Mittwoch, 23. März 2016

Bündnis 90/Grüne zum Dritten Weg

Die Grünen haben sich in einem bemerkenswerten Papier, das vergangene Woche veröffentlicht wurde *) auch mit dem sogenannten "Dritten Weg" bei den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden befasst.

Auf Seite 24 wird zunächst das Streikrecht als soziales Grundrecht hochgehalten, "das mit dem Tendenzschutz und dem kirchlichen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht vereinbar ist".
Dann aber wird das Leitbild der "Dienstgemeinschaft" angemahnt und eingefordert und erklärt, die "Wesensmerkmale des 'Dritten Weges', nämlich Parität, Partnerschaft, Gleichberechtigung und Unabhängigkeit" müssten "ernstgenommen werden".
Zum "Leitbild der Dienstgemeinschaft" hat Hermann Lührs das Nötige gesagt **). Und die "Wesensmerkmale des 'Dritten Weges'" klingen zwar gut, aber was hat man von der hochgelobten Parität, wenn man eine 2/3- oder 3/4-Mehrheit braucht? Jürgen Kühling hat zu diesem Thema festgestellt:
"...erfahrungsgemäß ist es am Verhandlungstisch leichter, den status quo zu verteidigen, als Veränderungen gegen die Interessen des Gegenspielers durchzusetzen. Die bestehende Tariflage ist aber durchweg günstiger für die Arbeitgeber als für die Arbeitnehmer. Den Gewerkschaften fällt damit bei Lohnverhandlungen stets die Rolle des Fordernden zu, die Arbeitgeber können sich auf die des Neinsagers zurückziehen. In dieser Situation ist die Arbeitnehmerseite regelmäßig auf Druckmittel angewiesen, um überhaupt etwas zu erreichen."
(Jürgen Kühling, Arbeitskampf in der Diakonie)
Wo sind Gleichberechtigung und Unabhängigkeit, wenn die Dienstgeber bzw. der Caritasverband, der natürlich nicht paritätisch verfaßt, sondern Dienstgeberdominiert ist, jederzeit die Regeln der Arbeitsrechtlichen Kommission ändern kann, wenn ihm die Richtung nicht passt? Und dass die Mitarbeiterseiten der Arbeitsrechtlichen Kommissionen über eine "Gegnerunabhängigkeit" verfügen, behaupten nicht einmal ihre erbittertsten Freunde!
Nein, auf den Dritten Weg müssen auch die Grünen nicht bauen. Er separiert nur die Beschäftigten in den kirchlichen Wohlfahrtsverbände mit ihren Sonderwegen von denjenigen, welche die Tarifverbesserungen regelmäßig durchsetzen. (Von denen dann Caritas und Diakonie profitieren, weil diese Tarifverbesserungen die einzige und unverzichtbare Grundlage für ihre angeblich eigenen Wege dienen.)
Wem Lührs jetzt zu evangelisch ist: auch bei beim katholischen Sozialethiker, Prof. Friedhelm Hengsbach SJ, liest es sich nicht anders:

"Religiöse Gründe für das Sonderverfahren des Dritten Wegs und ein Verdikt des Tarifvertrags sind nicht überzeugend. Deshalb sehe ich in der so genannten ‚Dienstgemeinschaft’keinen kreativen Gegenentwurf zu den solidarischen Verfahren friedlicher Konfliktregelung, die in demokratischen Gesellschaften erkämpft worden sind. Erst recht nicht, wenn diese dazu missbraucht wird, kirchlichen Mitarbeitern Rechte vorzuenthalten, die ihre Kollegen in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst haben. Die Arbeitgeberin Kirche sollte als echte Tarifpartnerin den parasitären, finanziell relativ aufwendigen Sonderweg verlassen." (Friedhelm Hengsbach, Kirche im Kapitalismus)

*) siehe unseren Wochenrückblick vom Sonntag

**) z.B.
Hermann Lührs, Die Zukunft der Arbeitsrechtlichen Kommissionen, Tübingen 2009, S.115ff;
bzw siehe auch unsere Blogbeiträge:
- "Der Dritte Weg als Fussballspiel"
- "Die Auseinandersetzung um den "Dritten Weg" im Kontext des Marktes für Soziale Arbeit"
- "Dienstgemeinschaft - Idee und Wirklichkeit"
- "Dienstgemeinschaft verlangt Tarifverträge"

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