Sonntag, 16. Oktober 2016

Sonntagsnotizen: Bertelsmann-Studie zu Pflegekosten und Vergütungen in der Pflege - wir betrachten die Folgen

"Pflegekosten übersteigen oft Einkommen von Senioren" bzw. "Heimplatz für Ostdeutsche bezahlbarer" sind die Titel von DPA-Meldungen, die in der vergangenen Woche die Runde durch den kompletten deutschen Blätterwald über die Augsburger Allgemeinen, Bild, über die Frankfurter Neue Presse und die Schwäbische Zeitung bis hin zur Welt gemacht haben:

"In weiten Teilen Deutschlands kostet ein Heimplatz mehr als Senioren sich leisten können. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung übersteigt der Eigenanteil in fast der Hälfte aller Städte und Kreise (44 Prozent) das durchschnittliche Haushaltbudget der über 80-Jährigen."

hieß es da. Professionelle Pflege kostet 88 Euro pro Tag in Zwickau und 153 Euro pro Tag in Köln. Ausgerechnet wurde fleißig, wieviele Tage sich pflegebedürftige Senioren mit durchschnittlichem Einkommen die Pflege in welchem Landkreis leisten können (die Spanne reicht von 208 vorzugsweise im Westen bis zu 497 Tagen vorzugsweise im Osten).


Genauer nachlesen kann man die Zahlen hier: Die  Bertelsmann-Studie belegt nämlich auch:  der Preis für günstige Pflege sind schlecht bezahlte Fachkräfte.

Die Zahlen, die in der Studie genannt werden: die Vergütung bewege sich zwischen 1714 Euro brutto und 3192 Euro brutto monatlich. (Die aktuellsten Zahlen bei der Caritas liegen übrigens bei 2242 Euro - Fachkräfte in den Ost-Tarifen am Anfang der Berufstätigkeit - und 3220 Euro für Fachkräfte in den West-Tarifen am Ende der beruflichen Entwicklung.)

Wie es für diejenigen, die jetzt selber pflegen, im Alter aussieht, sollte man vielleicht auch mal betrachten:

Die aktuellen Zahlen für den "Eckrentner" sehen so aus
(Quelle: http://aktuelle-sozialpolitik.blogspot.de/2016/04/91.html) :


45 Jahre mit dem Durchschnittsentgelt (derzeit 3022 Euro) unterbrochen vollzeitbeschäftigt führt zu einer Nettomonatsrente von 1173 Euro. Das liegt vielleicht etwas über der Armutsgrenze bzw. "Armutsrisikoschwelle", die "je nach Datensatz" bei "917, 987, 1029 oder 1063 Euro" (Georg Cremer, Armut in Deutschland, Seite 46) liegt.
[In der Zeit vom 6. Oktober 2016 (leider nicht kostenfrei online verfügbar) in der vorletzten Woche wird in einem Beitrag von Björn Stephan "Unter ihrer Würde" gezeigt, wie sich die Sache für eine Rentnerin nach 41 Jahren Beitragszahlung in die gesetzliche Rente darstellen kann: "...892,22 Euro Rente, dazu 60 Euro Riesterrente und 84 Euro Wohngeld. Zieht man davon alle festen Kosten ab - Miete, Strom, Wasser, Telefon, GEZ, Kranken- und Haftpflichtversicherung -, bleiben ihr 175 Euro im Monat zum Leben...". Für die Grundsicherung ist das zuviel!]

Kommen wir zur Vollzeitpflegekraft zurück, die alleinstehend 1714 Euro brutto monatlich verdient. Was bleibt? Nach Abzug von Solidaritätszuschlag 7,37 €, Kirchensteuer 10,73 €, Lohnsteuer 134,08 €, Rentenversicherung 160,26 €, Arbeitslosenversicherung 25,71 €, Krankenversicherung 143,98 € und Pflegeversicherung 24,42 € bleiben monatlich netto 1207,45 €. (Zyniker empfehlen hier auch an die Riester-Rente zu denken!)
Damit gehört man übrigens zur Mittelschicht! Zwar nur zur unteren Mitte, die sich aktuell für Alleinstehende zwischen 1033 und 1378 Euro bewegt, aber immerhin!

Zurück zum Eckrentner, den wir hier jetzt mit dem Dreisatz traktieren: 

Wenn ein aktuelles Durchschnittsentgelt von 3022 Euro zu einer Nettorente von 1314 Euro führt, dann sieht es für die einzelnen Beispiele im Text wie folgt aus:

1714 € gibt  665 € Nettorente
2242 € gibt  870 € Nettorente
3192 € gibt 1238 € Nettorente
3220 € gibt 1249 € Nettorente. 

Natürlich steigt bei Fachkräften in der Altenpflege üblicherweise die Vergütung im Laufe der beruflichen Tätigkeit an, aber man darf auch nicht übersehen, dass der sogenannte Eckrentner ein starker Optimist ist: für 45 Jahre Vollzeitbeschäftigung in der Altenpflege braucht man neben einer robusten Gesundheit, auch viel Glück sowie eine Vollzeitstellen. Hinderlich sind soziale Verpflichtungen, die die Vollzeitverfügbarkeit und die unterbrechungsfreie berufliche Tätigkeit  beeinträchtigen könnten (Kindererziehung, Angehörigenpflege usw.). 

Und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis der Eigenanteil an der Pflege nicht nur "in der Hälfte aller Städte und Kreise das durchschnittliche Haushaltsbudget der über 80-jährigen" überstiegen hat, sondern alle. 

Jedenfalls bei den Beschäftigten der Altenpflege.


c.

Übrigens: Thematisiert sind hier nur Fachkräfte. Die Helfer_innen in der Altenpflege enden, was ihre Vergütung betrifft, dort, wo die Fachkräfte beginnen. Und kostengünstig ist es selbstverständlich, die Fachkraftquote von 50 % als obere Begrenzung zu betrachten!


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