Mittwoch, 13. September 2023

Warum es im kirchlichen Arbeitsrecht keine diözesanen Besonderheiten geben darf

Zum Ende der Ferien wollen wir auf einen Konflikt eingehen, der im Arbeitsrecht bei der katholischen Kirche immer wieder auftaucht.
Da ist zum Einen die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß des Zweiten Senats vom 4. Juni 1985 -- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 -- wonach jede Kirche für sich selbst feststellen muss, welche Anforderungen in ihren Arbeitsverhältnissen zugrunde zu legen sind. Und bei der katholischen Kirche sind nun einmal die Bischöfe die "absoluten Herrscher" in ihrem Bistum, "da ansonsten die Freiheit der Amtsausübung (canon 381 § 1 CIC) konterkariert würde." Dem entspricht die Tatsache, dass gleiche Sachverhalte in unterschiedlichen Diözesen tatsächlich unterschiedlich behandelt werden.
Daher wird die unterschiedliche Interpretation und Handhabung von kirchlichen Anforderungen (z.B. nach § 14 Abs. 1 S. 2 MAVO) in unterschiedlichen Bistümern zunächst auch akzeptiert. Ist das denn nicht so wie bei den unterschiedlichen evangelischen Landeskirchen, die auch unterschiedliche Regelungen haben?

Dann steht zum Anderen allerdings die Tatsache, dass es sich bei den (Erz-)Diözesen nicht um getrennte Kirchen handelt. Das Recht auf Sonderregelungen ist nur der gesamten Kirche zugestanden. Gehört der Essener Stadtteil Kettwig (mit Mülheim-Mintard zum Erzbistum Köln) zu einer anderen katholischen Kirche als die restliche Bischofsstadt Essen? Auch ein Bischof vertritt nicht die gesamte katholische Kirche. Die Hierarchie der katholischen Kirche zielt auf die Einheit der Kirche unter der Leitung des Papstes ab. So ist das "päpstliche Lehramt", das sich in lehramtlichen Schreiben (Enzykliken) manifestiert, von essentieller Bedeutung für diese Einheit der Kirche.
Und konträre oder zumindest unterschiedliche rechtliche Anforderungen, die jeweils aus der "Katholizität" einer Einrichtung begründet werden, sind schon aus diesem Grund kirchenrechtlich und damit theologisch nicht darstellbar. Das gilt sowohl für einzelne Diözesen wie auch - erst recht - für einzelne kirchliche Einrichtungen. Kein Geschäftsführer und kein Dorfpfarrer haben das Recht, zu entscheiden, was "katholisch" ist. Dieses Recht steht in der katholischen Kirche ausschließlich dem Papst und dem gesamten Kollegium der Bischöfe zu.

Letztendlich gibt es dann auch einen ganz pragmatischen Grund:
Die Diözesangrenzen verlaufen bisweilen mitten durch die Städte (vgl. die Zusammenstellung bei katholisch.de). Damit sind - etwa bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen - einzelne Arbeitsgerichte für verschiedene Bistümer zuständig.
Machmal ist es sogar so, dass ein Bistum und damit ein bischöfliches Gesetz in mehreren Bundesländern besteht. So liegt die Kurstadt Bad Wimpfen am Neckar im Landkreis Heilbronn und gehört politisch zu Baden-Württemberg, kirchlich jedoch zur Diözese Mainz. Damit könnten drei verschiedene kirchliche Normen und Handhabungen - aus den Bistümern Freiburg, Rottenburg-Stuttgart und Mainz - bei vergleichbaren Fallkonstellationen vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg landen.
Wenn nun innerhalb des Amtsbezirkes eines Gerichs das gleiche Verhalten unterschiedlich geregelt wird, ist der Verdacht auf einen Verstoß gegen das auch bei Kirchen geltende Diskriminierungs- und Willkürverbot naheliegend. Und spätestens dann müssen die staatlichen Gerichte prüfen, ob eine diözesane Anforderung gerechtfertigt ist (was sie eigentlich in jedem Fall ohnehin tun sollten).

Zuletzt läuft die gesamte widersprüchliche Entwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts bei unterschiedlichen Bischöfen auf einen Punkt hinaus, den Papst Franziskus jetzt auf seiner Reise nach Asien wieder angsprochen hat.
Die Kirche sei keine Firma und der Bischof kein Manager, sagte er am Samstag in der Kathedrale in Ulan Bator.
(Quelle: Domradio)
Es wird daher höchste Zeit, dass sich die Bischöfe und mit Ihnen die Kirche auf den sakralen Charakter des Bischofsamtes beschränken. Das hat - bezüglich der katholischen Kirche in Deutschland - schon sein Amtsvorgänger mit seiner Aufforderung zur "Entweltlichung" gefordert.

Für die Bischöfe der deutschen katholischen Kirche gilt dabei aber, was Prof. Dr. Joussen in einem Beitrag für die Zeitschrift "ZMV – Die Mitarbeitervertretung" (Ausgabe Januar/Februar 2023) festgestellt hat:
Die Reform des katholischen Arbeitsrechts ... folgt vor allem dem Druck der Gerichte, stellt der Arbeitsrechtler Jacob Joussen fest. Wo der Druck fehle, fehle es auch an Reformbereitschaft.
(zitiert nach katholisch.de)
Die Entwicklung der Rechtsprechung und der Fachkräftemängel seien die Ursachen für die Modernisierung, keine eigene Überzeugung. Die Bischöfe Stefan Oster (Passau) und Gregor Maria Hanke (Eichstätt) begründeten ihre Zustimmung zum neuen Arbeitsrecht mit Alternativlosigkeit angesichts der Rechtslage.




Deshalb:
JETZT UNTERSCHRIFTEN SAMMELN:



Anmerkungen: 
vgl. katholisch.de: "Kuriose Bistumsgrenzen in Deutschland – Teil 1: "Geteilte" Städte"
vgl. katholisch.de: Kuriose Bistumsgrenzen in Deutschland – Teil 2: Getrennte Gebiete

2 Kommentare:

  1. Konzern ja klar. Wenn die Strukturen allzusehr verschachtelt sind oder scheinbar selbständig nebeneinander stehen, prüft das Bundeskartellamt z.B. nach allgemeinem Wirtschaftsrecht, ob kirchliche Gesellschafter ihre Interessen langfristig und dauerhaft aufeinander abgestimmt haben und eine einheitliche Willensbildung zu erwarten ist. So bei der Fusionskontrolle, als die 2006 Marienhaus GmbH die Gemeinnützige Klinikgesellschaft des Landkreises Neunkirchen mbH kaufen wollte und am Ende auch kaufen durfte. So auch 2022, Anmeldung zur Fusionskontrolle beim Bundeskartellamt beim Zusammengehen von Marienhaus GmbH und St.Franziskus-Stiftung. Im Wirtschaftsrecht sind Kirchen damit einverstanden, wie normale Marktteilnehmer behandelt zu werden. Ein Selbstverwaltungsrecht nach Weimarer Reichsverfassung beanspruchen sie auf diesem Gebiet nicht. Niko Stumpfögger niko.stumpfoegger@magenta.de 0160-9858 5366

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  2. Konzern ja klar. Das Bundeskartellamt fehlt bislang in der Betrachtung. Wenn die Strukturen allzusehr verschachtelt sind oder scheinbar selbständig nebeneinander stehen, prüft das Bundeskartellamt z.B. nach allgemeinem Wirtschaftsrecht, ob kirchliche Gesellschafter ihre Interessen langfristig und dauerhaft aufeinander abgestimmt haben und eine einheitliche Willensbildung zu erwarten ist. So bei der Fusionskontrolle, als die 2006 Marienhaus GmbH die Gemeinnützige Klinikgesellschaft des Landkreises Neunkirchen mbH kaufen wollte und am Ende auch kaufen durfte. Die Entscheidung ist im Internet veröffentlicht: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Entscheidungen/Fusionskontrolle/2006/B10-24-06.html. So auch 2022, Anmeldung zur Fusionskontrolle beim Bundeskartellamt beim Zusammengehen von Marienhaus GmbH und St.Franziskus-Stiftung. Im Wirtschaftsrecht sind Kirchen damit einverstanden, wie normale Marktteilnehmer behandelt zu werden. Ein Selbstverwaltungsrecht nach Weimarer Reichsverfassung beanspruchen sie auf diesem Gebiet nicht. niko.stumpfoegger@magenta.de 0160-9858 5366

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