siehe auch:
Presseecho (1) zur Altenpflege: Beschluss der AK Caritas Bundeskommission
Presseecho (2): Caritas erledigt Drecksarbeit
Bis jetzt findet der Beschluss der AK Caritas (Bundeskommission) immer weiter Kritik in den nichtkirchlichen Medien.
Der Deutschlandfunk wärmt eine etwa zwei Jahre alte Beitragsreihe wieder auf:
Denkfabrik: Gott im Grundgesetz, Teil 1und berichtet nun unter dem gleichen Titel:
Wie Gott in die Präambel kam
Als der Zweite Weltkrieg endet, tut sich ein Machtvakuum in Deutschland auf. Die katholische Kirche nutzt dies geschickt und drückt der Verfassung ihren Stempel auf. So entstehen Privilegien, die in einer pluralen Gesellschaft immer problematischer werden.Deutschlandfunk - ZEITFRAGEN | Beitrag vom 03.03.2021
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Sonderrechte für Caritas und Diakonie
„Man kann danach fragen, ob es den Kirchen eigentlich gut zu Gesicht steht, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ganz grundlegende Freiheitsrechte zu verweigern: nämlich sich zu fusionieren, sich zu versammeln, für die eigenen Rechte einzutreten – oder ob das nicht dem christlichen Impuls, der die Kirchen auch bewegen sollte, widerspricht“, gibt Thomas Großbölting zu Bedenken.
Aktuell ist die Problematik dieser Sonderrechte wieder sichtbar geworden, als sich Caritas weigerte, den Verdi-Tarifvertrag mit Lohnerhöhungen für Pflegekräfte zu übernehmen. Der Grund: Sie wollen nicht Teil des weltlichen Tarifvertragssystems sein. Die Folge: eine flächendeckende Verbesserung der Einkommen von Pflegekräften wurde damit unmöglich gemacht.
„Die Kirche hat sich immer noch diesen Restraum – wir sind zuständig für die Moral und das Gute – immer noch gesichert trotz der Missbrauchsfälle“, sagt Kirchenkritiker Carsten Frerk.
Trotz ihres Bedeutungsschwunds in einer zunehmenden säkularen Welt bleiben die christlichen Kirchen wichtige Impulsgeber für die ethisch-moralischen Debatten, die wiederum Eingang finden in unsere Gesetzgebung: in Fragen von Zeugung, Sexualität, Familie, Schule und Gentechnik, Sterbehilfe, Sozialstaatlichkeit. Doch der Umgang mit den Missbrauchsskandalen nagt an der kirchlichen Autorität.
Und die Frage nach der Legitimität kirchlicher Sonderrechte ist nach wie vor unbeantwortet. Seit 1949..
(siehe auch Deutschlandfunk: Sind die Kirchen ein Staat im Staate? und unseren Beitrag zur "Dienstgemeinschaft" und ihrer Geschichte)
Zurück zum konkreten Anlass für die neuerliche Berichterstattung:
Grund für die weiteren Berichte sind zum Teil erst jetzt herausgegebene neue Auflagen von Periodika, zum Teil aber auch diverse Presseerklärungen.
So fragt die KONTEXT WOCHENZEITUNG:
Pflegetarifvertrag gescheitert Danke, Caritas!
Von Gesa von Leesen|Datum: 03.03.2021
Was bekommt die katholische Kirche, genauer die Caritas, wohl als Belohnung von den privaten Betreibern in der Altenpflege? Mit ihrem Nein zum Pflegetarifvertrag hat sie verhindert, dass er allgemeinverbindlich wird.
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Die privaten Altenheimbetreiber, die mittlerweile etwa 40 Prozent der Betten haben, können sich also bedanken bei der Caritas. Die hat sie davor bewahrt, examinierten Pflegekräften mindestens 18,75 Euro pro Stunde zahlen zu müssen.
Die Caritas selbst hätte der Tarifvertrag eher wenig tangiert. In ihren Einrichtungen wird mehr bezahlt als der Tarifvertrag vorsehen würde. Was also treibt diesen Sozialverband der katholischen Kirche, der laut eigener Webseite seine "Wurzeln in der Liebe Jesu zu den Menschen" sieht? Man habe den Tarifvertrag abgelehnt aus Sorge um den Dritten Weg, teilt die Caritas mit. Also jenen Weg, der ihr gestattet, keine Betriebsräte zu haben und kein Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden. ...
Der Dritte Weg gilt auch in der evangelischen Kirche und damit auch in der Diakonie, also dem evangelischen Wohlfahrtsverband. Die Diakonie äußert sich nach dem Caritas-Nein nun gar nicht mehr zum Tarifvertrag, drückt sich also vor einer Entscheidung.
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Dazu hat am Mittwoch der DGB HESSEN-THÜRINGEN / REGION FRANKFURT-RHEIN-MAIN eine Presseerklärung abgegeben:
PM 235 - 03.03.2021
DGB Frankfurt am Main kritisiert Beschluss auf Caritas-Bundesebene: Arbeit von Frauen gerade während Corona mehr wertschätzen
Die Vorsitzende der DGB-Frauen Frankfurt am Main, Britta Brandau, kritisiert die jüngste Ablehnung eines bundesweit verbindlichen Tarifvertrags im Pflegebereich durch den kirchlichen Träger Caritas aufs Schärfste. Dieser bundesweit geltende Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen würde das Lohnniveau nach unten absichern. Verlierer:innen seien die rund 1,2 Millionen Beschäftigten in der Altenpflege.
„Es ist mir völlig unverständlich, dass die Caritas sich einerseits für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen einsetzt, nun aber, wenn es ernst wird, deren Arbeitsrechtliche Kommission dies verhindert“, so Britta Brandau.
Frauen machten den Großteil der Beschäftigten in den sogenannten „systemrelevanten“ Berufen aus: Die Kassiererin, die Reinigungskraft, die Altenpflegerin, die Erzieherin und die Krankenschwester. Sie seien es, die Leben retten und anderen in der Pandemie weitgehend Normalität ermöglichen.
„Jetzt müssen sie feststellen: Nach dem Klatschen kommt die Klatsche.“ stellt Britta Brandau fest. „Die Ablehnung eines solchen Tarifvertrages macht die Caritas nicht nur selbst unglaubwürdig, sie führt auch dazu, dass die Allgemeinverbindlichkeit verhindert wird. Faktisch profitieren von dieser Entscheidung diejenigen privaten Arbeitgeber, die das Personalproblem in der Altenpflege durch schlechte Löhne und miese Arbeitsbedingungen verursacht haben. Ausgerechnet mit dieser Handlungsweise macht sich der kirchliche Wohlfahrtsverband gemein“, so Brandau, und ergänzt: „Gleiches gilt für die Diakonie, die sich durch ihr Schweigen den Caritas-Beschluss zu eigen gemacht hat.“
Mit Blick auf den Internationalen Frauentag am 8. März will Brandau verdeutlichen, was aus gewerkschaftlicher Perspektive notwendig sei, um soziale und personenbezogene Dienstleistungen gesellschaftlich aufzuwerten: „Neben einer Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen müssen Arbeitsentgelte stets existenzsichernd sein, das Personal muss so bemessen sein, dass der Gesundheitsschutz der Beschäftigten sichergestellt ist und die Qualität der Arbeit nicht leidet. Insgesamt muss hier deutlich mehr investiert werden“, so Brandau abschließend.
Nun wird das Kernthema Tarifvertrag für die Altenpflege primär in den Fachmedien diskutiert.
Das Ärzteblatt berichtete am Montag:
Diakonie stimmte nicht über Pflegetarifvertrag ab
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Unterdessen hält die Kritik am Nein der Caritas zu einem bundesweiten Tarifvertrag in der Altenpflege an. Neben der Pflegebeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, bedauerte auch der Landes-Caritasverband Bremen die Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas auf Bundesebene.
„Wir hätten es richtig gefunden, die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal konkret sichtbar und dauerhaft zu verbessern“, erklärte der Bremer Caritasdirektor Martin Böckmann zur Ablehnung des Tarifvertrags durch die Arbeitgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) der Caritas auf Bundesebene. Er selbst arbeite als Vorstand der Tarifgemeinschaft Pflege in Bremen seit Jahren daran mit, dass die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags Pflege im Land Bremen anerkannt werde.
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Am gleichen Tag greift Bibliomed Pflege - Das Portal für die Pflege - die Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie auf, und berichtet
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, und ihr Bundestagskollege, Bernd Rützel, reagierten am Freitag mit Bedauern auf das vorläufige Scheitern eines Altenpflege-Tarifvertrags."Wir sind fassungslos: Ausgerechnet die kirchlichen Arbeitgeber haben mit ihrer Entscheidung einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag mit besseren Arbeitsbedingungen und Tariflöhnen in der Pflege verhindert."Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) werde auf die neue Situation reagieren und die Pflege-Mindestlohn-Kommission einberufen. Auf diesem Wege könnten höhere Lohnuntergrenzen vereinbart werden. Das Pflegelöhneverbesserungsgesetz sehe dies explizit als Alternative vor.
Auch die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, Nadya Klarmann, äußerte sich enttäuscht:"Das Scheitern des Tarifvertrags in der Altenpflege ist ein herber Rückschlag für viele Pflegekräfte, die mehr verdienen als geringe Löhne. Es muss Schluss sein mit den Dumpinglöhnen in der Altenpflege."Der ausgehandelte Mindestlohn von rd. 16 Euro pro Stunde für examinierte Altenpflegepersonen markiere zwar eine Untergrenze, sei aber nicht angemessen für die mental und körperlich herausfordernde Arbeit von Pflegefachpersonen.
Klarmann forderte deshalb ein Einstiegsgehalt von mind. 24 Euro pro Stunde für Pflegefachpersonen bei voller Refinanzierung durch die Pflegeversicherung.
Am Mittwoch berichtete der mdr Sachsen-Anhalt:
Die Tarifverhandlungen in der Pflegebranche sind an der Caritas gescheitert. ...
Verdi strebt nun einen Landestarif an und will künftig auch Streiks in den Pflegeeinrichtungen nicht ausschließen. ...
Noch am Donnerstag berichteten dann einzelne Pflegedienste wie bg pflege unter der Überschrift: "Noch eine Klatsche für die Pflege"
Die Pflege muss aushalten, die Pflege hält aus. Die Pflege soll bei Corona standhalten, die Pflege hält stand. Im letzten Jahr wurde die Unverzichtbarkeit der Pflege deutlicher denn je. Trotz massiver Kritik an dem unterbezahlten Pflegesystem und der ständigen Überbelastung war die Pflege für alle da. Viele erhoffen sich, dass sich im Laufe der Coronazeit die Pflege nun endlich eine Anerkennung erhält in Form von mehr Geld und besseren Arbeitsbedingungen. Diesmal steht Verdi mit den Arbeitgeber gemeinsam da und die Caritas lehnt den Tarifvertrag ab. Damit zerstört Caritas und auch die Diakonie den Traum einer einheitlichen Pflegesituation. Die Pflege soll auch dies wieder tragen. Eine bittere Bilanz nach dem zurückliegenden Jahr. Nach dem Klatschen kommt nun die Klatsche für die Pflege.
Nachhaltig wird sich diese Entscheidung der kirchlichen Träger zum Nachteil wenden. ....
In den täglich publizierten kirchlichen Medien scheint dagegen das skandalösen Verhalten der Caritas-Arbeitgeber erst jetzt stärker auf. So nimmt das Domradio eine Meldung der KNA auf und berichtet:
https://www.domradio.de/themen/soziales/2021-03-03/vertane-chance-kirchlicher-dienst-kritisiert-caritas-nein-zu-pflege-tarif
03.03.2021
Kirchlicher Dienst kritisiert Caritas-Nein zu Pflege-Tarif "Vertane Chance"
Kritik am Nein der Caritas zu einem flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege kommt vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der evangelischen Nordkirche. Damit sei die Chance vertan, den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Ein flächendeckenden Tarifvertrag wäre ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege gewesen, sagte die Leiterin des Kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt (KDA), Gudrun Nolte, am Mittwoch in Hamburg. "Zudem hätte er zu einer Aufwertung des Pflegeberufes beitragen können, auch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken." Dies werde nun durch die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas verhindert.
Die zuständige Bundeskommission der Caritas hatte vergangene Woche dagegen gestimmt, einen von dem relativ kleinen Pflege-Arbeitgeberverband BVAP und der Gewerkschaft Verdi ausgehandelten Tarifvertrag auf die ganze Branche auszuweiten. Allerdings bedauerte die Mitarbeiterseite die Entscheidung. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte diesen Vertrag auf die ganze Branche ausdehnen, benötigte dazu jedoch die Zustimmung von Caritas und Diakonie. Nach dem Nein der Caritas stimmte die Diakonie am Freitag nicht mehr darüber ab.
Mehr Solidarität mit Pflegekräften
Auch dieses Verhalten der Diakonie kritisierte Nolte als "vertane Chance". Auch im Nicht-Kommunizieren eines so wichtigen und großen Trägers von Pflegeeinrichtungen sei eine Botschaft enthalten. Sie habe sich eine größere Solidarität gewünscht. "Als kirchlicher Fachdienst bedauern wir diese Entwicklungen sehr und stellen uns an die Seite der Altenpflegekräfte sowie der Gewerkschaften und Verbände, die sich für den Tarifvertrag stark gemacht haben."
Kritik von Bundesarbeitsminister
Am Montag hatte bereits Heil Kritik geäußert: Durch die Verhinderung sei "eine historische Chance" verpasst worden. Er sehe es als "eine Frage der Vernunft, dass wir bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen haben". Zuvor hatten sich beide kirchlichen Wohlfahrtsverbände für eine bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitsbedingungen in der Pflege stark gemacht. Auch die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) kritisierte das Vorgehen. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag hätte für die gesamte Pflegebranche Mindestbedingungen etwa für Gehälter und Urlaubsansprüche gebracht, so die KAB.
Der KDA der Nordkirche versteht sich als Fachdienst für die Bereiche Wirtschaft und Arbeitswelt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und als Vermittler zwischen Kirche und Arbeitswelt.
(KNA)
Das Domradio greift dann heute auch die aktuelle Diskussion auf:
04.03.2021
Kritik am gescheiterten Branchentarif in der Pflege
Ist der "Dritte Weg" der Kirchen in Gefahr?
Die Kirchen haben ein eigenes System zur Aushandlung von Arbeitsvertragsbedingungen – aber nachdem die arbeitsrechtliche Kommission der Caritas einem Branchentarif in der Pflege nicht zugestimmt hat, wächst der Ärger über den sogenannten "Dritten Weg".
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... Kritik kommt aus Teilen der evangelischen wie der katholischen Kirche, der Sozialverband VdK Deutschland warnt vor den Folgen für die Pflegebedürftigen. Auch der zuständige Arbeitsminister Hubertus Heil zeigt sich verärgert. Besonders die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Tack, kritisiert die Caritas deutlich und fordert als Konsequenz, die Autonomie der Kirchen bei der Lohnfindung auf den Prüfstand zu stellen.
Diese besondere Stellung hat die Kirche durch den sogenannte "Dritten Weg": Die Arbeitsbedingungen werden nicht durch Tarifverträge, sondern durch paritätisch besetzte arbeitsrechtliche Kommissionen festgelegt. Denn nach Ansicht der Bischofskonferenz sind weltliche Instrumentarien zur Regelung der Arbeitsvertragsbedingungen (Tarifvertrag, Streik und Aussperrung) mit dem Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft unvereinbar.
Kirche ist ohnehin schon unter Druck
Diese Sonderstellung wird jetzt mehr denn je in Frage gestellt – das befürchtet auf DOMRADIO.DE-Anfrage der Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Andreas Luttmer-Bensmann: "Die Sonderwege in der katholischen und der evangelischen Kirche werden sowieso mit großer Kritik gesehen. Und wenn dann tarifliche Auseinandersetzungen nicht funktionieren, ist das mit ein Grund, die Sonderwege infrage zu stellen."
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Unterstützung für die Position der Caritas
Unterstützung für die Caritas kommt vom Bund Katholischer Unternehmer (BKU). ...
Katholisch.de bringt ebenfalls heute, am 4. März ein Interview mit Thomas Rühl, dem Sprecher der Caritas-Mitarbeiterseite:
Caritas-Mitarbeitervertreter zum Flächentarif: "Die Chance ist vertan"
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind oft prekär – und ausgerechnet die Caritas hat verhindert, dass es zu einem Flächentarif gekommen ist. Für den Sprecher der Caritas-Mitarbeiterseite eine Enttäuschung: Im Interview erklärt er, warum er sich einen Flächentarif gewünscht hätte.
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"Das würde massiv der Caritas mit ihren höheren Tarifen schaden", erklärte die Dienstgeberseite nach der Entscheidung. Die Dienstnehmerseite bedauert das. Deren Sprecher Thomas Rühl erklärt im katholisch.de-Interview, warum ein Flächentarif kein Problem für die Caritas wäre – und wie es jetzt weitergeht.
Frage: Herr Rühl, die Kirche hat ein eigenes System zur Tariffindung – wie konnte es dann dazu kommen, dass die Entscheidung der Caritas den Ausschlag für einen Flächentarif gibt?
Rühl: Die Kirchen waren über das Katholische Büro in Berlin stark in die Entstehung der Regelung im Arbeitnehmerentsendegesetz, dem § 7a, eingebunden, über die jetzt der Flächentarif eingeführt werden sollte. Natürlich hat die Kirche mit dem Dritten Weg einen Sonderweg in Deutschland, aber von der katholischen Soziallehre her befürwortet sie Tarifverträge. Tarifverträge sind auch gerade in diesem Bereich der Pflege sozial sinnvoll. Damit die Kirchen mit ihrem Arbeitsrecht von dem Tarifvertrag aber nicht überlagert werden, hat man diese besondere Regelung des § 7a geschaffen, der vorsieht, dass ein ausgehandelter Tarifvertrag der Zustimmung der Kirchen bedarf, wenn er für allgemeinverbindlich erklärt werden soll.
Frage: Ein Flächentarif nach diesem System wäre also eine Bestätigung des Dritten Wegs und keine Gefahr?
Rühl: Richtig. Es gibt im Arbeitnehmerentsendegesetz noch eine weitere Regelung, den § 5, mit dem ein Tarifvertrag nur für die Bereiche abgeschlossen werden kann, in denen Tarifverträge möglich sind – der würde dann nicht für die Kirche gelten. Nur in diesem Fall wäre das passiert, was die Arbeitgeber jetzt als Argument anführen.
Frage: Die Befürchtung der Dienstgeberseite ist, dass von Kostenträgern den Einrichtungen nur noch das erstattet wird, was dem Flächentarif entspricht, und die höheren Caritas-Tarife nicht mehr finanziert sind. Das wäre aber ausgeschossen?
Rühl: Richtig. Der § 7a lässt nicht viele andere Regelungsmöglichkeiten zu, als sie auch die Pflegekommission mit dem Pflegemindestlohn beschließen kann. Das Gesetz schließt viele Regelungsbereiche aus, zum Beispiel ist es nicht möglich, eine betriebliche Altersvorsorge allgemeinverbindlich zu machen.
Frage: Es besteht also zu keiner Zeit die Gefahr, dass Caritas-Mitarbeitende schlechter gestellt würden bei einem Flächentarif?
Rühl: Nein. Wenn die Gefahr bestanden hätte, hätten wir auf Mitarbeiterseite das nicht mitgemacht.
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Frage: Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) hat genau diese Position vertreten: Der Tarif ist nicht das drängende Problem, die Arbeitsbedingungen sind es, und daher braucht es auch den Flächentarif nicht.
Rühl: Der BKU ist nun von der Altenpflege weit weg. Ich wüsste nicht, wie er das beurteilen könnte. ....
Auch Caritas-Präsident Peter Neher hat sich (wie bereits berichtet) zum Beschluss der Bundeskommission geäussert:
... Als katholische Institution begegnet uns immer wieder der Vorwurf der Doppelmoral. Wer Nächstenliebe als Maxime hat, steht berechtigterweise unter besonderer Beobachtung und muss das eigene Handeln danach orientieren. Das ist fair. Nicht fair ist, alles mit allem zu vermischen. Die Entscheidung zum Tarifvertrag hat nichts, aber rein gar nichts, mit Missbrauchsfällen und Verfehlungen von Klerikern zu tun. Gerade als Priester darf ich das sagen: Lassen Sie bitte die Kirche im Dorf.“
Damit fehlt eigentlich nur noch eine Äusserung der katholischen Bischöfe zur aktiven Unterstützung von Schmutzkonkurrenz durch die Caritas-Arbeitgeber. Die Bischöfe haben die Beschlussfassung jedenfalls nicht erkennbar kommentiert. Und die Aussage von Erzbischof Marx "DAS KAPITAL", 2008 im Patloch-Verlag, kann man sicher nicht als Beitrag zur aktuellen Diskussion werten.
Wir möchten diese zeitlosen Texte dennoch zitieren:
Erst die staatliche Arbeiterschutzgesetzgebung, die Entstehung von Gewerkschaften und die gesetzliche Anerkennung des Arbeitskampfrechts und der Tarifautonomie haben die Arbeitnehmerseite in den Stand versetzt, auf gleicher Augenhöhe mit den Arbeitgebern Verträge auszuhandeln. ... Wo Löhne gezahlt werden, die gegen die guten Sitten verstoßen, da muss der Staat eingreifen. Und auch wo einzelne Unternehmen versuchen, durch Dumpinglöhne jene Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, die anständige Tariflöhne zahlen - früher nannte man das "Schmutzkonkurrenz" - da sollte der Staat nicht tatenlos zusehen (S. 78 ff)Wir haben diese Texte schon vor Jahren aufgegriffen, und uns gefragt, warum die Kirche dieses bewährte Instrument nicht nutzen will. Der "Dritte Weg" der Kirche ist doch schlicht die Weigerung, mit Gewerkschaften zu kooperieren und den eigenen MitarbeiterInnen "auf Augenhöhe" in bewährter Tarifautonomie zu begegnen. Eine Möglichkeit, die nicht nur kirchlichen Arbeitgebern offen steht. Stattdessen sind Tarifverhandlungen ohne Streikrecht getreten, die das Bundesarbeitsgericht als "kollektives Betteln" bezeichnet. Und für jeden Beschluss wird eine 2/3 Mehrheit, also die Zustimmung zumindest großer Teile der Arbeitgeber, benötigt. Aber auch bei einem Beschluss wird lediglich eine Vorlage für die Diözesanbischöfe erstellt. Diese setzen dann mit der "Promulgation im Amtsblatt" die eigentliche Inkraftsetzung um. Es geht nichts ohne Arbeitgeber - und es geht nichts ohne den jeweiligen Ortsbischof. Der Machtanspruch der kirchlichen Hierarchie ist so mehrfach abgesichert. Für die katholische Kirche steht dieses Ausnützen der "negativen Koalitionsfreiheit" in krassem Gegensatz zur päpstlichen Soziallehre und den Sozialenzykliken - und zur Weltkirche.
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Die Tarifautonomie hat sich bewährt. ... Wer versucht, eine vorübergehende Schwäche des Tarifpartners bis zum Äußersten auszunutzen, mag einem kurzfristigen Kalköl entsprechend schlau handeln, aber er schadet dem Gemeinwohl und mittel- bis langfristig auch sich selbst. ... Wer sich so verhält, darf sich dann aber nicht beklagen, wenn ihm die Politik irgendwann einen gesetzlichen Mindestlohn vorschreibt. ....(S. 123)
Hat die Verweigerung der Tarifautonomie für die kirchlichen MitarbeiterInnen daher nicht doch etwas mit Machtgefälle und Machtmissbrauch in der Kirche zu tun?
Noch bis Dienstag fand die von der "Wolfsburg" organisierte Fachtagung "Macht, Partizipation und Gewaltenteilung - Was ist in der katholischen Kirche möglich?" mit rund 110 Teilnehmenden statt. Dort wäre ein Forum vorhanden gewesen, um bischöfliche Sichtweise deutlich zu machen. Im Gegensatz zur verweigerten Zustimmung durch die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas hat diese Fachtagung mit ihren theoretischen Äusserungen zur Machtstruktur in der katholischen Kirche auch breiten Raum in der kirchlichen Medienpräsenz (und deutlich weniger in der säkularen Öffentlichkeit) gefunden.
Domradio - katholisch.de 1 - katholisch.de 2 -
Wir möchten daher einige Beiträge aus dieser "Machtdiskussion" der letzten Wochen aufgreifen:
Die Kirche befinde sich in einer Situation, in der sie neu für die Plausibilität des Glaubens werben müsse, so der Ruhrbischof. Das hänge wesentlich damit zusammen, „eine neue Glaubwürdigkeit der Kirche und für die Kirche zu gewinnen“.wird Bischof Franz-Josef Overbeck zitiert
Quelle 1 "klick"
Quelle 2 *klick"
Der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, fordert mehr Engagement gegen Machtmissbrauch in der Kirche. „Amtsträger missbrauchen ihre Macht für ihre Machtgier, ihre Habgier und ihren Ehrgeiz“, sagte Schick dem Kölner Domradio.Quelle: Radio Vatikan
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Macht müsse zwar „wahrgenommen und ernstgenommen“, aber auch „kontrolliert werden“, so Erzbischof Schick. ...
"Wahrhaftigkeit und Transparenz bei jeder Amtsführung sind gefordert. Seilschaften, Männerbünde und Klüngel - Quellen des Machtmissbrauchs - sind mit der Botschaft Jesu unvereinbar."Quelle 1 "klick"
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Auch „bischöfliches Schweigen und Schweigen insgesamt, wo ein Machtwort gegen Unrecht und Machtmissbrauch nötig wäre“, sei ein Verstoß gegen das Recht und zugleich ein moralisches Versagen, mahnte Schick
Quelle 2 *klick*
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