Wir erinnern an ihn, weil er einer der wenigen verbliebenen SPD-Politiker bzw. Politiker überhaupt war, dem der Einfluss der katholischen Soziallehre auf die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen noch präsent war und der die Kritik Nell-Breunings am 3. Weg der Kirchen noch nicht vergessen hatte.
Der Beschluss des SPD-Parteikonvents vom 24. November 2012 trägt unverkennbar seine Handschrift; dieser Beschluss geht auf die SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen zurück, deren Vorsitzender Ottmar Schreiner lange Jahre war.
Arbeitnehmerrechte sind nicht teilbar
Die SPD respektiert das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften undweltanschaulichen Vereinigungen, das sich aus Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung ergibt.Die politisch gewollte Wettbewerbsorientierung im Bereich der sozialen Dienstleistungen hat aber dazu geführt, dass sich kirchliche Unternehmen wie gewöhnliche Unternehmen im Markt verhalten. Die Aushandlung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung muss daher auch bei Diakonie und Caritas auf gleicher Augenhöhe zwischen Arbeitgeberseite undArbeitnehmerseite erfolgen. Aus dem Sonderstatus der Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Bereich darf keine Wettbewerbsverzerrung entstehen.
Das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften und damit auch der Kirchen und ihrer Einrichtungen in Caritas und Diakonie findet seine Schranken in den Grundrechten. Soweit die Kirchen und ihre Einrichtungen in Caritas und Diakonie Arbeitgeber sind, muss die Grenze ihres Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts als Arbeitgeber deshalb von den Grundrechten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer her bestimmt werden und nicht umgekehrt.Gleiche Arbeitnehmerrechte für Beschäftigte bei Kirchen sind vereinbar mit dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht. Gleiche Arbeitnehmerrechte sind ein Gebot der Demokratie in der Arbeitswelt. Das Streikrecht ist elementares Grundrecht aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und muss auch im kirchlichen Bereich gelten.
Tarifverträge zu verhandeln und frei in der Wahl der Mittel zu ihrer Durchsetzung zu sein, sind also mit dem so genannten Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht vereinbar.
(Quelle: Beschlüsse des 2. Parteikonvents der SPD 2012 am 24. November 2012, S.13)
Immer noch lesenswert ist Ottmar Schreiners Referat am 5. März 2012 auf der Eichstätter Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht Das kirchliche Arbeitsrecht in der politischen Bewertung.
Es endet mit:
Wer den Kirchen gut will, der kann ihnen nur anraten, einen das eigene Selbstverständnis bedrohenden Dauerkonflikt mit erheblichen Teilen der eigenen Belegschaften und ihrer Vertretungen abzuwenden. Das heißt dann aber auch, der in Sonntagsreden immer wieder betonten Bedeutung von Gewerkschaften auch praktische Konsequenzen folgen zu lassen. Warum sollte all dies sich um Himmels Willen nicht mit einer christlich inspirierten Unternehmenskultur vertragen können? Eine letzte Stimme sei noch zitiert: „Die modernen Gewerkschaften sind aus dem Kampf der Arbeitnehmer, der Arbeiterschaft und vor allem der Industriearbeiter, für den Schutz ihrer legitimen Rechte gegenüber den Unternehmern und den Besitzern der Produktionsmittel entstanden. Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der existentiellen Interessen der Arbeitnehmer in allen Bereichen, wo ihre Rechte berührt werden. Die historische Erfahrung lehrt, dass Organisationen dieser Art ein unentbehrliches Element des sozialen Lebensdarstellen. Das bedeutet freilich nicht, dass nur Industriearbeiter Vereinigungen dieser Art errichten können. Die Angehörigen aller Berufe können sich ihrer zur Sicherung der jeweiligen Rechte bedienen“. (Papst Johannes Paul II.: Enzyklika Laborem Exercens; 1981)
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