1. Die beiden BAG-Urteile vom 20.11.2012 haben der Diskussion um das Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen eine völlig andere Richtung gewiesen: Weder die Kirchenautonomie noch die Koalitionsfreiheit können allein zu einem Ergebnis fuhren oder auch nur Vorrang beanspruchen. Sie müssen vielmehr zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden, der beide Grundprinzipien angemessen verwirklicht.
2. Die Kirchen haben das Recht, für ihre arbeitsrechtlichen Beziehungen ein kollektives Regelungsverfahren zu entwickeln und anzuwenden, das dem Leitbild einer Dienstgemeinschaft entspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass ein solches konsensuales Regelungssystem die strukturelle Verhandlungsschwäche der Arbeitnehmerseite nicht ignoriert und gleichberechtigte Verhandlungsmöglichkeiten schafft, bei denen die Gewerkschaften als Vertreterinnen von Arbeitnehmerinteressen nicht ausgeschlossen werden.
3. Der Dritte Weg der beiden christlichen Kirchen entspricht diesen Grundsätzen zwar im Ziel und im Ansatz, in der derzeitigen Ausgestaltung und Praxis bleibt er jedoch dahinter weit zurück. Er gewährleistet keine gleichberechtigte Verhandlungsposition, keine völlig neutrale Schlichtung und keine verbindlichen Ergebnisse. Im Vergleich zum klassischen Tarifrecht mit Druck und Gegendruck erweist er sich in dieser Form als unzureichend und daher als unge eignet, dieses Regelungssystem zu ersetzen.
4. Solange und soweit der Dritte Weg der Kirchen keinen ausreichenden kollektiven Arbeitnehmerschutz bietet, kann er das durch Art. 9 III GG gewährleistete Regelungssystem nicht verdrängen. Das Arbeitskampfrecht der Gewerkschaften bleibt insoweit unberührt.
5. Entscheiden sich die Kirchen für den Zweiten Weg, also für eine tarifvertragliche Regelung der arbeitsrechtlichen Beziehungen, so können sie Arbeitskämpfe dadurch ausschließen, wenn sie sich einer generellen Schlichtungsvereinbarung unterwerfen.
Erstellt auf der Basis der mündlichen Verhandlung und der Pressemitteilungen des BAG am 20.11.2012, da Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen.
weitere Texte zur Fachtagung auf unserem Blog:
Thesenpapier von Günter Busch
Thesenpapier von Thomas Rühl
Wir danken den Autoren für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung der Texte.
Wie nett sich das Wort "Verbindlichkeit" anhört-wo ist die Einrichtung die die AVR 1 zu 1 umsetzt!?? Da sich die Dienstgeberseite nicht an die Abschlüsse hält haben wir ein Streikrecht!!Organisiert euch damit wir es nutzen können!
AntwortenLöschenschade, dass das Thesenpapier nicht den Vortrag von Prof. Dr. Pfarr insgesamt wiedergibt; da sind wir wohl auf die ZMV-Dokumentation selbst angewiesen.
AntwortenLöschenAber alleine der flammende Appell der Professorin, die kirchl. Wohlfahrtsverbände mögen doch das ihre zu einem allgemein verbindlichen Sozialtarifvertrag beitragen, lohnt das Warten. Denn (nur) damit wird der ruinöse und zu prekären Löhnen führende Kostenwettbewerb in der Branche beendet, und zugleich die Basis für eine höhere Refinanzierung geschaffen.