Die neue AK-Ordnung: "Wegmarke für die Zukunft" oder ein "Schuß in den Ofen"?einige Ausführungen gemacht, um die Erfordernis einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den kirchlichen Arbeitgebern und den Gewerkschaften zu begründen. Denn nur dadurch - und nicht durch innerkirchliche Rechtsetzungsakte - kann eine Gewerkschaft auch verpflichtet werden.
Tatsächlich hat mein Hinweis (auch) zu Kommentaren im Blog geführt. Ich möchte daher meine Ausführungen nochmals ergänzen.
Wie nötig dieser Hinweis war, zeigt nicht nur das am letzten Mittwoch wiedergegebene Zitat "NEUE CARITAS 19/2015 von S. 22 (23)".
Ein kurzer Blick zurück als Ergänzung:
anlässlich der Auseinandersetzungen im Sozial- und Erziehungsdienst hat das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg am 11.05. 2015 ein Rundschreiben herausgegeben, in der ausdrücklich Sympathie- und Unterstützungsmaßnahmen für Arbeitskampfmaßnahmen während der Dienstzeit oder in dienstlichem Zusammenhang als "mit den Prinzipien des Dritten Weges nicht vereinbar und daher unzulässig" bezeichnet wurden (vgl. z.B. ZMV 4/2015 S. 207 unter Bezug auf das Internet, www.erzbistum-freiburg.de).
Tatsächlich sind Arbeitskampfmaßnahmen in kirchlichen Kindertagesstätten weitgehend unterblieben - aber nicht, weil diese "nach selbst gesetztem kirchlichem Recht" unzulässig sein sollen, sondern weil die Gewerkschaften weitgehend darauf verzichtet haben, die kirchlichen KiTAs in die kämpferischen Auseinandersetzung einzubeziehen. In Bayern - da habe ich näheren Einblick - sind die Aufrufe um Unterstützung sogar ausdrücklich mit dem Zusatz "dies ist kein Streikaufruf" versehen worden.
Es ist auch schlicht falsch, wenn Freiburg auf seiner Internetpräsenz ausführt:
Das Grundgesetz räumt den Kirchen das Recht ein, ihre Angelegenheiten und somit auch das Arbeitsrecht selbst zu regeln (kirchliches Selbstbestimmungsrecht). Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse erfolgt dies über den sogenannten „Dritten Weg“.(erneut auch hier "klick")
Das Grundgesetz räumt den Kirchen das Recht ein, ihre Angelegenheiten und somit auch das Arbeitsrecht selbst zu regeln („Dritter Weg“). Die Arbeitsrechtsregelungen kommen also nicht durch den Abschluss von Tarifverträgen zustande, sondern durch paritätisch besetzte Kommissionen.Ein solches Recht besteht nicht. Das wird schon aus dem Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 -- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 -- deutlich. Das höchste deutsche Gericht führt darin aus:
1. Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gewährleistet den Kirchen, darüber zu befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welchen Rechtsformen sie wahrzunehmen sind. Die Kirchen können sich dabei auch der Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet das staatliche Arbeitsrecht AnwendungDas ist mitnichten eine Befreiung vom staatlichen Arbeitsrecht. Das Gegenteil ist der Fall.
Und das Tarifvertragsgesetz - die nach den Wirren des "Dritten Reiches" im April 1949 neu geschaffene Rechtsgrundlage für Tarifverträge - nimmt die Kirchen auch nicht ausdrücklich aus. Es gilt genauso wie für jeden anderen Arbeitgeber auch für die Kirchen. Allerdings verpflichtet dieses Gesetz nicht, sondern es ermächtigt. Es ist ein Angebot - das auch für die Kirchen gilt.
Regelungen mit "Tarifvertragsqualität" können nur auf der Basis dieses Gesetzes und nur mit den Gewerkschaften geschaffen werden. Die Kirchen können allerdings - wie jeder andere Arbeitgeber auch - "Allgemeine Geschäftsbedingungen" in ihren Arbeitsverträgen zugrunde legen. Genau das erfolgt im "Dritten Weg". Die so zustande gekommenen Regelungen sind nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur "Allgemeine Geschäftsbedingungen", nicht mehr (z.B. BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 – 6 AZR 160/05 – NZA 2006, 872; Urteil vom 22.07.2010 – 6 AZR 847/07 – NZA 2011, 634; vgl. BAG Urteil vom 22. Februar 2012, Aktenzeichen 4 AZR 24/10)
Und der verfassungsrechtlich verankerte Schutz der Koalitionsfreiheit erlaubt den Gewerkschaften, für das Ziel "Abschluss von Tarifverträgen" auch Arbeitskampfmaßnahmen einzusetzen. Ein Recht, das im Übrigen auch durch die katholische Soziallehre und im Katechismus (Nr. 2435) auch für Katholiken ausdrücklich zugestanden wird. Nichts anderes gilt in unserem staatlichen Arbeitskampfrecht (BAG, Urteil vom 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 -).
Und auch Tarifverträge sind nicht "des Teufels". Das kann man z.B. auch in der Sozialenzyklika "Mater et Magistra, 97" nachlesen. Spätestens seit dem 15. Mai 1961 steht die Verweigerung von Tarifverträgen also im Gegensatz zum päpstlichen Lehramt. Das ist aber nach can. 1286 CIC auch für kirchliche Vermögensverwalter zwingend zu beachten.
Wenn es also um eine kirchliche Ausprägung des Arbeitsrechts geht, dann ist das zwangsläufig auch aus kirchenrechtlichen Gründen - und weil das Kirchenrecht auf theologischer Grundlage aufbaut, auch aus theologischer Sicht - nur mit und nicht gegen die Gewerkschaften, und zwar in einem partnerschaftlichen Verhältnis, möglich. Und das ist dann auch eine Sache der Glaubwürdigkeit.
Im Kommentar im Blog hat Herr oder Frau "Hermann" auf eine alternative (und vor dem Hintergrund sowohl der Entscheidungen des BAG und des BVerfG wie auch des weltweit geltenden Kirchenrechts einzig mögliche) Interpretation von Art. 7 Abs. 2 S. 2 Grundordnung verwiesen. Darauf sollten wir uns verständigen können.
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