem eigenen Gewissen und auch den staatlichen Rechtsnormen unterworfen. Letztere können sogar vorrangig gegenüber kirchlichen Weisungen sein. Denn eine kirhcliche Weisung, gegen staatliche Rechtsnormen zu verstoßen, überschreitet den verfasungsrechtlichen "Schrankenvorbehalt". Bei Anweisungen, strafbanere Handlungen zu begehen, ist das offensichtlich. Bei einer Anweisung, Ordnungswidrigkeiten zu begehen, muss dieser Vorbehalt genauso gelten. Kein Bischof darf einer oder einem abhängig Beschäftigten anordnen, den Dienstwagen im "Halteverbot" abzustellen. Dann darf aber auch kein Bischof einen abhängig Beschäftigten dazu auffordern, diskriminierende Handlungen zu begehen. Es wäre auch Aufgabe einer MAV, hier auf Rechtstreue im kirchlichen Verhalten zu trennen.

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