Mittwoch, 8. November 2017

Marburger Bund übt heftige Kritik am "Dritten Weg" der Kirchen

Auf der 132. Hauptversammlung am 03./04.11.2017 in Berlin hat der Marburger Bund in den Beschlüssen Nr. 30 ff heftige Kritik am "Dritten Weg" geübt. Im Internet sind die Beschlüsse wie folgt dokumentiert:
Der Marburger Bund verwahrt sich gegen das offensichtlich beim Deutschen Caritasverband (DCV) vorherrschende Verständnis, die Mitwirkung des Marburger Bundes in der Arbeitsrechtlichen Kommission des DCV stelle einen Beleg für die Funktionsfähigkeit der Arbeitsrechtsregelung auf dem sogenannten Dritten Weg dar.

Anhand der bisher gewonnen Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Arbeitsrechtlichen Kommission lässt sich nicht erkennen, dass das vom DCV installierte System der gewerkschaftlichen Beteiligung auch nur annähernd ausreichend ist, den vom Bundesarbeitsgericht statuierten Voraussetzungen zu genügen.

Der Marburger Bund bekräftigt daher seine Ansicht, dass der vom DCV unternommene Versuch, durch die Einbindung von Gewerkschaften in der Arbeitsrechtlichen Kommission das Streikrecht der Beschäftigten zu beschränken bzw. auszuschließen, nicht geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Der Marburger Bund erinnert den DCV zudem daran, dass es nicht den konfessionellen Arbeitgebern und ihren Verbänden zusteht, grundlegende Arbeitnehmerrechte zu gewähren; vielmehr ist es ihre Aufgabe, diese Rechte gerade wegen des staatlich zugestandenen Privilegs, die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten selbständig zu regeln, wirkungsgleich zu gewährleisten. Lässt die Konstruktion der kollektiven Arbeitsrechtsfindung aber gerade diese Gewährleistung nicht zu, kommt eben auch ein Ausschluss grundlegender Arbeitnehmerrechte – wie etwa des Streikrechts – nicht in Betracht.

Weiter wurde beschlossen:
Der Marburger Bund erinnert an seine Beschlüsse aus den vergangenen Jahren: auch kirchliche Arbeitgeber müssen das weltliche Arbeitsrecht anerkennen und sich ohne Einschränkung den für alle übrigen Arbeitgeber in Deutschland geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen stellen.

Das bedeutet insbesondere, dass auch im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts eine konfliktive Auseinandersetzung der Arbeitnehmerseite mit den Arbeitgebern als Ultima Ratio möglich sein muss. Nur auf der Grundlage solcher Rahmenbedingungen gefundenes kollektives Arbeitsrecht ist in der Lage, einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu erreichen.

Die Arbeitsrechtssetzung der Jahre 2016/2017 zeigt in eindrucksvoller Weise, dass die kirchenrechtlichen Vorschriften in Caritas und Diakonie nicht in der Lage sind, zeitgemäße und sachgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen.
• Die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes hat sich wegen der erfolgreichen Blockadehaltung der Arbeitgeber bis heute nicht auf eine zeit- und wirkungsgleiche Übernahme der Rahmenvorgaben aus der letzten Tarifeinigung mit der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände einigen können. Daran ändert auch nichts, dass einzelne Regionalkommissionen durch ihre Beschlüsse wenigstens für einen gewissen finanziellen Ausgleich gesorgt haben.
• Die Arbeitgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland hat durch Nutzung sämtlicher sie begünstigenden Formalvorschriften und unter Einbeziehung eines von der kircheneigenen Gerichtsbarkeit eingesetzten "Schlichters" eine weit unter-durchschnittliche Gehaltsanpassung nach ihren eigenen Vorstellungen festgelegt.
• Caritas und Diakonie belasten ihre Mitarbeiter mit weit über den üblichen Tarifbedingungen liegenden Eigenanteilen zur zusätzlichen Altersversorgung.
All dies hätte bei einem wenigstens annähernden Verhandlungsgleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verhindert werden können. Wer der Arbeitnehmerseite die kollektive Durchsetzung ihrer Interessen – auch durch einen Arbeitskampf – nimmt, degradiert sie zum kollektiven Betteln.
und
Der Marburger Bund fordert die Gesetzgeber von Bund und Ländern auf, die Finanzierungsbedingungen der Krankenhäuser dahingehend zu korrigieren, dass Träger, welche mit den von ihnen verwendeten Arbeitsbedingungen das übliche Tarifniveau des öffentlichen Dienstes unterschreiten, nicht die gleichen Refinanzierungsbedingungen vorfinden wie tariftreue Arbeitgeber.

Bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern, wie insbesondere die Krankenhausträger von Caritas und Diakonie, müssen die Pauschalen bei der Refinanzierung der Betriebskosten und der Investitionsförderung - bis zu einem von diesen zu führenden, entsprechenden Nachweis identischer, wertgleicher Arbeitsbedingungen – mit Abschlägen versehen werden.

Solange es keine Tariftreue bei konfessionellen Krankenhausträgern gibt, verschaffen sich diese durch das Unterschreiten des allgemeinen Tarifniveaus wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Anwendern von Tarifverträgen.
Quelle: https://www.marburger-bund.de/sites/default/files/dateien/seiten/132-marburger-bund-hauptversammlung/132-hv-beschluesse.pdf

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