kommentiert Christoph Paul Hartmann auf katholisch.de:
Die Kirche braucht ihren Mitarbeitern nicht ins Schlafzimmer zu gucken ...und Ludger Verst, Theologe, Berater, Publizist und Lehrbeauftragter im Institut für Pastoralpsychologie und Spiritualität der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main meint dort:
Es ist nicht nur intern beim Synodalen Weg Thema. Auch in der breiteren Öffentlichkeit wird seit der Missbrauchskrise darüber diskutiert: Wer hat wie viel Macht in der Kirche – und welche Strukturen geben sie ihm? Durch die Ablehnung eines Flächentarifvertrags in der Altenpflege durch die Caritas ist zudem wieder einmal klar geworden, dass auch im kirchlichen Arbeitsrecht die Machtstrukturen etwas anders verteilt sind als bei säkularen Arbeitgebern. Aber ist dieser Sonderweg überhaupt erhaltenswert? Denn er gibt der Kirche einige Machtwerkzeuge an die Hand. *)
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Vorige Tage bekam ich ein Foto mit Kardinal Woelki und einem Zitat zugespielt: "Bis zum Sommer werden wir jedem Katholiken ein Angebot zum Kirchenaustritt machen können", steht auf dem Bild. Ein blöder Scherz! Als ob die Situation der katholischen Kirche nicht schon schlimm genug wäre.
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In der "allgemeinen Krise der Institutionen" offenbart die "Institution Kirche" nicht für möglich gehaltene strukturelle und moralische Mängel. Es sind Passungslücken, die sie lange Zeit meinte lehramtlich ignorieren oder kasuistisch unsichtbar machen zu können. Was nicht gesehen wurde: Still und leise verdrängte sie damit treue Kreise ihres eigenen Publikums. Es sind die Katholikinnen und Katholiken selbst, die kein Verständnis mehr haben für eine Männerkirche, die Frauen systematisch von Weiheämtern fernhält und zugleich sexualisierte Gewalt an Kindern hervorbringt angesichts einer Moral, die Missbrauch für einen Betriebsunfall hält.
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Die weitgehende Dialogunfähigkeit des klerikalen Apparats verhindert eine kommunikationsoffene Kirche; schlimmer noch: Sie produziert ihrerseits klerikale Häresien.
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Rahner hatte einen Strukturwandel der Kirche gefordert, ihre Öffnung zur Welt, ihre Entklerikalisierung. Er wollte eine charismatische und keine amtliche Kirche; er forderte Seelsorgerinnen und Seelsorger, nicht Bürokraten. Das Gegenteil aber blieb der Fall. Dogmatische Lehrmeinungen mit unumstößlichem Wahrheitsanspruch gelten seit den frühen Konzilien als Instrumente, die die Gestalt kirchlicher Autorität vor Veränderungen schützen sollen. Es kann aber nicht etwas dadurch wahr sein, dass es kirchlicherseits angeordnet wird. Statt die Glaubenslehre beständig weiterzuentwickeln und am Vermittlungsstil Jesu zu schärfen, wird sie mit administrativen Mitteln gegen jedwede Anfrage verteidigt. Eine kirchenamtlich verordnete "Wahrheit" ist aber in sich bereits die Unwahrheit, weil sie den Geist, der wahre Einsicht schenken könnte, mutwillig zerstört aus Angst, von ihm selbst zerstört zu werden. Was bleibt, ist eine Position der Macht, die umso grandioser nach außen sich gebärden muss, als sie im Inneren hohl geworden ist. Hier zeigen sich die massiven Grenzen kirchlicher Kommunikations- und Dialogfähigkeit.
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Für den Rückgewinn von Glaubwürdigkeit und Vertrauen braucht es neue Sozial- und Präsentationsformen des Christlichen —, wenn es eine Kirche geben soll, die auch morgen noch eine gesellschaftlich relevante Angebotsgröße christlicher Orientierung sein will.
siehe auch Domradio:
Theologe Verst: Widerstand in der Kirche nicht mehr einzuhegen
Ein Fall von "klerikaler Häresie"?
Bereits Ende Februar wurden im Gewerkschaftsforum die Angst der Kirchen vor dem Verlust ihrer Sonderrechte angesprochen:
Tarifvertrag für Mindeststandards für Arbeitsbedingungen in der Altenpflege scheitert an der Zustimmung des Caritasverbandes – die Kirchen fürchten sich vor dem Verlust ihrer SonderrechteAllerdings haben die Kirchen einen solchen Verlust selbst zu verantworten. Denn die Freiheit der Kirchen beschränkt sich auf den Rahmen des "für alle geltenden Gesetzes". Es liegt also alleine am Staat, welchen Freiraum er den Kirchen einräumt. Der Staat kann diesen schon durch einfachgesetzliche Regelungen beschränken. Und er muss das tun, wenn die Kirchen den ihnen gewährten Freiraum missbrauchen. Das tun die Kirchen leider von Anfang an. Aus den versprochenen "sozial vorbildlichen Regelungen" ist jeweils nur ein marginaler, um Vieles reduzierter Abklatsch staatlicher Normen geworden.
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