Montag, 11. September 2023

ABD-Bayern und Vergütungsautomatik

zum üblichen Beginn des KiTA- und Schuljahres in Bayern und vor dem traditionellen Einstellungstermin zum 1. Oktober möchten wir auf eine Besonderheit der katholischen Kirche in Bayern eingehen.
Wir haben schon mehrfach darüber berichtet: Im ABD - dem Arbeitsvertragsrecht der bayerischen (Erz-)Diözesen - ist eine Vergütungsautomatik zum TVöD enthalten.
Anm.: Das ABD ist das maßgebliche Arbeitsvertragsrecht der katholischen Kirche in Bayern (§ 1 KODA-Ordnung). Die einzige - von den bayerischen Bischöfen zugelassene - Ausnahme ist die AVR Caritas (§ 1 Abs. 3 KODA-Ordnung). Regelungen wie "an die AVR angelehnt" sind demnach nicht erlaubt. Eine Einrichtung, die weder ABD noch AVR Caritas (unverändert) anwendet, ist demnach keine Einrichtung der katholischen Kirche und kann sich hinsichtlich des Arbeitsrechts nicht auf ein Kirchenprivileg berufen.
Die einschlägige Bestimmung in § 20a ABD lautet:
Bestandteil des ABD werden zum jeweiligen Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens im TVöD – Fassung VKA die Einführung oder Änderung

a) der Tabellenentgelte in der Entgelttabelle des TVöD – Fassung VKA,
b) des für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehenden Gesamtvolumens der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres (§ 18 TVöD-Fassung VKA),
c) der Werte der Bemessungsgrundlage für die Jahressonderzahlung (§ 20 Abs. 2 TVöD – Fassung VKA),
d) sonstiger Entgeltbestandteile, die in einem den TVöD-Fassung VKA ändernden oder ergänzenden Tarifvertrag geregelt werden, insbesondere Einmalzahlungen,

soweit die Bayerische Regional-KODA nichts anderes beschließt.
Diese Regelung wurde auf massiven Druck insbesondere der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Erzdiözese München und Freising (und gegen Widerstände auch der KODA-Mitglieder auf der Mitarbeiterseite) geschaffen, die bei der Einführung des ABD (1995) eine Abkehr vom öffentlichen Dienst und eine zunehmende Schlechterstellung befürchteten. Es war ein Kompromiss, der vom damaligen Münchner Finanzdirektr Prälat Fahr ausgearbeitet und zwischen dem Münchner Kardinal Dr. Wetter und dem Vorsitzenden der Ordinariats-MAV, Sczepanski, für die KODA und die Inkraftsetzung durch die bayerischen Bischöfe vorgeschlagen worden war. Alle Vergütungsänderungen im öffentlichen Dienst werden nun zum selben Zeitpunkt Bestandteil des ABD. Ein Rückblick:
BAT bis 1995: Auf Initiative der KODA-Mitarbeiterseite wurde festgelegt, dass alle Änderungen und Ergänzungen des BAT „automatisch“ zum jeweiligen Zeitpunkt Bestandteil des kirchlichen Arbeitsvertragsrechtes werden (Tarifautomatik im kirchlichen Bereich).
ABD 1995: Das ABD wird geschaffen: Die Mitarbeiter erreichten mit Unterschriftssammlungen und Protestkundgebungen im Ordinariat München, dass die Tarifautomatik im Bereich der Vergütung bestehen blieb. Alle Vergütungserhöhungen im öffentlichen Dienst wurden damit zum selben Zeitpunkt Bestandteil des ABD (Vergütungsbezogene Teil-Tarifautomatik).
TVöD 2005: Nach der Übernahme des neuen TVöD-Systems in das ABD wurde diese Vergütungsbezogene Teil-Tarifautomatik wiederum vereinbart. Diese gilt bezüglich der zukünftigen Entgelterhöhungen aller Entgeltbestandteile, soweit die Bayerische Regional-KODA nicht mit Zweidrittelmehrheit Anderes beschließt.
Damit soll der Streit um Vergütungen (und entgeltgleiche Bestandteile) im "Dritten Weg" sowie ein Lohndumping - etwa in Kindertagesstätten - vermieden werden. In einer späteren Sitzung wurde in der KODA auch Einigkeit darüber erzielt, dass der Begriff der "sonstigen Entgeltbestandteile" grundsätzlich sehr weitgehend zu Gunsten der Arbeitnehmer auszulegen ist und alle "kostenrelevanten Bestandteile" der Vergütung wie etwa die Abgaben zur Zusatzversorgung umfasst. So werden sogar Urlaubstage und die tariflichen Wochenarbeitszeiten darunter subsummiert, weil eine Änderung der (Wochen-)Arbeitszeit zwangsläufig zur Änderung der Stundenentgelte führt - diese aber "automatisch" den Abschlusswerten des TVöD entsprechen müssen.
Damit wird zugleich auch ein Vertrauenstatbestand gegenüber den Beschäftigten geschaffen, die auf die Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst vertrauen dürfen.
Das ergibt sich zwangsläufig aus den Bestimmungen des BGB, die auch für den "Dritten Weg" anzuwenden sind.
§ 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam
...
4. (Änderungsvorbehalt)
die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders (Anm.= Arbeitgeber), die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;
in Verbindung mit
§ 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln
...
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Die Automatik gilt schon aufgrund der individuellen arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf das ABD - auch wenn die KODA nichts beschließt. Ein ausdrücklicher KODA-Beschluss wäre erst nötig, wenn die Automatik ausgesetzt oder aufgehoben werden würde. 
Es erstaunt, dass dennoch immer wieder die Übernahme einer Entgelt- und Vergütungsregelung aus dem öffentlichen Dienst zur "Beschlussmaterie" erhoben wird. Im Bericht der letzten Vollversammlung der 9. Amtsperiode der KODA - der insgesamt 203. Vollversammlung vom 12./13. Juli d.H. lesen wir etwa:
II. Beschlussmaterien
Coronabedingte Anerkennungstage (Teil A, 1.)

Die Kommission stimmte einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu coronabedingten Anerkennungstagen zu. Im Jahr 2023 soll Beschäftigten in einigen besonders von der Coronapandemie betroffenen Arbeitsbereichen (an kirchlichen Schulen, an privaten und öffentlichen Schulen, in Kindertageseinrichtungen und in den Gesundheitsberufen) ein Tag Arbeitsbefreiung gewährt werden, sofern sie seit 1. März 2020 ununterbrochen beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren. Für die Beschäftigten an Schulen ist dies der 22. November (Buß- und Bettag), der für sie arbeitsfrei bleibt. Die Beschäftigten der anderen Bereiche müssen einen Tag beantragen. Beschäftigten, die nicht in den genannten Bereichen arbeiten aber trotzdem besonders belastet waren, kann der Dienstgeber in 2023 auf Antrag ebenfalls einen arbeitsfreien Tag gewähren. Die Regelung ist in § 29 Absatz 3 ABD Teil A, 1. verankert und gilt ab 1. August 2023.

Inflationsausgleichszahlung (Teil D, 19.)
Die Inflationsausgleichszahlungen, die Teil des Tarifabschlusses waren, werden in einem neuen Teil D, 19. ins ABD aufgenommen. Die Regelungen des öffentlichen Dienstes werden zeit- und inhaltsgleich übernommen. Zusätzlich hat sich die Dienstgeberseite bereiterklärt, in einem Rundschreiben die analoge Auszahlung auch für Praktikanten/innen im SPS bzw. SEJ zu empfehlen. Bezüglich der Ansprüche für Beschäftigte in Altersteilzeit folgt die Kommission der neusten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Ansprüche bestehen auch in der Freistellungsphase im Blockmodell).

Will die Arbeitgeberseite hier nach dem Motto vom "steten Tropfen" bewusst von der Automatik abweichen - oder wollen die Arbeitgeber durch eine Vielzahl von Beschlüssen so viel Rechtsunsicherheit schaffen, dass sich die Automatik rechtlich nicht mehr darstellen lässt und Raum für Veränderungen gegeben wird?

Es wäre einfacher und rechtlich sicherer, den § 20a ABD durch einen Anwendungstarifvertrag mit der Kirchengewerkschaft im DGB zu ersetzen - und dabei auch zu vereinbaren, was unter "sonstiger Entgeltbestandteil" zu verstehen ist. Damit würde für diese Bestandteile eines Anwendungstarifvertrages die "tarifvertragliche Friedenspflicht" eintreten - ohne die Möglichkeit der Vertragskündigung für beide Vertragspartner auszuschließen.

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