Samstag, 1. Januar 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer katholischen Kirche? (1)

In einem unmissverständlich klaren Interview hat sich Erzbischof Dr. Gänswein, Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., zum Synodalen Weg geäussert. Einige Passagen sind hier zum Nachlesen wiedergegeben. Wir dokumentieren einige der Texte auch in unserem Blog, obwohl wir uns aus den theologischen Diskussionen auch um mißbrauchende Triebtäter und vertuschende Obere heraus halten müssen - und wollen, aber ein wesentlicher Kern der Aussagen ist auf das kirchliche Arbeitsrecht als "Mittel zum Machterhalt" anzuwenden - gute Arbeitsbedingungen werden nicht fair zwischen starken Gewerkschaften und der Amtskirche vereinbart, sondern (nur in Deutschland) zwischen Verbandsfunktionären verhandelt und dann per "Gnadenakt" gewährt.
Wie wir dazu kommen:
Der Synodale Weg will innerkirchliche Reformen durchpeitschen, die aus der Gemeinschaft mit der Weltkirche hinausführen. Ich befürchte sehr, sollte vorher kein Einsehen wach werden, dass dann eine riesengroße Enttäuschung auf uns zukommen wird. Entweder setzen die Bischöfe diesen unrealistischen Forderungen ein Ende oder es wird spätestens „aus die Maus“ heißen, wenn die synodalen Schlussdokumente nach Rom kommen. Dann hätte Rom wieder einmal den Schwarzen Peter. Damit wäre aber weder der Kirche in Deutschland noch der Weltkirche gedient.
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Der Brief des Papstes an die deutschen Katholiken spielt beim Synodalen Weg in Deutschland aber keine Rolle.
Als der Brief seinerzeit eintraf, wurde er fast überall gelobt und dann – entsorgt. Papst Franziskus hatte für den Synodalen Weg vorgeschlagen: weg von den Strukturen hin zu einer Neuevangelisierung! Das deutlichste Zeichen, wie ernst man diesen Vorschlag nahm, war die Tatsache, dass ein fünftes Forum des Synodalen Weges zum Thema Neuevangelisierung knallhart abgelehnt wurde, auch von Bischöfen.

Woran liegt es, dass in den letzten Jahrzehnten in Deutschland, vor allem im Verbandskatholizismus, das progressive Lager so stark gewachsen ist?

Sie sprechen vom Verbandskatholizismus, Establishment ist ein anderes Wort dafür. Dort sind viele politisch Tätige versammelt, die zwar aus der katholischen Kirche kommen, aber in der Regel in zentralen theologischen Fragen eine ganz andere Auffassung haben als das kirchliche Lehramt, und sich immer wieder lautstark bemerkbar machen. Ich frage mich mit vielen einfachen gläubigen Menschen, ob der Synodale Weg überhaupt etwas für den Glauben bringt. Führt er zu einer Vertiefung und Erneuerung des Glaubens? Vom Establishment des deutschen Verbandskatholizismus ist da bisher wenig Positives zu hören gewesen.
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"Establishment des deutschen Verbandskatholizismus" wird vielleicht anderswo und von anderen als "Klerikalismus" bezeichnet. Das erinnert uns an die Aussagen zur "Entweltlichung" - die Freiburger Konzerthausrede von Papst Benedikt XVI., die wir in unserem Blog mehrfach aufgegriffen haben. Tatsächlich wurde seinerzeit alles getan, um den Tenor der Aussage des Papstes zu Verwässern - und vielleicht sogar in sein Gegenteil zu verdrehen.
Wir beschränken uns dabei ausdrücklich auf die arbeitsrechtlichen Aspekte. Mit der Übernahme der historisch schwer belasteten "Ideologie der Dienstgemeinschaft" aus der Tradition der protestantischen Reichskirche hat sich die deutsche katholische Kirche letztendlich gegen die Umsetzung der eigenen katholischen Soziallehre und damit auch gegen das päpstliche Lehramt gestellt. Obwohl die Sozialenzykliken ausdrücklich sowohl das Gewerkschaftsprinzip und das Instrument des "Tarifvertrages" (Mater et magistra) befürworten und can. 1286 CIC die Beachung dieser Vorgaben zur Pflicht machen. Damit hat die deutsche katholische Kirche den "Weg der weltlichen Macht" beschritten - eine breite Straße, die aber letztendlich zur Aufgabe der eigenen Werte und zur Unglaubwürdigkeit in der Gesellschaft führt.
Dass unsere "Erinnerung" nicht ganz falsch ist, macht Dr. Gänswein dann auch auf eine ausdrückliche Frage deutlich:

Wie denken Sie sich die katholische Kirche in 20 Jahren?

Es gibt einen berühmten Aufsatz aus dem Jahre 1958 „Die neuen Heiden“, der dem blutjungen Autor Joseph Ratzinger damals von kirchlicher Seite nicht wenig Schwierigkeiten einbrachte, und in dem er Prophetisches aussagte: Die Kirche der Zukunft werde viel kleiner sein und viel an politischer und anderer Macht einbüßen, aber an innerer Stärke gewinnen. Ich glaube, wir sind immer noch auf dem Weg, diese kleinere Gemeinschaft zu werden. Da braucht es dann eben auch den Mut, bestimmte Dinge abstoßen und loslassen zu können. Denn oft sind gerade die großen finanziellen Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben, keine Hilfe für den Glauben, sondern eher ein Hindernis. Überall wo es der Kirche an Glauben fehlt, ist Aderlass nötig.

Sie knüpfen hier an die Freiburger Rede von Papst Benedikt von vor 10 Jahren an, als er die deutsche Kirche zur Entweltlichung aufrief.

Auch, ja, aber nicht nur. Damals haben nicht wenige Bischöfe hinterher versucht klarzumachen, was Benedikt alles damit nicht gemeint habe. Das allein zeigt, dass sie offensichtlich auf den Status quo fixiert waren und die innere Struktur und Weite der Rede entweder nicht verstanden oder innerlich nicht angenommen hatten. (…)

Die Frage ist doch:
Wie kann sich Kirche in einer zunehmend kirchenfernen Gesellschaft Gehör verschaffen?
und die Antwort kann nur sein: die Kirche muss endlich glaubwürdig werden - und das auch selbst umsetzen, was aus Rom und von der Kanzel gepredigt wird.
Dazu passt dann vielleicht auch die adventliche Forderung von Bischof Bätzing:
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, fordert eine "radikale Umkehr" von der Kirche.

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"Wir haben Autorität und Glaubwürdigkeit verloren, aus eigenem Verschulden. Der Skandal sexualisierter Gewalt in unserer Kirche und ihrer Vertuschung ist neben all der Schuld, die wir auf uns geladen haben, ein Ruf zur Umkehr an die Kirche selbst."
(so auch der Historiker Thomas Großbölting
Auch das moralische Kapital, das Nicht-Christen den Kirchen weithin zugebilligt hätten, werde durch den Missbrauchsskandal aufgezehrt ... Deshalb würden Privilegien der Kirchen wie das eigene Arbeitsrecht, die Sitze in den Rundfunkräten oder die historisch bedingten Staatsleistungen zunehmend in Frage gestellt.

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