Samstag, 22. Januar 2022

Samstagsnoitzen: Wie weiter mit unserer Kirche (4)

Grundlegende Veränderungen seien notwendig
Bischof Overbeck: Katholische Kirche wegen Missbrauchs in Existenzkrise

  • Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sieht die katholische Kirche in einer existenziellen Krise.
  • Als einen der Hauptgründe nennt er den geistlichen und sexuellen Missbrauch in der Kirche.
  • Ein Zusammenbruch der bisherigen Strukturen sei fast unausweichlich.
berichtete "Kirche und Leben" letzten Samstag. (Quelle 2: Domradio)


Dem ersten Teil der Meldung stimmen wir gerne zu. Die Kirche braucht grundlegende systemische Veränderungen, nicht nur den Rücktritt oder die Entlassung von einzelnen Symbolpersonen. Unsere Kirche hat sich insgesamt zunehmend von der Lebenswirklichkeit der Gläubigen entfremdet. Sie ist in einem vorkonziliaren Muster "stehen geblieben" während sich die freiheitlich demokratische Gesellschaft zunehmend entwickelt hat. Ein "weiter so" führt nur in den Abgrund.
Beim zweiten Teil müssen wir widersprechen. Die Kirche ist nicht "wegen Missbrauchs" in der Existenzkrise, sondern wegen dieser Entfremdung und der Vertuschung der Amtskirche. Mißbrauch gibt es in der gesamten Gesellschaft - in Familien und Vereinen - ohne dass das Modell "Familie" oder "Verein" dadurch in's Wanken geriete. Mißbrauch ist nichts "kirchenspezifisches", auch wenn wegen der z.T. kruden Sexualmoral der Kirche und einiger Einrichtungen auch sexuell verklemmte Personen angezogen werden sollten. Und die finden dann mit dem "geistlichen Mißbrauch" auch noch die Möglichkeit, ihre Gelüste durch klerikale Machtausübung zu verbrämen.
Spezifisch ist nun aber der Umgang mit dem Mißbrauch. Mißbrauch von Einzeltätern wurde so systemisch zu einem Problem der gesamten Kirche (vgl. Matthäus 7, 16). Aus dem Bemühen, das "Antlitz strahlend zu halten" ist so unbeabsichtigt die Kreation einer hässlichen Fratze geworden.
Wir zitieren Bischof Overbeck aus der o.g. Meldung nochmal:
Die Kirche sei in einer Krise, „die von uns sowohl spirituell als auch strukturell Entscheidungen abverlangen wird, die zu einer echten Neu-Werdung unserer Kirche führen müssen“. Vieles stehe massiv infrage, was bislang nicht hinterfragbar schien, aber „unser Gott ist ein Gott des Weges – und nicht des Stillstands. Seine Wege führen nicht zurück, sondern nach vorn“.
Dann sollten wir uns unter Verweis auf Matthäus 7, 13 - 15 auch gemeinsam bemühen, dass unsere Kirche dabei nicht "auf halbem Weg" in einer Sackgasse stecken bleibt.

Anlässlich der Vorlage des Münchner Mißbrauchsgutachtens sind die Aussagen der Medien eindeutig. Wir zitieren beispielhaft das ZDF:
Eine Kirche, die sich über dem Recht wähnt und deren Würdenträger nur um ihre Würde kreisen, braucht die Welt nicht.
... Wenn die hierarchische Männerkirche ihr Selbstverständnis, ihr Menschenbild und ihr Verhältnis zur Wahrheit nicht grundsätzlich ändert, wird von ihr nicht mehr als ein sektiererischer Nischenverein bleiben.
Inzwischen fordern - so die ZEIT - inzwischen auch namhafte Katholiken Konsequenzen und eine politische Aufarbeitung, die vor dem von den Kirchen beanspruchten Selbstbestimmungsrecht nicht halt machen kann:
Die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp sagte im Inforadio des rbb: "Ich glaube nicht mehr, dass die Kirche allein die Aufarbeitung schafft." Es müsse die Frage gestellt werden, "ob es nicht ein besserer Weg wäre, wenn wir auf der politischen Seite im Sinne der Unabhängigkeit der Aufarbeitung mehr Einflussnahme hätten". Dies könne "über einen Ausschuss im Parlament, über eine Kommission, über eine Wahrheitskommission" erfolgen.
Und der SPIEGEL macht deutlich:
Kritiker verlangen, dass die Kirche in vollem Umfang dem weltlichen Recht unterworfen wird. »Nachdem das eine Neverending-Story zu sein scheint, sollte der Staat alle Kindertagesstätten und Schulen unter Beobachtung stellen, bei denen es eine Trägerschaft der katholischen Kirche gibt, oder sogar über einen Entzug der Trägerschaft nachdenken«, forderte der Strafrechtsprofessor Holm Putzke gegenüber der dpa. Die Kirchen müssten von Gesetzes wegen genauso behandelt werden wie jede andere Vereinigung. Putzke: »Für irgendeine besondere Rücksichtnahme, man kann es auch als ›Beißhemmung‹ bezeichnen, besteht überhaupt kein Anlass«.
Der Sprecher der Opferinitiative »Eckiger Tisch«, Matthias Katsch, wird dazu mit der Aussage zitiert:
Man könne vermuten, dass die Kirche jahrzehntelang von einem grundsätzlichen Wohlwollen katholischer Richter und Staatsanwälte profitiert habe.
Jedenfalls muss Schluss sein mit einem kirchlichen "Selbstbestimmungsrecht", dessen Rechtsetzung nur dazu dient, den "guten Ruf" der Kirche zu schützen.

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