Donnerstag, 26. November 2020

Erstmaliger Streik in Caritas-Pflegeeinrichtungen: ver.di fordert für Beschäftigte der Liebenau Leben im Alter in Baden-Württemberg einen Tarifvertrag auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes

teilte unsere ver.di gestern mit:
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Erstmaliger Streik in Caritas-Pflegeeinrichtungen: ver.di fordert für Beschäftigte der Liebenau Leben im Alter in Baden-Württemberg einen Tarifvertrag auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes

Berlin, 25.11.2020

Bundesweit erstmalig findet heute ein Streik in Pflegeeinrichtungen der katholischen Caritas statt. In Baden-Württemberg traten am frühen Morgen Beschäftigte der Liebenau Leben im Alter gGmbH, einer Tochter der Caritas-Stiftung Liebenau, in den Ausstand. Sie fordern einen Tarifvertrag auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes. "Bei der Liebenau Leben im Alter gGmbH nehmen Beschäftigte erstmals ihr Grundrecht auf Streik wahr. Sie sind nicht länger bereit, die jahrelange Benachteiligung hinzunehmen", erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler anlässlich des Streikbeginns.

Seit Jahren gelten in den 21 Einrichtungen der Liebenau Leben im Alter gGmbH schlechtere Arbeitsbedingungen als im öffentlichen Dienst und in anderen Caritas-Einrichtungen Baden-Württembergs. Der Arbeitgeber verweigerte sich den kirchlichen Regelungen und nun auch dem Abschluss eines Tarifvertrags. Deshalb sind die Beschäftigten gezwungen, sich zu wehren. Etliche traten ver.di bei: Waren 2019 noch lediglich vier Kolleginnen und Kollegen gewerkschaftlich organisiert, sind es mittlerweile rund 240. Lange Zeit erweckte der Arbeitgeber den Eindruck, als sei eine faire Tarifeinigung möglich, doch am 2. November brach er die Verhandlungen plötzlich ab. Zuvor wurde bereits in zehn Runden verhandelt.

"Während der Corona-Pandemie erfahren die Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen landauf, landab hohe Wertschätzung. Und ausgerechnet ein Arbeitgeber mit konfessionellem Hintergrund sucht in dieser Situation die maximale Konfrontation mit seinen rund 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", kritisierte Bühler. "Die Beschäftigten, die sich mit großem Engagement für eine gute Versorgung einsetzen, haben gute Arbeitsbedingungen mehr als verdient. Es ist ein Unding, dass sie in einer solchen Zeit gezwungen sind, für ihre Interessen in den Streik zu treten." Wie bei allen Arbeitskämpfen achte ver.di auch bei der Stiftung Liebenau darauf, dass niemand wegen des Streiks zu Schaden komme.

Bezahlung und Arbeitsbedingungen der rund 1,8 Millionen Beschäftigten von Kirchen, Diakonie und Caritas werden in weiten Teilen nach kircheneigenen Regeln bestimmt. Ein Tarifvertrag bei der Liebenau Leben im Alter gGmbH wäre der bundesweit erste in einer Caritas-Einrichtung. In Teilen der evangelischen Diakonie, zum Beispiel in Niedersachsen, finden hingegen schon länger konstruktive Tarifverhandlungen statt. "Die Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen müssen attraktiver werden. Hierfür tragen auch die Kirchen eine erhebliche Verantwortung", erklärte Bühler.
Quelle: ver.di

Wir möchten hier noch zwischen "caritativ", also selbstlos und ohne Absicht der Gewinnerzielung - oder gewerblich tätig unterscheiden. So wird auch niemand auf den Gedanken kommen, ein großer Autohersteller aus Ingolstadt unterliege dem kirchlichen Arbeitsrecht, selbst wenn das Bistum Eichstätt die Aktienmehrheit bei diesem Autohersteller besitzt. Daher hat etwa der BayVGH schon vor Jahrzehnten das Kloster Andechs (einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, daher war das Betriebsverfassungsgesetz nicht anzuwenden) für seine Klosterbrauerei zu einem Personalrat nach BayPVG verpflichtet.

Auch Krankenhäuser, Pflegeheime u.a. Einrichtungen können gewerblich betrieben werden. Das beweisen die vielen privaten Anbieter und Konzerne "am Markt". Und Prof. Dr. Thüsing hat schon vor Jahren in der Zeitschrift "Kirche & Recht" die Auffassung vertreten, dass jede Einrichtung, die ihre Leistungen "am Markt anbietet", also im Wettbewerb steht, gewerblich tätig sei. Und dementsprechend ist das kirchliche Arbeitsrecht in der Liebenau nicht anzwenden. Und das gilt auch für alle anderen gewerblich tätigen Einrichtungen, selbst wenn diese Mitglieder der Caritas sind, also selbst zur Caritas gehören oder im Eigentum eines Caritas-Mitgliedes stehen. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Entscheidend ist die Art der Tätigkeit - selbstlos und ohne die Absicht der Gewinnerzielung, oder gewerblich.

Präzise ist also, dass die "Liebenau Leben im Alter gGmbH" mit ihren Einrichtungen zwar im Eigentum eines katholischen Trägers (der kirchlichen Stiftung Liebenau) steht - aber weder caritativ noch erzieherisch, sondern gewerblich tätig ist. Und das dürfte für eine Vielzahl sogenannter caritativer Einrichtungen genauso gelten.

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