Donnerstag, 17. Dezember 2015

Urteil gegen christliche Gewerkschaften: Lohndumping hat Konsequenzen°

Das Bundessozialgericht hat sich gestern (16.12.2015) mit Beitragsnachforderungen bei Zeitarbeitsunternehmen wegen Tarifunfähigkeit der Gewerkschafts-Spitzenorganisation "CGZP" (die auch im Caritasbereich eine Rolle gespielt hat) befaßt: "grundsätzlich zulässig, bedarf aber weiterer Sachaufklärung":

 Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat heute auf die Revision einer erlaubte Arbeitnehmerüberlassung betreibenden GmbH entschieden, dass über deren Klage gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von über 75 000 Euro in der Tatsacheninstanz erneut verhandelt werden muss. Die Nachforderung von Beiträgen auch für Zeiten vor dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) über die Tarifunfähigkeit der "Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agen­turen" (CGZP) ist zwar bundesrechtlich grundsätzlich zulässig, jedenfalls die genaue Höhe der Forderung muss jedoch weiter geprüft werden.
 Es handelt sich um die erste Entscheidung des Bundessozialgerichts im Nachgang zu der vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 (BAGE 136, 302 = AP Nr 6 zu § 2 TVG Tariffähigkeit) getroffenen Feststellung, dass die CGZP nicht die Mindestvoraussetzungen erfüllt, um als Gewerkschafts-Spitzen­or­ga­ni­sation wirksame Tarifverträge abschließen zu können. Daraufhin hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund bei über 3000 Arbeitgebern für Zeiten vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 Beitragsnachforderungen von zusammen mehr als 220 Mio Euro geltend macht. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat sein Urteil damit begründet, dass sich die Klägerin zwar aufgrund der vorangegangenen Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit und beim Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz nach dem deutschen Recht - auch nicht nach Sozialversicherungsrecht - berufen kann. Wegen unwirksamer tariflicher Regelungen besteht ein Anspruch der beschäftigten Leiharbeitnehmer auf ein gleich hohes Arbeitsentgelt wie es die Stammbeschäftigten des Entleihunternehmens erhalten, wonach sich dann auch die Beitragshöhe richtet. Allerdings lässt sich derzeit noch nicht verfahrensfehlerfrei entscheiden, in welcher Höhe und für welche Zeiträume genau Beiträge nachzuzahlen sind: Vor einer abschließenden Entscheidung müssen zunächst die betroffenen Beschäftigten und alle insoweit von den nachgeforderten Beiträgen begünstigten anderen Sozialversicherungsträger als notwendig Beigeladene am Rechtsstreit beteiligt werden.  Darüber hinaus müssen Tatsachenfeststellungen dazu nachgeholt werden, welche Beiträge auf welche konkreten Entgeltansprüche entfallen und welche Beitragsanteile darüber hinausgehend auf einer (an sich grundsätzlich zulässigen) Schätzung beruhen. Sollen zudem – wie hier – über die vierjährige Verjährungsfrist hinaus Beiträge wegen vorsätzlicher Vorenthaltung unter Berufung auf die 30-jährige Verjährungsfrist nacherhoben werden, bedarf es genauerer Feststellungen zum Vorsatz, also zum Beispiel zu Kenntnis und Verhalten der im Betrieb verantwortlichen Personen.

Quelle: Pressemitteilung 16. Dezember 2015 auf juris.bundessozialgericht.de

Eine erste Bewertung gibt es inzwischen von der Bündnis90/Grünen-MdB Beate Müller-Gemmeke in einer Pressemitteilung von heute:

Pressemitteilung 16.12.2015
 Urteil zur Tarifgemeinschaft CGZP – Lohndumping hat Konsequenzen
 Zum Beschluss des Bundessozialgerichts, nach dem die Beitragsnachforderungen von Leiharbeitsunternehmen wegen der Tarifunfähigkeit der Gewerkschafts-Spitzenorganisation "CGZP" gerechtfertigt sind, erklärt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte: Es ist ein gutes Signal, dass Lohndumping Konsequenzen hat. Das Bundessozialgericht sorgt mit seinem Urteil zumindest für ein bisschen Gerechtigkeit, indem es feststellt, dass Leiharbeitsunternehmen, die jahrelang den für nichtig erklärten Tarifvertrag  der „Christlichen Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) angewandt haben, zumindest Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen müssen. Immerhin mussten die betroffenen Leiharbeitskräfte in dieser Zeit erhebliche Lohneinbußen hinnehmen und den Sozialversicherungen entgingen Beiträge in Millionenhöhe. 
Sinn und Zweck gewerkschaftlichen Handeln ist, die Interessen der Beschäftigten zu vertreten. Diesen Zweck hat die damalige Tarifgemeinschaft der Christlichen Gewerkschaften nicht im Geringsten erfüllt. Wenn Betriebe dies für sich genutzt haben und manchen Leiharbeitskräften im 21. Jahrhundert noch Stundenlöhne von gerade mal 4,81 Euro bezahlt haben, dann muss das Folgen haben, denn sie haben jahrelang von diesen Gefälligkeitstarifverträgen profitiert. Das ist die Konsequenz aus einem verantwortungslosen Verhalten gegenüber den Leiharbeitskräften und gegenüber den anderen Betrieben, die faire Löhne gezahlt haben. Alles andere wäre nicht gerecht.   
Hintergrund:Anlass für den Rechtsstreit vor dem Bundessozialgericht ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10 (BAGE 136, 302 = AP Nr 6 zu § 2 TVG Tariffähigkeit). Das BAG hatte festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft „Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen" CGZP die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, um als Gewerkschafts-Spitzenorganisation wirksame Tarifverträge abschließen zu können. Nach Angaben der Bundesregierung (siehe meine Kleine Anfrage BT-Drucksache 18/2835) führte die Deutsche Rentenversicherung Bund bei über 3000 Arbeitgebern Betriebsprüfungen durch. Betroffen waren rund 2,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Zwischen Dezember 2005 und Dezember 2009 wurden mehr als 220 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert.



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