Grundlage der Meldung war eine Umfrage der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht und Kirche" an der sich 3000 Beschäftigte von Kirche, Diakonie und Caritas beteiligt hatten. Die Ergebnisse wurden auf der Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht Ende der vergangenen Woche vorgestellt:
Kirchliche Sozialarbeit führt zu Altersarmut- vor allem für Frauen
Das zeigt eine von der Fachzeitschrift Arbeitsrecht und Kirche durchgeführte Befragung unter 3.000 kirchlichen Arbeitnehmern auf. Rund 35% der Befragten rechnen mit einer Rente von weniger als 1.200 EUR, etwa die Hälfte davon sogar unter 1.000 EUR. Hochgerechnet auf die 1,2 Mio. Beschäftigten in Kirche, Diakonie und Caritas werden später rund 400.000 Menschen an der Armutsgrenze leben. Jede fünfte Befragte hatte keine Vorstellung über die Höhe der zu erwartenden Rente. Dies spricht dafür, dass die Zahl der Altersarmen noch höher liegen wird.
Eine Ursache ist der mit 42% hohe Anteil von Teilzeitbeschäftigten (weniger als 35 Stunden Arbeitszeit pro Woche). Zweidrittel der Teilzeitarbeitnehmer sind Frauen. Deren Teilzeitbeschäftigung ist weniger eine Folge der familiären Sorgearbeit: vom Arbeitgeber vorgegebene Teilzeitbeschäftigung trifft zu 72% Frauen.
Auch von Befristungen sind Frauen besonders betroffen. Zwar ist die Befristungsquote mit 9% im Verhältnis zu anderen Branchen niedrig, jedoch sind 66% der befristet Beschäftigten Frauen.
Auch jüngere Arbeitnehmer trifft das Befristungsrisiko überproportionaL ln der Altersgruppe bis 34 Jahre ist jeder Vierte nur befristet beschäftigt. Jüngere Arbeitnehmer sind auch die Rentenverlierer: ln der Altersgruppe bis 44 Jahre rechnet fast jeder zweite mit einer Rente von weniger als 1.200 EUR.
Da hilft es wenig, dass die Mehrzahl der Befragten die Arbeitsbedingungen als gut bis erträglich bezeichnet. Denn die Arbeitsbelastung wird überwiegend als stark bis sehr stark angegeben,so dass rund X der Befragten über einen Wechsel des Arbeitgebers nachdenken oder einen solchen anstreben. Die Arbeitsbelastung findet ihren Niederschlag auch in dem Umstand, dass rund 24% der Befragten davon ausgehen,dass sie aus gesundheitlichen Gründen die Altersrente wahrscheinlich nicht erreichen werden, knapp 10% schlossen dies sogar aus.
Im Vergleich der einzelnen Hilfefelder schneidet die Altenhilfe am schlechtesten ab: Mehr als die Hälfte der Befragten arbeiten in Teilzeit. Die Befristungsquote liegt hier am höchsten, wobei für weniger als X der Befristungen ein Sachgrund gern. § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt.
Während die Inanspruchnahme für Mehrarbeit bzw. Überstunden insgesamt erträglich ist, explodiert sie im Bereich der Altenhilfe. Kaum jemand hat keine Mehr- oder Überarbeit geleistet. Aber rund 25% der Befragten haben mehr als 100 Stunden zusätzlich aufgebaut.
Als Skandal bezeichnet der Redakteur von Arbeitsrecht und Kirche, der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht Bernhard Baumann-Czichon, den Umstand, dass 57% aller Befristungen ohne Sachgrund erfolgen: Hier wird ein arbeitsmarktpolitisches Instrument missbraucht, dessen Unwirksamkeit längst belegt ist. Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne Vorliegen eines sachlich rechtfertigenden Grundes ist mit dem kirchlichen Verständnis vom "gerechten Lohn" nicht vereinbar. Schon in der Entscheidung des Kirchengerichtshofs der EKD zum Verbot ersetzender Leiharbeit aus dem Jahre 2006 hat der KGH deutlich gemacht, dass das Leitbild der "Dienstgemeinschaft" keine Einbahnstraße ist,sondern die Kirche auch gegenüber den Beschäftigten verpflichtet. Diese Verpflichtung wird hier mit Füßen getreten.
Die beiden Kirchen mit ihrer Diakonie und Caritas haben es nicht vermocht, denjenigen,die für sie beruflich den "Dienst am Nächsten" verrichten, eine wenigstens auskömmliche wirtschaftliche Existenzgrundlage zu verschaffen. Ein wesentlicher Teil der Arbeitnehmer in Kirche, Diakonie und Caritas wird im Alter auf die Armutshilfen ihrer heutigen Arbeitgeber angewiesen sein.
Quelle: Pressemitteilung Arbeitsrecht und Kirche
Unser Fazit: Wenn es darum geht, Beschäftigten die Rechte vorzuenthalten, die weltliche Arbeitnehmer in Anspruch nehmen können (z.B, BetrVG..), sind die kirchlichen Arbeitgeber gerne etwas Besonderes, wenn es aber darum geht rechtliche Möglichkeiten gegen die Beschäftigten zu nutzen, verhält man sich nicht anders wie andere weltliche Arbeitgeber auch.
Woher hat das Domradio seine Angaben über die Teilnehmer aus Caritas und Diakonie, evangelischer und katholischer Kirche? In der Pressemitteilung Arbeitsrecht und Kirche finde ich darüber nichts.
AntwortenLöschenUnd in Bayern dürften die Angaben über die befristeten Einstellungen deutlich höher liegen, weil in vielen Kindergärten aufgrund der staatlichen Personalkostenförderung nach "Buchungszeiten" nur noch befristete Verträge mit den Kindergärtnerinnen abgeschlossen werden. Da der Pfarrer nicht weiß, wie die Eltern im nächsten Jahr buchen, sitzen die Beschäftigten jedes Jahr wieder auf gepackten "Teilzeit-"Koffern und erwarten einen neuen Arbeitsvertrag mit anderen Stunden - mehr oder weniger.
In der Pressemitteilung ist von "kirchlichen Arbeitnehmern" die Rede und von Mitarbeitern aus den Kirchen, aus Caritas und Diakonie. Die Ergebnisse wurden bei der Kasseler Fachtagung im November vorgestellt. Tatsächlich haben sich - wenn auch deutlich weniger als aus der evangelischen Kirche und der Diakonie - auch Mitarbeiter der katholischen Kirche und ihrer Caritas an der Umfrage beteiligt. Den Verdacht gegenüber den bayerischen Kindergärten halten wir für berechtigt. Der Redaktion sind aus eigener Erfahrung zahlreiche Caritas-Einrichtungen (nicht nur im Kita-Bereich) bekannt, die grundsätzlich nur sachgrundlos befristet einstellen. Die Praxis der Dienstgeber wird erfahrungsgemäß weniger von ethischen Grundsätzen bestimmt, sondern vielmehr davon, was der Markt erlaubt. Knappes Personal kriegt man nicht, wenn man befristet ausschreibt. Wo es genügend Bewerber gibt, nutzt man diese bundesdeutsche "hire-&-fire"-Variante. Und den Protest dagegen überlassen die katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kirchlichen Richtern (z.B. auf Fachtagungen in Eichstätt). In den MAVen und 3.-Wegs-Kommissionen ist allerdings der Anteil der sachgrundlos befristet Beschäftigten auch außerordentlich gering...
Löschenund woher kommen die Prozentangaben des Domradio?
AntwortenLöschenWir sind jetzt nicht das Domradio, das über seine Quellen Auskunft geben könnte; wir vermuten aber, dass der Pressemitteilung von AuK auch die bislang nicht veröffentlichte differenzierte Darstellung der Ergebnisse beilag. Bernhard Baumann-Czichon hat diese Ergebnisse auf der Kasseler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsgericht vorgestellt und verteilt.
AntwortenLöschenSeit dem 26.11.2015, promulgiert - also kirchenrechtlich in Kraft gesetzt - am 15.01.2016 gibt es zu oben ausgeführtem eine Ausnahme:
AntwortenLöschenNr. 380 Beschluss der KODA vom 26. November
2015: § 3 AVO – Anstellung, Schriftform
§ 3 AVO wird um einen neuen Absatz 3 mit folgendem
Wortlaut ergänzt:
(3) Arbeitsverträge sind in der Regel unbefristet
abzuschließen. Befristete Arbeitsverhältnisse
mit sachlichen Gründen sind nach Maßgabe
des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG)
sowie anderer gesetzlicher Vorschriften über
die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig.
Die Befristung ohne sachlichen Grund ist
grundsätzlich ausgeschlossen. Sie ist zulässig,
sofern ethische Gründe für eine sachgrundlose
Befristung vorliegen, die in Abwägung mit
den Prinzipien der katholischen Soziallehre eine
sachgrundlose Befristung rechtfertigen.
Die Änderung tritt zum 1. Januar 2016 in Kraft
Limburg, 15. Januar 2016 + Weihbischof Manfred Grothe
Az.: 565AH/40931/15/02/7 Apostolischer Administrator
mitgeteilt vom Vorsitzenden der KODA, Johannes Müller-Rörig