Donnerstag, 3. Dezember 2015

Heute ist internationale Tag der Behinderung

Die Vereinten Nationen (UN) haben 1992 den 3. Dezember zum alljährlichen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen ausgerufen. Dieser Tag wird weltweit für Aktionen genutzt, um die volle Teilnahme und Gleichstellung behinderter Menschen zu erreichen.
Es ist erstaunlich, dass wir von der Redaktion nur wenige aktuelle Hinweise gefunden haben. Und wir haben nicht den Eindruck, dass die volle Teilnahme und Gleichstellung behinderter Menschen in unserer Gesellschaft gelungen ist, so dass wir diesen "Erinnerungstag" nicht bräuchten. Dabei sind - nach Angabe des Statistischen Bundesamtes (Stand 2013) - knapp 10 % der Menschen, die in Deutschland leben, als schwerbehindert anerkannt.


Gut, das Bundesministerium für Gesundheit hat vor vier Jahren erklärt, dass es sich auch künftig bei der Integration schwerbehinderter Menschen engagiert.

Gut, der bayerische Gesetzgeber hat beispielsweise im BayKiBiG das schöne Wort "Integration" durch "Inklusion" ersetzt, aber dann?

Wie viele staatliche Gebäude, wie viele Bahnsteige und Haltestellen sind "behindertengerecht" und für Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe (nicht nur über den Hintereingang) nutzbar (um nur ein Beispiel einer offensichtlichen Behinderung zu nennen)? Und dabei kann jede(r) Mensch etwa durch einen Unfall von einem Tag zum Nächsten zum Rollstuhlfahrer werden.

Der gedankenlose bis ignorante Umgang mit Menschen mit Handicup ist schlicht und einfach - beschämend.

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In diesem Zusammenhang möchten wir auch eine leichte Kritik an einer Entscheidung des kirchlichen Arbeitsgerichtshofs anbringen:Mit seinem Urteil vom 27.02.2009, M 14/08, hat dieser entschieden, § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX finde "da im Gesetzestext nicht genannt, auf die Mitarbeitervertretungen unmittelbar keine Anwendung." Diese am Wortlaut des staatlichen Gesetzes orientierte Auslegung ("philologische Interpretation") kann hinterfragt werden.
Unzweifelhaft nimmt das SGB IX die Kirchen nicht aus. Es ist ein "für alle geltendes Gesetz."
Die Aufzählung in Absatz 2 des Gesetzes soll (erkennbar) alle Personalvertretungen einschließen. Wenn man auf den fehlenden Begriff der "Mitarbeitervertretung" abhebt, dann läge es alleine an Kirchen, durch ihre Begriffs- oder Wortwahl die Geltung des staatlichen Gesetzes im Kirchenbereich zu entscheiden.
Würde die Kirche in Ihren Ordnungen den Begriff "Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat" verwenden, hätten Sie dem Geltungsbereich für Ihre Einrichtungen zugestimmt.
Würde der Gesetzgeber den Begriff "Mitarbeitervertretung" aufnehmen, könnten die Kirchen durch eine neue Benennung des kirchlichen Gremiums (etwa als "Vertrauensrat" oder "Beschäftigtenvertretung") wieder die Geltung des staatlichen Gesetzes abwenden.

Das kann so nicht sein:
Es ist der Staat, der durch das "für alle geltende Gesetz" den Rahmen für das kirchliche Selbstverwaltungsrecht definiert. Es liegt einzig und alleine am Staat, wo er die Grenzen der kirchlichen Selbstverwaltung zieht. So galt das Betriebsrätegesetz der Weimarer Republik selbstverständlich für die Kirchen. Und das Betriebsverfassungsgesetz wie die Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder sind nur deshalb nicht einschlägig, weil sie die Kirchen ausdrücklich ausnehmen. Durch eine einfachgesetzliche Regelung könnte diese Ausnahme aber gestrichen werden. Und das ist auch kirchlich so akzeptiert (Art. 123 GG i.V. Art. 1 RKonk i.V. c. 3 CIC).
Ein überzogener Selbstordnungsanspruch - insbesondere, wenn diese zu Lasten von staatlich besonders geschützten Personengruppen wie Menschen mit Behinderung erfolgt - kann sich durchaus zu Lasten der Kirchen auswirken. Weil nämlich der Staat sowohl aus seiner "Justizgewährleistungspflicht" nicht nur die Entscheidungen kirchlicher Instanzen zur Disposition stellen kann - sowie durch entsprechende gesetzliche Regelungen die Grenzen des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts enger ziehen könnte.

Das kirchliche Arbeitsgericht Rottenburg-Stuttgart hat mit seiner Entscheidung Geschäfts-Nr.: AS 18/14 vom 26.09.2014 diese Gefahr "erkannt" und in einer vergleichbaren Frage (es ging um Mutterschutz) gerade nicht den Weg der "philologischen Auslegung" gewählt, sondern sich am Sinn des Gesetzes orientiert (teleologische Interpretation).

Der KAGH hatte in dem von ihm entschiedenen Fall "die Kurve gekriegt", indem er die "Anzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit und das nach § 80 Abs. 1 SGB IX geführte Verzeichnis ... zu den Unterlagen i.S. des § 30 Abs. 2 Satz 1 MAVO" zählt, die der MAV auf Verlangen vorzulegen sind.

Wieviele MAVen haben diese Unterlagen inzwischen von ihrem Arbeitgeber angefordert?
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Weitere Informationen zum Thema Menschen mit Behinderungen gibt es bei dem Regionalen Informationenszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa (UNric).

Und verweisen möchten wir noch auf den anregenden Themenschwerpunkt in ARD-Alpha:
Inklusion im Alltag

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