Montag, 9. Oktober 2017

Bayerisches Krankenhauspersonal setzt Grenzen

Die Gewerkschaft ver.di hat das Krankenhauspersonal für Dienstag und Mittwoch, den 10./11. Oktober, zu Protestaktionen aufgerufen. 
„Wir begleiten die Koalitionsverhandlungen, damit niemand die Personalnot in den Krankenhäusern vergisst und Union und Grüne an ihre Wahlkampfversprechen erinnert werden“, so Robert Hinke, Landesfachbereichsleiter für Gesundheit und Soziales bei ver.di-Bayern. „Von der FDP erwarten wir, über den eigenen ideologischen Schatten zu springen: Krankenhäuser sind keine Fabriken, Gesundheit keine Ware, Beschäftigte keine Zahnräder“, so Hinke. Weitergehende Aktionen sind für den 23./24. Oktober angekündigt.

Überstundenberge, das Ignorieren von Pausen und fortwährendes Einspringen aus der Freizeit sind längst nichts Außergewöhnliches, sondern vielmehr die Regel. Die Personaldecke ist auch in den bayerischen Krankenhäusern extrem dünn. Nach Erhebungen von ver.di fehlen in Bayern etwa 21.000 Stellen, allein 10.000 in der Pflege. „Vor diesem Hintergrund führt das krankheitsbedingte Ausfallen einzelner Kollegen bereits zu Chaos, vielfach reicht das Personal auf den einzelnen Stationen selbst rechnerisch nicht aus, um die Jahresdienstpläne korrekt abzubilden“, wie Hans-Joachim Bonatz, Vorsitzender des Fachbereiches und Betriebsrat, aus eigener Erfahrung weiß.
„Überstundenberge und das fortlaufende Einspringen aus der Freizeit ist folglich arbeitgeberseitig bereits eingeplant“, erklärte Hinke. „Arbeitgeber nutzen das Verantwortungsgefühl und die Kollegialität systematisch aus – um Personal und Geld zu sparen“, kritisierte Hinke. Der reibungslose Betrieb der Krankenhäuser funktioniere nicht mehr dank der Rahmenbedingungen, sondern nur noch gegen diese. „Raubbau an der eigenen Gesundheit ist die Folge“, so Hinke. Die Statistiken sprächen für sich: Mehr als Dreiviertel der Pflegekräfte kann sich nicht vorstellen, gesund in die Rente zu gehen. Viele brechen ihren Beruf ab oder flüchten in die Teilzeit. Die Krankenstände sind deutlich überdurchschnittlich, ebenso das Risiko der vorzeitigen Berufsunfähigkeit und der Frühverrentung. „Unter diesen Bedingungen macht Arbeit im Krankenhaus krank, und eine gute Patientenversorgung ist nicht mehr zu gewährleisten“, konstatierte Hinke.
ver.di erwartet, dass die Personalausstattung der Kliniken auch zu einem der zentralen Eckpunkte der Koalitionsverhandlungen in Berlin gemacht wird. „Wir werden die Koalitionsverhandlungen über mehrere Aktionstage ebenso kritisch wie aktiv begleiten, damit unsere Forderung nach einer gesetzlichen Personalbemessung zur Chefsache in der neuen Regierung wird“, kündigte Hinke an.
In verschiedenen Krankenhäuser wollen die Beschäftigten auf die Politik nicht mehr warten: Die Helios Amper Kliniken, das Klinikum Augsburg, die Kreiskliniken Günzburg-Krumbach und die Sozialstiftung Bamberg wurden zu Tarifverhandlungen aufgefordert.
Auswahl von lokalen Aktionen am 10/11. Oktober 2017:
Augsburg
Klinikum Augsburg, 2tägiger Warnstreik im Rahmen von Tarifverhandlungen zur Entlastung des Personals, ab 5:30 Uhr
09:15 Uhr: Treffen der Kolleginnen und Kollegen vor dem Klinikum Augsburg (Versammlung der Streikenden)
09:30 Uhr: Abfahrt der Busse nach Bad Wörishofen
Günzburg
Kreiskliniken Günzburg-Krumbach, 2tägiger Warnstreik im Rahmen von Tarifverhandlungen zur Entlastung des Personals, ab 05:30 Uhr
09:15 Uhr: Treffen der Kolleginnen und Kollegen vor dem Klinikum Augsburg (Versammlung der Streikenden)
09:30 Uhr: Abfahrt der Busse nach Bad Wörishofen
Bad Wörishofen
Demonstration und Kundgebung anlässlich der Tagung der bayerischen Krankenhausdirektoren
Ab ca. 11:00 Uhr Demonstration, ab gegen 11:30 Uhr Abschlusskundgebung mit Sylvia Bühler, ver.di Bundesfachbereichsleiterin und Mitglied des ver.di Bundesvorstandes (Gelegenheit zum Interview).
Dachau
HELIOS Amper Kliniken AG, Kundgebung, Schwerpunkt Ausbildung, mit Sylvia Bühler, ver.di Bundesfachbereichsleiterin und Mitglied des ver.di Bundesvorstandes.
Bamberg
Sozialstiftung Bamberg, Beschäftigte verweigern das Einspringen aus ihrer Freizeit, Punkt 11:30 Uhr symbolische Aktion zur Arbeitssituation, Gelegenheit zu Gesprächen und Hintergrundinformationen mit Personalräten, Beschäftigten und dem und dem Landesfachbereichsleiter Robert Hinke.
Aschaffenburg / Alzenau
Am Klinikum Aschaffenburg Alzenau werden am Standort Aschaffenburg die Stationen MITS/IMC, NITS/Stroke und AITS das Einspringen aus ihrer Freizeit verweigern, am Standort Alzenau wurde sämtliche Beschäftigten hierzu aufgerufen.
Eichstätt
An der Klinik Eichstätt werden fünf Stationen das Einspringen aus ihrer Freizeit verweigern und damit auf die Personalnot verweisen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.