Dass auch kirchliche Einrichtungen schließen und dann alle MitarbeiterInnen mit einer Entlassung rechnen müssen haben wir schon mehrfach angesprochen. Wir erinnern etwa an unseren Beitrag vom 27. Dezember 2022. Eine solche Kündigungswelle wird als "Massenentlassung" bezeichnet.
Nach einer europäischen Richtlinie (Art. 2 III Unterabs. 2 MERL) ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine solche Entlassungsabsicht der zuständigen Behörde (in Deutschland: Arbeitsagentur) mit zu teilen. Die Umsetzung der Richtlinie ist in § 17 Abs. 3 S. 1 Kündigungsschutzgesetz - KSchG in nationalem Recht erfolgt. Was aber, wenn diese Mitteilung unterlassen wird? Kann es sein, dass dann eine Kündigung "wegen Verstoßes gegen die einschlägige Vorschrift des KSchG" unwirksam ist? Das BAG hat die entsprechende Frage nun dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Und der hat entschieden (EuGH, Urteil vom 13.07.2023 - C-134/22 (BAG), BeckRS 2023, 16848):
Die in Art. 2 III Unterabs. 2 der RL 98/59/EG (MERL) vorgesehene Verpflichtung des Arbeitgebers, der zuständigen Behörde eine Abschrift zumindest der in Art. 2 III Unterabs. 1 Buchst. b Ziff. i bis v MERL genannten Bestandteile der schriftlichen Mitteilung zu übermitteln, hat nach Meinung des EuGH nicht den Zweck, den von Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmern Individualschutz zu gewähren.
Die Bestimmung des § 17 III KSchG ist also kein Schutzgesetz i.S.d. § 134 BGB. Damit führt die unterlassene Anzeige nicht zur Unwirksamkeit einer dennoch erfolgten Kündigung. RA Dr. Steffen Krieger, Gleiss Lutz aus Düsseldorf hat die Entscheidung im beck-fachdienst Arbeitsrecht 29/2023 vom 27.07.2023 kommentiert.
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