Der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete hat sich als einer der wenigen sachkundigen Politiker auch intensiv an der Debatte um den 3. Weg beteiligt. Als katholischer Sozialdemokrat waren ihm die programmatischen Hintergründe seiner Partei sowohl in der Gewerkschaftsbewegung wie auch in der katholischen Soziallehre deutlich. Lange Jahre stand er an der Spitze der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen.
In Eichstätt konnte man ihn vor einem Jahr mit großem Vergnügen die (wahre) Anekdote vortragen hören:
...der von mir hochgeschätzte Prof. Dr. Oswald von Nell-Breuning sagte vor vielen Jahren einmal in Anwesenheit des daraufhin hochentsetzten Norbert Blüm "Das Godesberger Programm der SPD ist die Kurzfassung der katholischen Soziallehre."Ottmar Schreiner war einer der wenigen Politiker, der nicht nur namentlich, sondern auch in der Substanz sich auf die wichtigen Beiträge von Oswald von Nell-Breuning und der von ihm geprägten katholischen Soziallehre zur Sozialkultur unserer Republik bezogen hat.
Daß er in seinen Diskussionsbeiträgen als Sozialdemokrat Kardinäle, Jesuiten und Päpste zitiert hat, während die Kirchenvertreter bevorzugt sich auf Juristen und Gerichte beziehen, gehört zu den Seltsamkeiten einer Diskussion, in der uns die Stimme von Ottmar Schreiner fehlen wird. In Gesprächen zwischen Christen, Gewerkschaften und SPD war er derjenige, der Gemeinsames zu betonen wußte.
Ottmar Schreiners Referat am 5. März 2012 auf der Eichstätter Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht
Das kirchliche Arbeitsrecht in der politischen Bewertung endet mit:
Wer den Kirchen gut will, der kann ihnen nur anraten, einen das eigene Selbstverständnis bedrohenden Dauerkonflikt mit erheblichen Teilen der eigenen Belegschaften und ihrer Vertretungen abzuwenden. Das heißt dann aber auch, der in Sonntagsreden immer wieder betonten Bedeutung von Gewerkschaften auch praktische Konsequenzen folgen zu lassen. Warum sollte all dies sich um Himmels Willen nicht mit einer christlich inspirierten Unternehmenskultur vertragen können? Eine letzte Stimme sei noch zitiert: „Die modernen Gewerkschaften sind aus dem Kampf der Arbeitnehmer, der Arbeiterschaft und vor allem der Industriearbeiter, für den Schutz ihrer legitimen Rechte gegenüber den Unternehmern und den Besitzern der Produktionsmittel entstanden. Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der existentiellen Interessen der Arbeitnehmer in allen Bereichen, wo ihre Rechte berührt werden. Die historische Erfahrung lehrt, dass Organisationen dieser Art ein unentbehrliches Element des sozialen Lebensdarstellen. Das bedeutet freilich nicht, dass nur Industriearbeiter Vereinigungen dieser Art errichten können. Die Angehörigen aller Berufe können sich ihrer zur Sicherung der jeweiligen Rechte bedienen“. (Papst Johannes Paul II.: Enzyklika Laborem Exercens; 1981)Wir trauern um einen geradlinigen Katholiken und Sozialdemokraten und einen überaus kompetenten und geschätzten Diskussionspartner.
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