Verfasst von verdi am 12. März 2014 - 21:21
Ein Flächentarifvertrag in der Diakonie? In Niedersachsen ist dieses Ziel offenbar bald erreicht. Am Mittwoch (12. März) unterzeichneten Vertreter der evangelischen Kirche und des Diakonischen Werks auf der einen und von ver.di und des Marburger Bundes auf der anderen Seite in Hannover eine Grundsatzvereinbarung. Sie bildet den Rahmen für Verhandlungen über einen regulären Tarifvertrag für rund 30.000 Beschäftigte, die noch in diesem Jahr abgeschlossen sein sollen. Das wiederum lässt einen allgemeinverbindlichen „Tarifvertrag Soziales“ – der in der gesamten Branche oder zumindest in einzelnen Sparten von allen Unternehmen angewandt werden muss – realistisch erscheinen.
„Diese Vereinbarung ist ein großer Schritt für die Beschäftigten der Diakonie und in der Pflege insgesamt“, sagte ver.di-Landesbezirksleiter Detlef Ahting gegenüber der Presse. „Sie stößt die Tür auf für einen Tarifvertrags Soziales, der dem ruinösen Konkurrenzkampf einen Riegel vorschieben kann.“ Jörg Antoine vom Vorstand des Diakonischen Werks in Niedersachsen erklärte, mit dem Vertrag werde man „anschlussfähig“ an ein System der Allgemeinverbindlichkeit. An der Schaffung einheitlicher Bedingungen in der Sozialbranche gebe es „ein deutliches öffentliches Interesse“, so Antoine. Denn es werde immer schwieriger, Fachkräfte zu bekommen, es drohe ein Pflegenotstand. „Und die Bezahlung der nicht-ausgebildeten Kräfte ist teilweise schlicht unanständig.“
Für allgemeinverbindlich erklärt werden kann ein Tarifvertrag, der die Mehrheit der Beschäftigten einer Branche umfasst. Würden sich die freien Träger Niedersachsens auf ein gemeinsames Tarifwerk einigen, wäre das der Fall. Auch die vielfach tariflosen Einrichtungen privater Unternehmen müssten ihre Belegschaften dann auf diesem Niveau entlohnen. Zunächst muss die nun mit der Diakonie getroffene Grundsatzvereinbarung allerdings in einem konkreten Tarifvertrag münden. Die Verhandlungen hierfür sollen bereits im April beginnen und werden auf Arbeitgeberseite vom Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen (DDN) geführt. Anders als sonst bei kirchlichen Trägern üblich wird der Tarifvertrag bis auf wenige Ausnahmen für alle diakonischen Einrichtungen des Landes gelten. Eine entsprechende Verpflichtung hat die Synode der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen wenige Tage zuvor beschlossen.
Zur strittigen Frage des Streikrechts von Kirchenbeschäftigten – für das ver.di vors Bundesverfassungsgericht ziehen will – enthält die in Hannover unterzeichnete Vereinbarung keine Aussage. Zwar sollen Streitigkeiten zunächst in einem „verbindlich durchzuführenden Schlichtungsverfahren“ beigelegt werden. Auch heißt es im Vertragstext, Auseinandersetzungen seien „durch Konsensverfahren zu lösen und offene Konflikte einzudämmen bzw. zu verhindern“. Eine Einschränkung des Streikrechts ergebe sich daraus aber nicht, betonte Ahting. Mit der Vereinbarung würden Brücken gebaut, ohne Grundrechtspositionen aufzugeben.
„Ohne ein gutes Arbeitsrecht kann der diakonische Auftrag nicht erfüllt werden“, sagte Landesbischof Ralf Meister. Der Vorsitzende des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen sprach von einer „Niedersachsen-spezifischen“ Vereinbarung, die allerdings bundesweite „Signalwirkung“ haben könne. „Ich bin aber zurückhaltend damit, zu sagen: Das ist jetzt der Weg für alle.“
„Andere müssen sehen, ob sie diese Steilvorlage nutzen“, meinte Ahting. Er hob hervor, der Vertrag sei „nicht vom Himmel gefallen, sondern hart erarbeitet worden“. In der Tat ist er das Ergebnis einer dreijährigen Auseinandersetzung, die von den Belegschaften immer wieder mit betrieblichen Aktionen begleitet wurde. „Wir haben damit ein kleines, aber wichtiges Stück Geschichte geschrieben“, zeigte sich Ahting überzeugt.
Quelle: Streikrecht ist Grundrecht
Nachtrag: NDR zum Thema
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