Sonntag, 22. November 2015

Wochenrückblick zu Christkönig - mal innerkirchlich geprägt

nein, wir gehen heute nicht auf den Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom ein, der diese zum Jahrestag des "Katakombenpakts" an die Gräber der Apostel Petrus und Paulus geführt hat. Diesen Beitrag haben wir für den 8. Dezember vorgesehen - um dann auch einen weiteren Kontext anzusprechen.
Heute widmen wir uns einem rein deutschen Thema:
Im Streit um die innerkirchliche Meinungsfreiheit hat das höchste kirchliche Arbeitsgericht in Deutschland zugunsten der Rechte der Mitarbeitervertretungen entschieden.

Die Mitarbeitervertretung hatte im März 2014 in einer Pressemitteilung einen Text veröffentlicht, in dem Sparmaßnahmen der Bistumsleitung kritisiert wurden. Dies verstieß nach Ansicht der Richter weder in Form noch Inhalt gegen das Loyalitätsgebot. Daher sei das Revisionsbegehren des Bistums auch in der zweiten und letzten Instanz der kirchlichen Arbeitsgerichtsbarkeit zurückzuweisen (Az. M 13/2014 *]). Kritik in sachlicher Form und in den genannten Grenzen bedeute demnach keinen Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit
.
(Quelle: katholisch.de)

Wir sind erstaunt, dass ein Verhalten, die sowohl in der öffentlichen Verwaltung wie - erst recht - in der Privatwirtschaft längst als wichtig anerkannt ist (die für Führungsetagen manchmal unbequeme Sozialpartnerschaft dient dem sozialen Frieden und ist ein Standortvorteil für den Standort Deutschland), im Kirchenbereich nochmals über zwei Gerichtsinstanzen (!) hinterfragt wird.

Ein Blick in Can. 212 § 3 des CIC hätte schon für die Erkenntnis genügen müssen, dass allenfalls die Frage nach dem "warum" zu stellen wäre. Und genau diese Fragen wollen wir hier einmal in den Raum stellen:
= Warum dieser Schritt einer Presseerklärung?
= War da keine andere Form der Kommunikation mehr möglich?
= Waren da die Vorgaben der Weltkirche nicht ausreichend umgesetzt (vgl. Can 1286 1° CIC i.V. mit "Mater et Magistra, 82 ff")?

Das Ideal eines ehrlichen und fairen Umgangs ist das Ergebnis eines ernsthaften Dialogs auf Augenhöhe, eines Dialogs, der den jeweiligen Partner an- und ernst nimmt, auch in der Kritik. Denn ehrliche Kritik zeigt vielfach auch Fehler und Mängel - und wenn diese nur in der mangelnden Kommunikation einer Entscheidung liegen. Es lässt sich nicht durch ein Gericht erzwingen.
Das Ideal einer kirchlichen Dienst- und Werkgemeinschaft wird nicht erreicht, indem kritische Äußerungen mit dem Knüppel der Gerichtsbarkeit geahndet werden, oder Gewerkschaften (entgegen den Vorgaben der Weltkirche - vgl. Can 1286 1° CIC i.V. mit beispielsweise "Mater et Magistra, 97") auf möglichst große Distanz gehalten werden (das wäre in der Tat eine unmittelbare Fortsetzung der Ideologie aus den dunklen Jahren).

Ist eine fortschreitende Institutionalisierung der Kirche, die Schaffung immer neuer Strukturen, die sich mit solchen Streitfragen befassen müssen, die also anscheinend dazu missbraucht werden, Mitarbeiterertretungen zu disziplinieren, wirklich ein Ausgleich für die Erosion des katholischen Glaubens in Deutschland?

Und wir sind noch mehr erstaunt über das Medienecho, dass eine an sich selbstverständliche Entscheidung offenbar verursacht. Sind solche Fragen wirklich die Hauptprobleme, die unsere Kirche in Deutschland belasten? Gibt es nicht andere Fragen, die auf den Nägeln brennen und vordringlich gelöst werden müssten?

Heute ist der Christkönigssonntag. Viele Kirchen - auch die meiner Heimatpfarrei - tragen diesen Namen aus einem besonderen Grund. Sie erinnern daran, dass sich die katholischen Jugendlichen unter diesem Banner auch im Widerstand gegen den Führerkult gesammelt haben. "Es gibt nur einen Führer" - und nicht den Führerkult, der durch viele Unterführer bis hinein in die kleinsten Betriebe und Dienststellen eine autokratische Kette von "Befehl und Gehorsam" errichtete, und in der die Vertretungen der Mitarbeiter beauftragt waren, die "Diensterfüllung" ... "unter Zurückstellung eigennütziger Interessen" zu gewährleisten.
Wir zitieren aus dem hier schon einmal verlinkten Blogbeitrag "Dienstgemeinschaft – Idee und Wirklichkeit":
...
"Jedes Mitglied des Vertrauensrates hat die Pflicht, die natürlichen Interessengegensätze innerhalb des Betriebes in ihrer Schärfe abzumildern, jedes Misstrauen zu beseitigen und Verständnis für die Entscheidungen des Betriebsführers innerhalb der Gefolgschaft zu wecken. Auch der Führer des Betriebes hat nur den Betrieb zu fördern und Sonderinteressen zurück zu stellen. Bei seinen Entscheidungen darf er das Wohl der Betriebsgemeinschaft nicht vergessen. ..."
(Klarstellung des Treuhänders Berlin-Brandenburg zu der den Vertrauensräten zugedachten Rolle vom Juli 1935).
Unter dieser - und nur unter dieser - Prämisse, gewinnt die bis vor den kirchlichen Arbeitsgerichtshof vorangetriebene Frage eine inhaltliche Konsistenz. Nur wer in dieser Erwartungshaltung verhaftet ist, kann öffentliche Kritik als so unbotmäßig betrachten, dass sie als rechtswidrig bezeichnet werden und vor Gericht angegriffen werden könnte.
Unsere Gesellschaft hat sich - Gott sei Dank - weiter entwickelt. Und in dieser Weiterentwicklung liegt auch die Zukunft unserer Kirche, nicht in der Disziplinierung von Mitarbeitervertretungen aufgrund kritischer Äußerungen.


*] Das Urteil gibt es hier:
20.11.2015, zu Az.: M 13/14

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