Mittwoch, 19. Januar 2022

Erzbistum Köln: Arbeitsgericht kippt Kündigung wegen Bürostuhl

berichtet die Tagesschau und führt aus:
Die Mitnahme eines Bürostuhls ins Homeoffice rechtfertigt keine fristlose Kündigung. ...

Die Mitarbeiterin hatte zu Beginn der Corona-Pandemie einen ergonomischen Bürostuhl mit nach Hause ins Homeoffice genommen und war deswegen entlassen worden. Dies dürfe nicht zur fristlosen Kündigung führen, da es allenfalls eine Pflichtverletzung sei, begründete das Gericht seine Entscheidung.
In der konkreten Situation 2020, nach relativ frischem Ausbruch der Corona-Pandemie, sei es turbulent zugegangen. Da habe auch die Arbeit in einem Homeoffice zunächst einmal organisiert werden müssen. Das müsse man berücksichtigen. ... Der Argumentation des Erzbistums, der Stuhl habe aber erheblichen Wert und dies habe (die gekündigte Klägerin) nicht so einfach machen dürfen, folgte die Kammer nicht.

Auch, dass das Erzbistum die seit April 2020 als arbeitsunfähig gemeldete (Klägerin) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt hatte, sei hinfällig, entschied das Arbeitsgericht. Das Erzbistum habe nicht den notwendigen medizinischen Sachverstand eingeholt. Die Bezüge vom vergangenen August bis Januar ... seien nebst Zinsen nachzuzahlen. ...
weitere Quellen:
FAZ: Bistum-Kündigung für mitgenommenen Bürostuhl ist unwirksam
Domradio: Keine fristlose Entlassung möglich
Katholisch.de: Frau war wegen Mitnahme ihres Bürostuhls ins Homeoffice entlassen worden ... Niederlage für das Erzbistum Köln vor Gericht
Kölner Stadt-Anzeiger: Bürostuhl-Posse ... – Gericht zweifelt an Rechtmäßigkeit
SPIEGEL online: Homeoffice in der Pandemie - Erzbistum Köln verliert Streit über Kündigung wegen mitgenommenem Bürostuhl
Süddeutsche Zeitung: Mitarbeiterin wegen Bürostuhl gekündigt - Gericht äußert Zweifel
ZEIT online: Bistum unterliegt im Streit um Kündigung wegen Bürostuhl

Anmerkung:
Für die Entscheidung maßgeblich dürfte der Grundsatz sein, dass die nötigen Arbeitsmittel vom Arbeitgeber bereit gestellt werden müssen. Das gilt für die Bereitstellung von Arbeitsplatz und Arbeitsmaterialien bis hin zu Geräten, Büroausstattung oder Dienstfahrzeugen und dem nötigen Verbrauchsmaterial. Auch die Büroausstattung in einem Dienstgebäude wird vom Arbeitgeber gestellt, der im Übrigen auch die Kosten für Heizung, Strom- und Wasserverbrauch trägt. Das müsste dann doch auch genauso gelten, wenn die Arbeitsleistung nicht mehr in einem Dienstgebäude sondern im Homeoffice erbracht werden muss. Allerdings bringt die Umsetzung dieses Grundsatzes beim "Homeoffice" einige Unklarheiten mit sich.
Wie ist das etwa mit dem erhöhten Stromverbrauch für den PC? Wie ist das mit Arbeits-, Gesundheits- und Unfallschutz?
Bereits im Dezember letzten Jahres hat das Bundessozialgericht in Kassel entschieden, dass auch betriebliche Wege innerhalb der Wohnung versichert sind und ggf. Leistungen aus der beruflichen Unfallversicherung gewährt werden müssen (Az: B 2 U 4/21 R, Pressemitteilung Bundessozialgericht, Bericht Tagesschau). Dann ist es auch folgerichtig, dass der Arbeitgeber beim Homeoffice die Mittel zum Gesundheitsschutz bereitstellen muss, die er auch in der Betriebsstätte - also dem eigenen Dienstgebäude - bereitstellen müsste. Vor diesem Hintergrund hätte der Arbeitgeber also auch für das Homeoffice einen ergonomischen Bürostuhl - wie im Dienstgebäude selbst - zur Verfügung stellen müssen.
Die Entscheidung ist allerdings noch nicht veröffentlicht. Man darf daher auf die Begründung des Kölner Arbeitsgerichts gespannt sein.
Das Urteil ist in anderem Kontext bis in die bundesweiten Tagesmedien gelangt. Die Entscheidung ist wichtig, aber noch nicht rechtskräftig. Wenn man sieht, dass anderswo schon die Mitnahme von Kopierpapier (wenngleich nicht für berufliche Zwecke) als rechtfertigender Kündigungsgrund genannt wird, dann ist durchaus mit einer Berufung und einem weiteren Verfahrensgang zu rechnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.