Es ist eine illustre Runde, die am Freitag zur Videokonferenz zusammentritt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und der frühere französische Premierminister Manuel Valls sind dabei. Die österreichische Integrationsministerin Susanne Raab hat eine Botschaft geschickt. Forscher und Experten treten auf. Peter Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am renommierten King’s College in London, moderiert. Es geht um den Kampf gegen religiösen Extremismus und Terrorismus in Europa – das Thema, das seit den blutigen Anschlägen jüngst in Paris, Leipzig und Wien erneut drängende Aktualität erhalten hat.berichtete die Neue Züricher Wochenzeitung (NZZ) und führte dabei aus, wie sich "die Politik" um Prävention und das Auffangen junger europäischer Muslime in Identitätskrisen sorgt.
«Islamistischer Terrorismus ist nicht nur ein französisches Problem. Wir haben seither Anschläge in ganz Europa gesehen, in Staaten mit ganz unterschiedlichen Integrationsmodellen.» Wie auch die jüngsten Attentate klargemacht hätten, sei ganz Europa, seien Demokratie und Toleranz bedroht.
Der Artikel beleuchtet auch das unterschiedliche Staatskirchenrecht in Frankreich und Deutschland:
In dieser Woche hat (Frankreichs Präsident Emmanuel Macron) verfügt, dass Imame in Frankreich in Zukunft dort ausgebildet und zertifiziert werden müssen. Armin Laschet sieht darin ein stimmiges Konzept in der republikanischen Tradition Frankreichs. In Deutschland allerdings sei die Lage komplizierter. Hier habe die Politik in den vergangenen Jahren versucht, mit dem Islam ein ähnliches Verhältnis zu finden wie mit den christlichen Kirchen in den Konkordaten. Das Ziel dabei: Der Islam müsse sich dadurch von fremden Mächten lossagen und gewissermassen europäischer werden.Ob das wirklich gelingt, kann bezweifelt werden. Auch darauf weist die NZZ hin:
Gelungen ist das nur bedingt, wie auch Laschet einräumt. Allerdings seien inzwischen nicht mehr nur die salafistisch-wahhabitischen arabischen Moscheen in Deutschland das Problem, sondern auch die türkischen, bei denen man mit einer Türkei in laizistisch-kemalistischer Tradition noch gut zusammengearbeitet habe. Unter Recep Tayyip Erdogan habe sich das geändert: «Inzwischen wird türkische Politik in die Moscheen und somit nach Deutschland getragen.»
Angesichts der zunehmenden Rivalität zwischen der Türkei und arabischen Staaten, namentlich Ägypten und Saudi-Arabien, ist eher mit verstärkten politischen Einflußnahme aus den islamischen Staaten zu rechnen. So hat kurz vor der Konferenz der saudische Rat der Religionsgelehrten, die höchste theologische Instanz des Landes, die Muslimbrüder zur "Terroristengruppe" erklärt (Deutsche Welle), die den Politikwissenschaftlerin Madawi al-Rasheed vom Middle East Center der London School of Economics zitiert:
"Die saudische Führung hat sich immer gegen die sozialrevolutionären Tendenzen gestellt, die aus den arabischen Aufständen des Jahres 2011 entstanden. Die Muslimbrüder verbinden Demokratie und Islam. Das hat die Führungsmacht in Riad immer als Herausforderung oder gar Bedrohung ihrer eigenen Legitimation betrachtet. Denn bis heute glaubt die saudische Staatsführung nicht an die Werte der Demokratie."
Sorgen bereiteten der saudischen Staatsführung auch die enge Bindung der Muslimbrüder zur türkischen Regierungspartei AKP. "Die Türkei ist in den letzten Jahren zu einem Hauptkonkurrenten Saudi-Arabiens geworden. Die Rivalität zur Türkei ist teils noch schärfer als die zum Iran. Das hat auch eine ideologische Komponente: Die Türkei ist ein sunnitischer Staat, der Iran hingegen ein schiitischer. Das heißt, die Türkei fordert Saudi-Arabien auch als religiöse Führungsmacht der sunnitischen Welt heraus. Das kann der Iran naturgemäß nicht."
In der Rivalität zwischen der türkischen Religionsbehörde (DITIB), die Imame in die islamischen Gemeinden in Deutschland entsendet, und den von den Saudis finanzierten Moscheen kann die deutsche Politik nur neutral bleiben, wenn - nach französischem Vorbild - die Ausbildung der Imame "verstaatlicht" und damit "entnationalisiert" wird. Mit der Bereitstellung von Lehrstühlen an den Universitäten, wie das für die christlichen Theologen und Kirchenrechtler jetzt schon der Fall ist, wird es nicht getan sein. Und das kann dann nicht ohne Auswirkungen auf das durch Konkordatsvereinbarungen geregelte Verhältnis zu den Kirchen bleiben. Eine zunehmend säkulare Gesellschaft - an der die Kirche mit ihren Skandalen nicht ganz unschuldig ist - wird so manches kirchliche Selbstverständnis hinterfragen. Dazu dürften viele Bereiche aus den sich überschneidenden kirchlichen und staatlichen Rechtskreisen gehören, für die bisher eine kirchlichen Regelungsbefugnis beansprucht wird - von A wie Arbeitsrecht über D wie Datenschutz bis zu R wie Rechtsprechung und S wie Strafrecht werden sich die Kirchen von machen lieb gewordenen Freiheiten verabschieden müssen. Oder soll der Staat zusehen, wenn in islamischen Gemeinden die "Scharia" als Loyalitätspflicht und Verhaltensgrundlage eingeführt wird?
Der Staat bestimmt mit dem "für alle geltenden Gesetz" auch die Grenzen der kirchlichen Freiheiten. Und die kirchliche Befugnis zur Selbstordnung und Selbstverwaltung betrifft nur die eigenen Angelegenheiten, nicht aber die gemeinsamen Fragen, die auch den staatlichen Rechtskreis betreffen. Das hat die katholische Kirche in den Konkordatsverträgen auch anerkannt. Und daran werden sich dann auch die Kirchen wieder gewöhnen müssen.
Da ist es schön, dass sich wenigstens wichtige Religionsführer darin einig sind, dass nur menschliche Brüderlichkeit die Lösung gegen Hass sei.
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