Viele bemerkten gar nicht, dass sie ihre Macht missbrauchten - andere nähmen nicht war, dass sie von Machtmissbrauch betroffen seien, schilderte der Bamberger Erzbischof eine Schwierigkeit bei der Thematik.
Wir möchten diese Reihe heute mit dem Hinweis auf ein Interview mit dem Jesuiten Stefan Kiechle anlässlich einer Online-Tagung zum Thema Machtmissbrauch fortsetzen. Der spricht im katholisch.de-Interview über Präventionsmaßnahmen – und erklärt, warum das Thema erst jetzt in den Fokus rückt.
...(Kiechle ist ehemaliger Provinzial der Deutschen Ordensprovinz und Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Er beschäftigt sich besonders seit der Aufdeckung des kirchlichen Missbrauchsskandals vor rund zehn Jahren mit der Verbindung zwischen Macht und Missbrauch; Quelle
Kiechle: In dieser "Männergesellschaft", einem durchaus männerbündischen Miteinander, gibt es Hierarchien.
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Als vor gut zehn Jahren der Missbrauch von Minderjährigen bekannt wurde, war den meisten, die sich damit befasst haben, klar, dass das etwas mit Macht und deren Missbrauch zu tun hat. Deshalb hat man begonnen, sich intensiv auch mit dem Thema Macht zu beschäftigen. Später kam dann die Frage nach dem Missbrauch geistlicher Macht dazu. Und nach und nach zeigt sich, dass eben nicht nur Minderjährige, sondern auch erwachsene Frauen und Männer von Machtmissbrauch betroffen sind.
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Männer sieht man eher als diejenigen, die Führungsaufgaben haben und Macht ausüben – und damit eher in der Täterrolle. Dabei vergisst man aber jene, die keine Macht haben und daher leicht Opfer von Missbrauch werden können.
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Frage: Wo beginnt Machtmissbrauch ...?
Kiechle: In Gemeinschaften mit einem Gehorsamsgelübde kann er beginnen, also in Konventen oder geistlichen Gemeinschaften: Obere können dieses dazu nutzen, andere Männer zu manipulieren oder sie zu etwas drängen, was diese selbst nicht wollen. Ähnliches gilt für fast alle anderen kirchlichen Einrichtungen. Oft fängt Missbrauch ganz subtil und in kleinem Maß an. Und dann kann er sich ausweiten.
Frage: Zu welchen Formen kann es sich steigern?
Kiechle: Eine Form ist, psychische Abhängigkeit zu schaffen. Oder ein Vorgesetzter verteilt Privilegien – und um diese zu bekommen, muss man sich einschmeicheln oder sich unterwerfen und anpassen.
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Aber wenn Sie nach strukturellen Ursachen fragen: Es gibt wenig Machttransparenz und wenig Machtkontrolle in der Kirche – und das in einem sehr patriarchalischen und hierarchischen System. Wer schaut bei Führungskräften hin, wie sie agieren? Wo gibt es da wirkliche Überprüfungen – das Kirchenrecht sieht Visitationen vor? Wie ernst werden diese genommen? Gibt es Beschwerdestellen, eine unabhängige Justiz? Im Sinne von Machtkontrolle oder Machtpartizipation kann strukturell sicher einiges verbessert werden. Aber es kommt natürlich auch auf das persönliche Verhalten an. Angefragt ist etwa die Ausbildung in Priesterseminaren, in Ordenshäusern, in der Seelsorge: dass die nächste Generation sensibler wird für das Thema und bei sich selbst oder anderen Fehlverhalten wahrnimmt und dagegen angeht.
Frage: Wo kann man noch ansetzen, um Formen des Machtmissbrauchs zu verhindern?
Kiechle: Das wichtigste wäre, besser über diese Themen sprechen zu lernen. Das gilt für alle Formen von Missbrauch. Wir müssen eine andere Sprachkultur entwickeln und einüben. Danach kommen natürlich Dinge wie entsprechende Ausbildung und Prävention. Aber gerade bei Führungskräften muss es Kontrolle und Machtteilung geben, damit es auch eine soziale Kontrolle gibt.
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Ein Schelm, wer in der Praxis des Arbeitsrechts nicht immer wieder auch auf solche Ausformungen der "Dienstgemeinschaft" zu treffen meint. Da werden etwa Fortbildungen, Kurse und Studien nach Wohlverhalten anerkannt - oder eben nicht, ganz subtil.
Es lohnt sich zumindest, darüber nachzudenken.
Literaturhinweis zum Thema:
Christiane Florin "Trotzdem! Wie ich versuche, katholisch zu bleiben"
... es gehe um die Zukunftstauglichkeit der Kirche, um das Verhältnis zwischen den Hirten und den Schafen, um echte Mitbestimmung statt "Partizipationssimulation", um ein Weiterkämpfen, statt in Zynismus abzurutschen.Link zum Buch
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