Alle 67 Bischöfe und Weihbischöfe aus Deutschland, alle Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz, waren ab Mitte November in Rom, um im Vatikan Bericht über Ihre Bistümer zu erstatten. Die "Visitatio ad limina Apostolorum" (der offizielle Ausdruck für den Besuch der Bischöfe an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus) dient der Verbundenheit der diözesanen Bischöfe mit der Weltkirche genauso wie der Besinnung auf die Wurzeln der Kirche.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, führte in seiner Predigt zu Beginn des Besuches aus: „Es ist gut, wenn wir hier die Tradition wiederentdecken und lebendig halten. Tradition ist kein geschlossenes System sondern lebendiges Zeugnis. Dieses Zeugnisses müssen wir uns immer neu vergewissern und zwar vom Ursprung der Kirche hier." Und er erinnerte daran, dass Petrus nicht eine historische Gestalt der Vergangenheit sei, sondern „es gibt den lebendigen Petrus, seinen Nachfolger! Es kann keine Kirche geben, wenn wir uns nicht mit dem sichtbaren Fundament der Einheit, Petrus, verbinden. Der Auftrag an uns heißt, wie es Papst Franziskus während der Bischofssynode gesagt hat, sub petro et cum petro. Petrus ist der Garant dafür, dass wir im Ursprung verwurzelt bleiben. Deshalb möge der Ad-limina-Besuch für uns Bischöfe auch eine Stärkung unseres Dienstes sein, Ausdruck jener Communio, von der das Zweite Vatikanische Konzil spricht und das uns aufträgt, die Kirche in der Gegenwart an ihre Ursprünge zu erinnern. Den Weg als Kollegium der Bischöfe können wir nur gemeinsam gehen."
Wir möchten uns hier nicht an Spekulationen beteiligen, dieser beschwörende Appell zur Einheit sei tiefen Zerwürfnissen in den Reihen der Bischöfe geschuldet. Die manchmal beispielhaft genannte zeitlich gestaffelte Inkraftsetzung der Grundordnung (wir berichteten) sollte eine Marginalie sein, und nicht geeignet, die Einheit der Bischöfe in Sachen der Glaubenslehre auch nur anzukratzen. Denn Arbeits- und Tarifrecht sollte mit Glaubenswahrheit nichts zu tun haben. Zumindest, solange sich Kleriker in Fragen des Arbeitsrechts nicht gegen die päpstliche Soziallehre und damit gegen das päpstliche Lehramt stellen, und dies mit theologischen Ausführungen begründen.
Meinungsverschiedenheiten im Ringen um den richtigen Weg gehören ansonsten seit Petrus und Paulus (die seinerzeit wohl heftig gestritten haben) zum Wesen einer lebendigen Kirche. Der Appell zur Einheit ist also nichts weiter als die Besinnung auf eine Selbstverständlichkeit, ein "sich Vergegenwärtigen", ein Bekenntnis zum päpstlichen Lehramt, das unsere katholische Kirche gegenüber den protestantischen Christen auszeichnet.
Wir möchten den Anlass nutzen, um auf etwas anderes hinzuweisen:
Nach neun Jahren - das Kirchenrecht sieht eigentlich einen 5-jährigen Turnus vor - stand der Ad-limina-Besuch im Zeichen eines besonderen Jubiläums.
Vor 50 Jahren - am 8. Dezember - endete das II. Vatikanische Konzil, das eine weite Öffnung der Kirche zur Folge hatte. Unter dem Motto "Das offene Fenster" wurden die Laien dazu ermutigt, Welt und Kirche mitzugestalten. Die Öffnung zur Welt war ein wichtiger Schritt nach den dunklen Jahren, in denen Volks-, Betriebs- und Dienstgemeinschaften an die Stelle der Gemeinschaft der Kirche treten sollte,, in denen sich die Kirche auch als Folge des Abwehrkampfes gegen faschistische Ideologien immer mehr in sich selbst zurückzog. Und drei Wochen vor dem Ende des Konzils haben sich mehrere Bischöfe in den Katakomben Roms getroffen, um ein gemeinsames Versprechen für die Zukunft abzugeben:
Wir haben am 15. November 2013 an den "Katakombenpakt" vom 16. November 1965 erinnert. Ist es Zufall oder Fügung, oder auch die Auswirkung einer geschickten Regie, dass sich genau 50 Jahre später die Vertreter der "reichen deutschen Kirche" an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus einfanden?
Und wir hatten in diesem Blogbeitrag laut darüber nachgedacht, dass die Freiburger Aufforderung des deutschen Papstes Benedikt an die Nomenklatur der deutschen Katholiken zur "Entweltlichung" nur als Appell verstanden werden kann, die all zu weltliche "Arbeitgebermacht" abzugeben, auf weltliche Sonderrechte zu verzichten, denn:
Die Weltlichkeit verformt die Seelen, sie erstickt das Bewusstsein für die Wirklichkeit. Ein verweltlichter Mensch lebt in einer Welt, die er selbst geschaffen hat. Er umgibt sich gleichsam mit abgedunkelten Scheiben, um nicht nach außen zu sehen.Stattdessen
... werden immer neue Strukturen geschaffen, für die eigentlich die Gläubigen fehlen. Es handelt sich um eine Art neuer Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat. ...(Papst Franziskus an die deutschen Bischöfe)
An diesen wiederholten Appell zur Entweltlichung möchten wir ebenfalls erinnern. Denn die historisch in den dunklen Jahren des letzten Jahrhundert wurzelnde Sonderstellung der Kirchen in Deutschland ist nicht nur ein Wesentliches Hindernis auf dem Weg zur Öffnung für die Welt, sie ist über die "Konkurrenz der Tarife" maßgeblich mitverantwortlich für die prekären Arbeitsverhältnisse im Gesundheits- und Sozialwesen; sie ist nicht nur ein Stachel in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der eigenen Soziallehre, sondern diese Sonderstellung trennt: sie trennt die Kirche in Deutschland vom päpstlichen Lehramt und von der Weltkirche, der solche isolierten Machtstellungen fremd sind. Und mit dieser Erinnerung schließt sich der Kreis vom Katakombenpakt zur Predigt von Kardinal Marx, die dieser exakt 50 Jahre später, am 16. November 2015 zu Beginn des "Ad-limina-Besuches" an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, an den Gräbern der "Gründerväter" unserer katholischen Kirche gehalten hat - und zum Appell von Papst Franziskus an die deutschen Bischöfe.
Wir hoffen, dass das bevorstehende Jahr mit dem Außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit zu einem neuen Aufbruch unserer Kirche führt, einem Aufbruch, der aus den Fesseln der Weltlichkeit befreit.
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