Dienstag, 30. August 2022

Personalwechsel im Vatikan - deutscher Friedensforscher und Sozialethiker Marco Schrage wird zum 1. September neuer Mitarbeiter im vatikanischen Staatssekretariat.

Es ist sehr selten, dass wir einen Personalwechsel im Vatikan vermelden. Heute möchten wir von dieser Regel eine Ausnahme machen, weil es einen bemerkenswerten Personalwechsel gibt: Dr. Marco Schrage, Jurist und Moraltheologie im Bereich der Friedens- und Konfliktethik, ist seit 2018 Projektleiter am Institut für Theologie und Frieden in Hamburg. In der allgemeinen Sektion des vatikanischen Staatssekretariats wird er die Aufgaben des langjährigen Leiters der deutschsprachigen Abteilung, der Kölners Monsignore Winfried König, übernehmen.
Seit 2015 ist er Research Fellow an dem von der Katholischen Militärseelsorge getragenen Forschungsinstitut ithf, wo er ein zweisprachiges Editionsprojekt des Gründers der heute noch bestehenden Zeitschrift La Civiltà Cattolica, des Jesuiten Luigi Taparelli d’Azeglio leitet. Taparelli gilt als Pionier der katholischen Soziallehre. Zu seinen Schülern gehörte der spätere Papst Leo XIII., der 1891 mit "Rerum Novarum" die "Mutter aller Sozialenzykliken" verfasste.
Quellen:
domradio
katholisch.de
radio vatikan

Lassen Sie uns an dieser Stelle die Hoffnung ausdrücken, dass in Zeiten, in denen Europa wieder einen Krieg erlebt, profunder wissenschaftlicher Sachverstand an geeigneter Stelle genutzt wird - und vielleicht kann dann ja auch noch nebenbei die Stimme der Sozialethiker im Vatikan gestärkt werden.

Donnerstag, 25. August 2022

Vatikan warnt vor falschem Verständnis von Laienämtern - Dienstgemeinschaft ade?

Als Anhänger der "Frankfurter Schule in der Offenbacher Landstraße, St. Georgen" haben wir die theologische Überhöhung der "Dienstgemeinschaft" - einem historisch schwer belasteten Begriff - mehrfach kritisiert. Dass auch der Vatikan unsere Bedenken teilt wird nun deutlich:
Der Vatikan hat vor einem falschen Verständnis von Laienämtern in der katholischen Kirche gewarnt. Die Berufung zu einem solchen Dienst dürfe nicht mit dem Amtspriestertum verwechselt werden, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Papstbotschaft an einen Liturgiekongress in Salerno. So müsse man sich davor hüten, den Begriff der "Stellvertretung" willkürlich auszulegen, zu "klerikalisieren". Dies könne zu einer parallelen Dienststruktur innerhalb der Kirche führen. Stattdessen gehe es darum, bei Laien ein klareres Bewusstsein für ihre Berufung zu fördern, die sich in einer Vielzahl von Aufgaben und Diensten zeige.
Quellen und mehr:
Domradio
katholisch.de

Was ausdrücklich für Lektoren oder Akolythen gilt, das muss für die "normalen", nicht liturgischen, Tätigkeiten erst recht gelten. Also für etwa Pflege- und Verwaltungsdienste in Einrichtungen, die der Kirche gehören oder selbst kirchlich sind.

Samstag, 20. August 2022

"Keine hohlen Phrasen, keine leeren Versprechungen mehr"

unter dieser Überschrift berichtet katholisch.de von einem Interview der beiden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln mit dem Kölner "Domradio". Das Interview selbst ist hier nachlesbar:
"Man wird auf jeder Party darauf angesprochen, wie man noch bei diesem Arbeitgeber bleiben könnte. Besonders tragisch ist es natürlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen auch fragen: Kann ich überhaupt Mitglied dieser Kirche bleiben?"

Das Interview zeigt nicht nur "deutliches grummeln" sondern ein erhebliches Unbehagen - und eine zunehmende Spaltung der Mitarbeiterschaft, die sich anlässlich einer aktuell unübersehbaren moralischen Bankrotterklärung der Amtskirche artikuliert
Damit zeigt sich, dass das nicht nur eine strukturelle Krise oder eine Medienkrise ist, sondern dass es für viele Kolleginnen und Kollegen eine tiefe Glaubenskrise wird, weil sie dieser Kirche nicht mehr glauben, der sie angehören.

Als Gewerkschafter präferieren wir den ehrlichen und offenen Umgang miteinander - Probleme werden nicht vertuscht sondern in kritischer Loyalität angesprochen und bereinigt, mit dem Ziel, sich auch im übertragenen Sinn wieder zu "vertragen". Gerade das verhindert die Grundordnung mit ihrer schon nahezu manischen Fixierung auf einen "Dritten Weg" und eine historisch schwer belastete "Dienstgemeinschaft".

Es braucht mehr, als nur personelle Konsequenzen bei einigen Personen des "Spitzenpersonals", um das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. Die gesamte hierarchisch geprägte Struktur, die sich auch in der Grundordnung wiederspiegelt, gehört auf den Prüfstand. Systemische Ursachen müssen hinterfragt und beseitigt werden. Unser Part ist dabei die Konzentration auf eine ideologische Überhöhung der theologisch nicht zu rechtfertigenden "Dritte Weg Fixierung". Es reicht dazu, bewährte Zweite Wege zu begehen (wie das die eigene Soziallehre vorsieht) anstatt sich auf ungeprüfte Holzwege zu begeben.

Montag, 15. August 2022

Diskussionen zur neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes

 Vergangenen Mittwoch fand die letzte Folge der vierteiligen Online-Diskussion zur neuen kirchlichen Grundordnung statt, die durch den Diözesancaritasverband des Erzbistums Köln organisiert wurde. 

Die neue Grundordnung wird derzeit tatsächlich breit diskutiert

Bruno Schrage, Referent für Caritaspastoral im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln, der die genannte Online-Diskussion wesentlich mitgestaltet hat, hat sich 

und 
kritisch sowohl mit dem Entwurf der neuen Grundordnung wie auch mit der bisherigen Diskussion befasst. 

Die beiden Beiträge benennen prägnant die riesigen Defizite, die man in den aktuellen Diskussionen feststellen muss, wie etwa insbesondere den Sachverhalt, dass die katholische Theologie sich nach der sehr grundsätzlichen Kritik am System durch die katholischen Sozialethiker der Frankfurter Provenienz (Nell-Breuning, Hengsbach) den Blick auf das Thema bzw. den Gegenstand mehr oder weniger vollständig kirchlichen und weltlichen Juristen sowie den kirchlichen Personalverantwortlichen und der Arbeitgeberfraktion in der Katholischen Kirche überlassen haben.

Verwunderlich ist tatsächlich, eine wie geringe Rolle in den aktuellen Diskussionen die Frage spielt, ob nicht das weltliche Arbeitsrecht der Kirche und ihrer Caritas nicht einen besseren Dienst tun würde, als es das kirchliche Sonderarbeitsrecht tut. Das ist umso unverständlicher, als die weltliche Betriebsverfassung, Gewerkschaften und Tarifverträge in unserer Gesellschaft in ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung wesentlich auch von der katholischen Sozialethik und ihren kirchlichen und weltlichen Vertretern mitgestaltet wurden. 

Aktuell scheint sich die Neufassung der Grundordnung auf die Anpassung an gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten zu beschränken, deren Mißachtung öffentlich und rechtlich ohnehin nicht mehr vermittelbar ist. Begeisterung darüber ist vermutlich nicht die adäquate Reaktion.

Weltkirchlich ist das deutsche kirchliche Sonderarbeitsrecht ohnehin ohne jegliche Grundlage. Die Begriffe "Dienstgemeinschaft" und "Dritter Weg" finden sich weder im CIC noch im Katechismus der Katholischen Kirche. 


Mittwoch, 10. August 2022

Arbeitsgericht Köln: keine kirchliche Verpflichtung zur "Verbeamtung"

Die (Erz-)Diözesen sind "Körperschaften des öffentlichen Rechts". Mit dieser öffentlich-rechtlichen Stellung sind auch verschiedene Rechte verbunden, so unter anderem die "Dienstherrnfähigkeit". Das bedeutet, dass die jeweiligen Dienstherren an der Stelle normaler Arbeitsverträge auch beamtenrechtliche Dienstverhältnisse auf der Grundlage der traditionellen Rechte und Pflichten des Berufsbeamtentums begründen können.
Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Köln hat eine leitenden Mitarbeiterin des Erzbistums Köln versucht, diese "Verbeamtung" einzuklagen - und ist damit gescheitert. Es besteht wohl keine entsprechende Verpflichtung zur Verbeamtung - oder kurz: "können" heißt nicht "müssen".
juristisch gesehen, gebe es darauf nach den kirchlichen Regelungen keinen Anspruch - zumindest keinen, der seitens der staatlichen Gerichtsbarkeit gegen die Kirche und ihr spezifisches Arbeitsrecht durchsetzbar sei

Quellen:
Domradio, katholisch.de, Kölner Stadt-Anzeiger


Anmerkung:
Dieser Fall ist nicht mit dem Fall der gekündigten Justiziarin zu verwechseln (wir berichteten).
Dort machte das Kölner Erzbistum von der Anwendung der arbeitsvertraglich vereinbarten beamtenrechtlichen Regelungen, die u.a. die "Versetzung in den Ruhestand" von Arbeitnehmer*innen der Diözese ermöglichen, Gebrauch - (Zitat) "offenkundig um sicher zu gehen sich von dieser Klägerin trennen zu können".
Dieser Streit zwischen Justiziarin und Bistum Köln geht weiter (Zitat): "Das Landesarbeitsgericht in Köln teilte am Donnerstag mit, dass in dem Verfahren von beiden Parteien Berufung eingelegt worden sei."

Dienstag, 9. August 2022

Dienstgemeinschaft und Loyalität – Veränderungen vor dem Hintergrund kirchlicher Wirklichkeit: Morgen Online-Vortrag

Die Novellierung der Grundordnung ist trotz Sommerpause und Hitzewelle in der Diskussion. Nun wird aktuell ein Online-Vortrag mit der Möglichkeit zur Diskussion angeboten.
Mittwoch, 10. August 2022, 16:30 Uhr
Vielleicht kommt ja doch noch was vernünftiges raus. Wir wollen die Diskussion nicht behindern und geben die entsprechende Information daher weiter:
Kirche ist derzeit in einem großen Transformationsprozess, der sich auf die persönlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der kirchlichen Arbeitgeber auswirken wird. Eine neue Grundordnung für den kirchlichen Dienst soll dies leisten. Wie verstehen wir künftig den gemeinsamen kirchlichen Sendungsauftrag, wenn sich darunter die mannigfaltigen Träger von Caritas, Bildung und Pastoral versammeln? Was bedeutet das für die einzelnen Mitarbeiter:innen? Welche Loyalität kann von ihnen erwartet werden. Und wie verändert sich diese Erwartung, wenn sich das Selbstverständnis von Kirche und Moral ändern? Impulse und Positionen werden vorgestellt mit herzlicher Einladung zur Diskussion!

Prof. Dr. Richard Hartmann
Lehrstuhl für Pastoraltheologie und Homiletik
Theologische Fakultät Fulda

Moderation Melanie Wielens

Einfach einwählen über: https://kirchliche-grundordnung.de
Es handelt sich um eine Kooperationsveranstaltungsreihe
vom Arbeitskreis „Christliche Unternehmenskultur“ der Verbandskonferenz des Diözesan-Caritasverbands im Erzbistum Köln
Facharbeitskreis „Christliche Grundlagen und Profil“ der Caritas NRW
Kommission für Caritasprofil, Deutscher Caritasverband Freiburg i. B.

Montag, 8. August 2022

Pflegemindestlohn steigt erneut - und ein Blick über den Tellerrand, hier: Einstiegsgehälter bei der Diakonie Bayern für Pflegehilfskräfte

"Damit liegen trotz der Erhöhung zum 01.01.2023 die Einstiegsgehälter bei der Diakonie Bayern für #Pflegehilfskräfte im Laufe des Jahres 2023 wieder unter dem #Pflegemindestlohn. Dabei wollte die Arbeitsrechtlich Kommission doch die Gehälter bis zum 30.06.2024 nicht mehr erhöhen..." hat mein Freund und Nachfolger im GR Andreas S. jetzt die folgende Meldung kommentiert:
"ver.di arbeitet in der Pflegemindestlohnkommission mit, um für die Beschäftigten so viel wie möglich raus zu holen. Die jetzt empfohlenen Steigerungen sind auch nicht gering, aber über einen Mindestlohn sind die Personalprobleme in der Altenpflege nicht zu lösen“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Weder mache dieses Lohnniveau den Pflegeberuf attraktiv, noch werde dadurch das Abwandern von Pflegefachpersonen ins Krankenhaus gestoppt. „Der Mindestlohn sorgt ausschließlich dafür, eine jahrelang praktizierte Ausbeutung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor allem bei kommerziellen Pflegekonzernen zu verhindern.“

Im Einzelnen sieht die Empfehlung der Pflegekommission folgende Regelungen vor: Für Pflegefachkräfte erhöht sich der Pflegemindestlohn von derzeit 15,00 Euro auf 17,10 Euro ab 1. September 2022, ab 1. Mai 2023 steigt er auf 17,65 Euro und ab 1. Dezember 2023 auf 18,25 Euro; das bedeutet bei einer 40-Stunden-Woche ein Grundentgelt von 3.174 Euro monatlich. Für Pflegekräfte mit ein- bzw. zweijähriger Ausbildung steigt der Mindestlohn von derzeit 12,50 Euro auf 14,60 Euro ab 1. September 2022 sowie auf 14,90 Euro ab 1. Mai 2023 und auf 15,25 Euro ab 1. Dezember 2023; damit kommen dann Beschäftigte bei einer 40-Stunden-Woche auf ein Monatsgrundentgelt von 2.652 Euro. Für Pflegekräfte ohne Ausbildung wird der Mindestlohn von derzeit 12,00 Euro auf 13,70 Euro ab 1. September 2022 angehoben, ab 1. Mai 2023 auf 13,90 Euro und ab 1. Dezember 2023 auf 14,15 Euro; das entspricht bei einer 40-Stunden-Woche einem Monatsgrundentgelt von rund 2.461 Euro. Zudem erhöht sich der Urlaubsanspruch für Pflegekräfte von derzeit 26 Tagen pro Jahr auf 27 Tage im Jahr 2022 und 29 Tage ab 2023 bei einer Fünftagewoche.
Quelle: verdi (Internet)
Weiterlesen in der Pressemitteilung

Ich meine:
Liebe Dienstgeber der Diakonie,
Ihr müsst Euch nicht grämen. Die bekannte Solidarität der "caritativ tätigen Unternehmen" zu den anderen Arbeitgebern wird schon dafür sorgen, dass die Begehrlichkeiten der Arbeitnehmer schön beschränkt bleiben. Die Reaktionen der Caritas-Arbeitgeber auf den Tarifvertrag "Mindestbedingungen Altenpflege" oder den Tarifabschluss "Entlastung für die Unikliniken in NRW" zeigt deutlich, dass man Euch nicht im Regen stehen lassen wird.
Es ist ja auch schon fast bösartig: da dürfen diese Hilfskräfte im Dienst Gottes mitarbeiten, und anstatt sich mit "Gottes Lohn" zufrieden zu geben wollen die dann auch noch ein auskömmliches Einkommen - nnd umgehen mit Mindestlöhnen das (sogenannte) Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften.

Erich scz

ergänzend:
Vom Jobkiller zur Produktivitätspeitsche? - Blogbeitrag von Prof. Stefan Sell im Blog "Aktuelle Sozialpolitik"

Freitag, 5. August 2022

Wie zeigt sich die "Kirchlichkeit" einer Einrichtung?

Prälat Prof. Markus Graulich, Salesianer Don Boscos, Dr. iur. can. habil, Untersekretär des Dikasteriums für die Gesetzestexte, hat in einem Gastkommentar in der "Herder Korrespondenz" die Kirchlichkeit einer katholischen Einrichtung wohl an der Einhaltung von Loyalitätspflichten fest gemacht (wir berichteten).
Michael Böhnke, Professor für systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal, nimmt nun in einem Beitrag bei "katholisch.de" unter der Überschrift
Gegen Doppelmoral im Arbeitsrecht – für Vertrauen in die Treue Gottes
dazu Stellung (klick). Böhnke schreibt:
Ob eine Einrichtung katholisch ist, hängt weniger vom Privatleben der Angestellten als vielmehr vom dort herrschenden Geist ab ... Ein Zwang zur Doppelmoral verbaue dem Geist Gottes den Weg.

...
Man reduziert Kirchlichkeit auf Sexualmoral. Man schreibt ein untaugliches und seltsam anmutendes Verhältnis von Moral und Recht fort und verbaut durch den damit implizierten Zwang zur Doppelmoral dem Geist Gottes den Weg. Statt Vertrauen herrscht Angst. Statt Freimut, Repression. Statt Hoffnung und Lebensfreude, Resignation und Frust.

Kirchlichkeit kann nicht durch rechtsartigen Gehorsam der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzeugt werden.
Kirchlichkeit - das möchten wir ergänzen - zeigt sich vor allem auch am Umgang mit den Betreuten und Patienten. Ein wertschätzender Umgang, der auf die persönlichen Bedürfnisse eingeht, setzt auch ausreichendes Personal voraus. Personal, das nicht abgehetzt, ausgelaugt und überfordert ist, sondern sich wirklich Zeit nehmen kann für die nötige Zuwendung, für das persönliche Bedürfnis der Menschen in der Einrichtung und deren Angehörigen. Das Kind, das Angst vor der Operation oder der Spritze hat, braucht eine Hand zum "festhalten" und trösten. Und diesem Kind ist es - mit Verlaub - sch...egal, ob der Mensch, zu dem die Hand gehört, geschieden und wiederverheiratet oder homosexuell ist. Wichtig ist vor allem, dass Beruhigung, Vertrauen und Zuversicht vermittelt wird.

Das Thema "Glaubwürdigkeit", das hier aufflackert, haben wir ja auch schon mehrfach thematisiert. Wie glaubwürdig ist die katholische Soziallehre, wie glaubwürdig sind die päpstlichen Sozialenzykliken, wenn man sich die Praxis und Verbote der Grundordnung etwa zum Thema "gewerkschaftlich organisierte Mitbestimmung" vergegenwärtigt? Etwas als ideal darzustellen und zugleich wortreich zu erklären, dass das, was man von anderen fordert, für die eigenen Einrichtungen nicht gelten soll - ist auch ein klarer Fall von "Doppelmoral".

Mittwoch, 3. August 2022

Caritas Arbeitgeber gegen Tarifabschluss der NRW-Universitäts­kliniken

nach längeren Arbeitskämpfen hat ver.di für die NRW-Universitätskliniken einen "Tarifvertrag Entlastung" erreicht (wir berichteten).
An den Unikliniken in NRW gelten für Pflege- und Funktionsbereiche künftig konkrete Personalvorgaben. Werden diese unterschritten, erhalten die betroffenen Beschäftigten zusätzliche freie Tage als Belastungsausgleich. Für Service-, IT- und Technikbereiche sowie Ambulanzen ist die Schaffung von jeweils 30 zusätzlichen Vollzeitstellen pro Uniklinik vereinbart. Hinzu kommen Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität.
Damit sollen Überlastungen des Personals (die ja auch gesundheitsschädlich sind) vermieden, und ein Mindeststandart an Pflegequalität für die Patienten gewährleistet werden. Zugleich werden Fachkräfte aufgrund der verbesserten Arbeitsbedingungen im Beruf und in den Einrichtungen gehalten.

Die Caritas Arbeitgeber offenbaren wieder einmal, welche Brille sie tragen. Die Arbeitgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas stellt sich deutlich gegen diesen Abschluss ("Klick").
Der Tarifvertrag Entlastung der NRW-Universitätskliniken ist ... wenig hilfreich. Die im TV Entlastung vorgesehenen zusätzlichen freien Tage werden zu einem erhöhten Personalbedarf führen ...
Entschuldigung - die im Tarifvertrag vorgesehenen freien Tage sind ein Ausgleich für fehlendes Personal *). Die Aussage der Caritas-Arbeitgeber heißt nichts anderes als dass dort ein solcher Ausgleich verweigert wird, die katholischen Krankenhäuser weiter mit einer unzureichenden Personalausstattung arbeiten - und sich die MitarbeiterInnen dort aufarbeiten - sollen.

Man darf gespannt sein, wie sich der Tarifabschluss auf die zwei größten Kliniken des katholischen Kinlikums Bochum, das St. Josef- und das St. Elisabeth-Hospital auswirken, die ja einen wichtigen Teil des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum bilden.


*)
Konkret wird in dem Vertrag für weite Teile der Pflege schichtgenau das Zahlenverhältnis von Beschäftigten und Patienten festgelegt.

Wird diese Quote unterschritten, erhalten die Betroffenen Belastungspunkte, die zu Ausgleichstagen führen. Bundesweit erstmals wurden auch für viele Beschäftigtengruppen außerhalb der Pflege Mindestbesetzungen und Belastungsausgleiche vereinbart.
berichtet die Ärzte-Zeitung, um einmal nicht auf ver.di zurück zu greifen. D.h., mit dem vereinbarten - und gemeinsam als ausreichend erachtetem - Personal kommt es nicht zum Belastungsausgleich durch zusätzliche freie Tage. Der Belastungsausgleich erfolgt nur, wenn durch das nicht ausreichende Personal eine entsprechende Belastung erfolgt. Das ist im Grundsatz ähnlich wie bei den bisherigen Überstundenregelungen. Der Ausgleich dient den MitarbeiterInnen und den Patienten gleichermaßen, er soll vor gesundheitsgefährdender Überlasung schützen.

Montag, 1. August 2022

Kirchliche Gerichtsbarkeit - weitere Kritikpunkte nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

wir haben u.a. hier ja schon die Problematik der kirchlichen Gerichtsbarkeit erörtert. Die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss 1 BvR 2103/16 - vom 03.06.2022) zum Justizgewährleistungsanspruch im "Fall Pechstein" gibt unseren Bedenken zumindest hinsichtlich der kirchlichen "Datenschutzgerichte" weitere Ergänzungen.
In der Begründung zur Entscheidung (Rd.Nr. 44) heißt es zwar, weder der allgemeine Justizgewährungsanspruch noch Art. 92 GG enthielten ein Verbot privater Schiedsgerichtsbarkeit. Vielmehr sei diese in der Vertragsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verankert. Aber das ist schon der erste Kritikpunkt. Weder die kirchliche Arbeits- noch die Datenschutzgerichte sind ausdrücklich in Ausübung der Vertragsfreiheit freiwillig vereinbart. Ein "Abbedingen" ist nicht möglich. Die Selbstbestimmung hat sich in eine Fremdbestimmung durch die kirchliche Seite verkehrt.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen sei zudem ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und gehe in seiner Bedeutung damit über einzelne Verfahrensregelungen weit hinaus. Und gerade an diesem rechtsstaatlich zwingend zu beachtenden Öffentlichkeitsgrundsatz dürfte die Akzeptanz der Entscheidungen der vorgeblichen "kirchlichen DAtenschutzgerichte" scheitern - sogar scheitern müssen.
(vgl. Pressemitteilung Nr. 61/2022 vom 12. Juli 2022).