Montag, 4. September 2023

Lippstadt: Krankenhausfusion evangelisch und katholisch

Unter dem Titel "Kommunal -> diakonisch -> ökonomisch" haben wir schon vor Jahren und immer wieder Fragen angesprochen, die mit einem Trägerwechsel kirchlicher Krankenhäuser verbunden sind.
Der Wechsel zu einem nichtkirchlichen oder anders kirchlichen Träger zeigt, wie hohl das "Ideal der Dienstgemeinschaft" ist, wenn durch einen einfachen Trägerwechsel - eine Entscheidung der Eigentümer mit der Geschäftsleitung - die hehren Loyalitätsanforderungen einer Kirche an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sich zusammen fallen.
Wir meinen auch: es kann nicht auf die reine Eigentümerstruktur ankommen, ob eine Einrichtung caritativ oder wirtschaftlich tätig ist. Denn wenn die Bistümer Eichstätt und Augsburg die Aktienmehrheit eines Ingolstädter Autobauers übernehmen, gilt noch lange nicht das Arbeitsrecht der katholischen Kirche. Entscheidend für die Befreiung vom Betriebsverfassungsgesetz ist nach § 118 Abs. 2 dieses Gesetzes, dass eine Einrichtung caritativ, also selbstlos und nicht gewerblich bzw. mit der Absicht der Gewinnerzielung tätig ist. Und schon die Tatsache der Fusionsgespräche belegt den primär finanziellen Gesichtspunkt, der dem Betrieb der entsprechenden Einrichtungen zugrunde gelegt ist. Auch "kirchliche Krankenhäuser" werden - wie Krankenhäuser privater Konzerne auch - ausschließlich oder zumindest primär nach gewerblichen und nicht nach Wohltätigkeitsgesichtspunkten geführt.

Jetzt steht wieder einmal ein solcher Trägerwechsel an.
Lippstädter Krankenhäuser verhandeln über Fusion
Das Evangelische Krankenhaus und das (katholische) Dreifaltigkeitshospital in Lippstadt wollen zeitnah Verhandlungen über die künftige Zusammenarbeit starten
berichteten das "Hellweg-Radio" am Mittwoch, 05.07.2023 (nachfolgend zitiert) sowie die Lippstädter Zeitung.
Die Fusion der beiden Krankenhäuser in Lippstadt hält Dr. Marcel Coenen vom Ärzteverein Lippstadt für eine gute Entwicklung. In der Zusammenarbeit als ein großes Krankenhaus sieht er gleich zwei Vorteile:
= Patienten müssten seltener in andere Kliniken verlegt werden
= Die medizinische Versorgung für Patientinnen und Patienten könnte sich verbessern
Sowohl die Verantwortlichen des Evangelischen Krankenhauses als auch des Dreifaltigkeitshospitals in Lippstadt betonen, dass durch die Fusion keine Stellen gestrichen werden.
"Ich bin freudig überrascht, dass das Thema jetzt wieder auf der Agenda steht! Die Fusion der Krankenhäuser in Lippstadt ist wichtig und gut." (Dr. Marcel Coenen vom Ärzteverein Lippstadt)
an die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denkt anscheinend niemand. Denn mit einer solchen Fusion ergeben sich erhebliche Fragen nicht nur betriebsverfassungsrechtlicher Art. Welches kirchliche Arbeitsrecht soll denn nach der Fusion gelten? Gilt für die fusionierten Einrichtungen weiterhin MAVO oder MVG im jeweiligen Standort? Gilt für MitarbeiterInnen der ehemals katholischen Einrichtung die Grundordnung weiter? Welches "Tarifrecht" soll angewandt werden? Was ist mit den Ansprüchen auf Zusatzleistungen wie eine betriebliche Zusatzversorgung? Entsprechende Überleitungsnormen fehlen - denn die evangelische Kirche kann keine Bestimmungen für katholische Einrichtungen erlassen, und umgekehrt die katholische Kirche keine Regelungen für evangelische Häuser normieren. Und der Staat nimmt die konfessionellen, vorgeblich caritativen Einrichtungen ausdrücklich von seinen diesbezüglich einschlägigen Rechtsnormen aus. Damit soll (entgegen unserer Ansicht) auch die Anwendung der EU-Richtlinie 2001/23/EG ausgeschlossen sein.

Letztendlich - wir wiederholen uns - beweist alleine schon die Gesprächsaufnahme, dass es nicht um die viel beschworene "Umsetzung des diakonisch-caritativen Auftrages der jeweiligen Kirche" geht, sondern primär geschäftliche und betriebswirtschaftliche Erwägungen die Zukunft der beiden bisher konfessionellen Häuser bestimmen. Ein Beweis mehr dafür, dass das spezifisch kirchliche Arbeitsrecht beendet werden muss - wie es ver.di mit der Petition "Gleiches Recht für kirchlich Beschäftigte" fordert.

Ein Betrieb ist ein Betrieb ist ein Betrieb - unabhängig vom Tätigkeitsfeld und dem Eigentümer der Gesellschaftsanteile ....

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