Mittwoch, 17. März 2021

Presseecho (7) - Die Medien lassen nicht locker ... wieder einmal: Tarifverhandlungen in der Altenpflege

siehe auch
Presseecho (1) zur Altenpflege: Beschluss der AK Caritas Bundeskommission
Presseecho (2): Caritas erledigt Drecksarbeit
Presseecho (3) zur Altenpflege: Beschluss der AK Caritas Bundeskommission - Machtmissbrauch in der / durch die Kirche?
Presseecho (4) zur Altenpflege: Caritas unter Druck
Presseecho (5) - Demonstrationen vor mehreren Caritas-Standorten vom 8./9. März
Presseecho (6): Keine Ruhe im Caritas-Karton

Die Anstalt vom 16. März 2021

Politsatire mit Max Uthoff und Claus von Wagner

Max wird aus seinem Schlaf gerissen und ist plötzlich Kanzler. Ist etwa alles nur ein Traum? Im Kanzleramt bekommt er es mit deutscher Bürokratie und Tarifverhandlungen in der Altenpflege zu tun.
Quelle: ZDF - https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-16-maerz-2021-100.html?fbclid=IwAR39SBoYndnzRvJ0IFmIFdREIV04xrLQbrbw_0QHZdRfKPx0HnLEDU4ZaXA#xtor=CS5-22
sowie
Die Kirchen-Cam
(ZDF-Ausschnitt)
(Videos verfügbar bis 16.03.2022)

Faktencheck zur Sendung:
...
Laut einer Studie der Böckler Stiftung von 2019 sind 1,3 Mio. in der Altenpflege beschäftigt, 930.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen, 370.000 in ambulanten sozialen Diensten angestellt. Die Bundesregierung .Das statistische Bundesamt zählt dagegen rund 1,1 Mio. Personen bei Pflegediensten und in Pflegeheimen Mehr als 85 % davon sind Frauen, 72 % in Teilzeit.
https://gesundheit-soziales.verdi.de/++file++5ca1d96edda4fb12ad3fd601/download/Evans_Ludwig_p_ fofoe_WP_128_2019.cleaned.pdf
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/pflegekraefte/beschaeftigte.html

“Angemessene” Löhne?
Bislang verdient man in der Altenpflege trotz Personalnotstandes weit unter dem Durchschnitt. Obwohl die Löhne in den letzen Jahren stärker angetiegen sind als in anderen Berufen. Die Durchschnittslohn in der Altenpflege liegt 15% unter dem mittleren Verdienst für alle Berufe. Vollzeitkräfte in Pflegeheimen verdienen im Durchschnitt 2821 Euro. In der ambulanten Pflege liegt das Durchschnittsverdient bei 2471 Euro. Ein Fünftel der Fachkräfte in der ambulanten Pflege verdient in Vollzeit sogar weniger als 2000 Euro brutto. Bei Helferinnen und Helfern liegen die mittleren Vollzeit-Bruttolöhne zwischen 1986 Euro in Alten-und Pflegeheimen und 1836 Euro in der ambulanten Pflege, Hier verdient das schlechtest bezahlte Fünftel maximal 1560 Euro. Hilfskräfte in der Altenpflege verdienen in Vollzeit sogar nur 61 Prozent des Durchschnittslohnes. Helfer in der ambulanten Pflege liegen mit 1560 netto nahe dem Mindestlohns.
Die Zahlen beziehen sich auf eine Studie aus dem Jahr 2019 die Daten aus dem Jahr 2017 auswertete.
Michaela Evans, Christine Ludwig: Zwischen Aufwertung, Abwertung und Polarisierung. Chancen der Tarif- und Lohnpolitik für eine arbeitspolitische High-Road-Strategie in der Altenpflege (pdf),
Forschungsförderung Working Paper, Nr. 128, März 2019.S.34ff
...
Der BPA Chef lehnt ebenso wie der zweite Arbeitgeberverband AGVP Tarifverträge grundsätzlich ab. Der AGVP hat gegen den Tarifvertrag des BVAP sogar Klage eingereicht. ....

Der BPA empfiehlt seinen Mitgliedern, in ihren Betrieben sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien anzuwenden. Diese Mindestbedingungen, die die Arbeitgeber selbst festgelegt haben, sehen bei einer Fünf-Tage-Woche neben dem gesetzlichen Mindest-Urlaubsanspruch von 20 Tagen noch acht zusätzliche Urlaubstage vor. Von einem Recht auf Weihnachts- oder Urlaubsgeld ist darin nicht die Rede.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rainer-bruederle-will-tarifloehne-in-der-altenpflege-verhindern-a-1215724.html

...
Der Pflegeflüsterer Jens Spahn.
Jens Spahn hat sich laut Recherchen der Anstalt vor der Abstimmung mit den Arbeitsvertragskommission getroffen. Laut Tagesspiegel hat er in persönlichen Gesprächen Kommissionsmitglieder zur Ablehnung errmuntert. https://www.tagesspiegel.de/plus/es-kommt-auf-die-kirchen-an-der-tarifvertrag-fuer-das-pflegepersonal-wird-zur-gretchenfrage/26948000.html

In einem Zeitungsartikel kurz vor der Abstimmung favorisierten die Dienstgeber der Caritas plötzlich statt dem Weg über den Tarifvertrag einen Neuanfang auf Basis der Pläne des Gesundheitsministers. Jens Spahn will, die Refinanzierung von Personalkosten durch die Pflegeversicherung daran koppen, dass Heime und Dienste nach Tarif bezahlen, Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht. Allerdings kann das jede beliebige Form von Tarifvertrag sein – schlimmstenfalls auch ein für Arbeitnehmer „schlechter“ Haustarifvertrag..

Die Bosse der Caritas Altenheime. Die waren dagegen. Nicht im Bild sind die Mitarbeiter. Die waren dafür. Haben aber nichts zu melden.
...

Stellungnahmen von ver.di:
Die Publikation "iWrtschaftspolitik", mit der ver.di das aktuelle Geschehen wirtschaftspolitisch analysiert, meint:
Altenpflege aufwerten
Sonntags reden sie von Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit. Von fairer Bezahlung für die, die jeden Tag fürsorglich mit Menschen arbeiten, will die Caritas aber nichts wissen. Einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für Altenpflegekräfte hat sie verhindert. Wenn es darauf ankommt, sind die „Dienstgeber“ also doch einfach nur Arbeitgeber. Scheinheilig statt heilig.

Vom Scheitern des Tarifvertrags profitieren vor allem die Arbeitgeber privater Pflegedienste und -heime. Viele von ihnen ziehen das Lohnniveau der Branche seit Jahren nach unten. Ihre Billigstrategien werden sie nun beibehalten können. Faire, für alle gleiche Wettbewerbsbedingungen brauchen sie vorerst nicht zu befürchten. Die Folge: Der Personalmangel in der Altenpflege wird weiter zunehmen. Schon heute fehlen 115.000 Beschäftigte. Die Chance, den Beruf durch gute Bezahlung noch in diesem Sommer attraktiver zu machen, ist vertan.
...

Inzwischen hat sich auch die Mitgliederzeitung "drei" der Gewerkschaft ver.di dem Thema gewidmet:
Gesundheit Soziale Dienste Wohlfahrt und Kirchen (ver.di), drei.76, Altenpflege, Tarifvertrag Altenpflege Comic, Caritas, Diakonie, BVAP, Zwischenruf© Kay Herschelmann
Foul auf der Zielgeraden
Kirchliche Wohlfahrtsverbände retten das Geschäftsmodell kommerzieller Pflegefirmen, die mit Lohndumping ihre Gewinne maximieren. Zwischenruf von Sylvia Bühler in der drei.76.

Gesundheit Soziale Dienste Wohlfahrt und Kirchen (ver.di), drei.76, Altenpflege, Caritas, TV Altenpflege, Kirchen, Ambulante Pflege, Tarif Altenpflege, Altenpflege© ver.di
Wut über die Caritas
Heftige Kritik und Proteste gegen die Blockade des flächendeckenden Tarifvertrags in der Altenpflege durch die Arbeitsrechtliche Kommission des katholischen Wohlfahrtsverbands.

Michael Quetting redet Ganz vorn© ver.di
Weitermachen
Gesundheitsbeschäftigte haben trotz mieser Bedingungen weitergearbeitet. Weil ihnen das Menschliche wichtig ist. Auch jetzt machen sie weiter – im Kampf für bessere Bedingungen.

Michael Quetting spricht damit ein masiv zunehmendes Problem an:
Unzureichende Bezahlung, Überlastung, keine psychosozialen Hilfsangebote: Immer mehr Pflegekräfte geben ihren Job auf. Experten fordern konkrete Verbesserungen.
meldet der Tagesspiegel *klick*

Die AK-MAS der Caritas twittert:
Die Caritas Dienstgeberseite könnte doch jetzt ein Zeichen setzen...
und verweist auf den SPIEGEL ticker:
Pflegerat fordert 4000 Euro Einstiegsgehalt für Pflegekräfte http://dlvr.it/RvZKRJ
Ob's was hilft? Denn
Etwa 80% der Mitarbeitenden beim @Caritas_web sind Frauen – in den Verbands- und Einrichtungsleitungen waren es aber nur bis zu 20%.
Quelle: "klick"

1 Kommentar:

  1. Erich Sczepanski17. März 2021 um 12:04

    Liebe Redaktion, nach § 84 Abs. 2 SGB XI ist eindeutig geregelt: "Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden." Damit werden AVR Regelungen immer zu refinanzieren sein. Die "AVR der Kirchen" sind den Tarifverträgen gleich gestellt. Das benachteiligt aber die im neu gegründeten Arbeitgeberverband BPA zusammen geschlossenen Arbeitgeber. Auch die lehnen - wie Caritas und Diakonie - Tarifverträge generell ab. Der BPA empfiehlt seinen Mitgliedern, in ihren Betrieben stattdessen auch sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) anzuwenden. Sollen die Kirchen nun ihre Bevorzugung im Gesetz verlieren und a) die Refinanzierung für alle Anbieter auf Grundlage von "AVR" erfolgen, oder b) will man künftig nur noch auf Tarifverträge abheben? Beide Varianten sind ein Desaster für den "Dritten Weg". Bei der ersten Variante wird die Schmutzkonkurrenz kirchliche Träger weiter unter Druck setzen, bei der zweiten Variante verlieren die Kirchen ihre Bevorzugung der AVR. Spahn hat nun die erste Alternative mit seinem Verweis auf die "ortsübliche Vergütung" aufgegriffen.

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