Wenn geltend gemacht
wird, ein Arbeitskampf lasse sich schlecht mit den Prinzipien christlicher
Nächstenliebe und Versöhnung vereinbaren, so ist dem entgegenzuhalten, dass
Unversöhnlichkeit und Lieblosigkeit in dem Lohnkonflikt begründet sind, der zum
Arbeitskampf führt. Die Arbeitnehmer sind in diesem Konflikt strukturell
unterlegen und greifen zu Arbeitskampfmaßnahmen, weil sie nur auf diesem Wege
eine gleich starke Verhandlungsposition erlangen können. Verwehrt ihnen der
strukturell überlegene Arbeitgeber diesen Ausweg, dann nimmt er ihnen die
Chance auf einen fairen Abschluss. Hierfür das Prinzip der Nächstenliebe zu
bemühen, mag weltlicher Kritik entzogen sein. Bei der Gewichtung dieses Aspekts
bleibt aber zu berücksichtigen, dass auch die Arbeitgeberseite Nächstenliebe
und Rücksichtnahme schuldet und es grundsätzlich nicht aufklärbar ist, welche
Seite bei der Entstehung des Konflikts es daran hat fehlen lassen. Viele
Arbeitnehmer kämpfen zudem auch für ihre Familien, denen gegenüber sie –
fraglos in Übereinstimmung mit christlicher Moral – eine stärkere
Loyalitätsbindung empfinden als gegenüber ihrem Arbeitgeber.
Insgesamt wirkt die Begründung des kirchlichen Standpunktes mit dem Prinzip der
Nächstenliebe und Versöhnung bei näherer Betrachtung wenig überzeugend. Ein
Arbeitgeber, der in einem Konflikt um Arbeitsbedingungen Nächstenliebe von
seinen Arbeitnehmern einfordert, schiebt ihnen damit einseitig die
Verantwortung an der Entstehung des Konflikts zu. Indem er ihnen die ihnen zu
Gebote stehenden Druckmittel nimmt, unterwirft er sie zugleich seinen
Herrschaftsinteressen.
aus:
[Die Sommerzeit nutzen wir, um nochmal an alte und neue prägnante Zitate zu erinnern, welche Themen zum Gegenstand haben, die uns interessieren.]
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