Freitag, 22. April 2022

Glaubwürdig unternehmerisch handeln als Auftrag der Caritas

ist ein Beitrag von Georg Cremer, 2000 bis 2007 Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, in der "HERDER KORRESPONDENZ SPEZIAL" (Die Kirche und ihre Caritas, S. 54 ff) überschrieben. Cremer führt darin unter der Hauptüberschrift "Vom Korporatismus zu mehr Wettbewerb" u.a. aus:
Mit der unternehmerischen Rolle der verbandlichen Caritas sind Spannungen verbunden, sie muss mehreren Rollen gerecht werden.
...
Sie hat politische Interessen zu vertreten. Helfen kann sie mit ihren heute fast 700.000 beruflichen Mitarbeitenden nur als Partner eines Rechts- und Sozialstaates, der das breite Angebot sozialer Dienstleistungen gewähleistet und die wirtschaftliche Basis der Dienste und Einrichtungen der Caritas sichert. Zugleich hat sie den anwaltschaftlichen Anspruch, den Belangen von Menschen Gehör zu verschaffen, die sich nicht selbst vertreten können. Und sie muss, um überhaupt helfen zu können, unternehmerisch handeln. Dabei sind ihre Dienste und Einrichtungen den Zwängen ausgesetzt, die auf Märkten nun mal bestehen. ....
Glaubwürdigkeit erfordert Ehrlichkeit beim Umgang mit den unterschiedlichen Rollen.
Cremer hat das Problem richtig erkannt. Die Konsequenz des "glaubwürdigen Handelns" wäre aber letztendlich auch, sich dem unternehmerischen Handeln zu stellen und die dadurch entstandenen Probleme in partnerschaftlichem Handeln mit den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften zu bewältigen. Denn nur die koalitionsmäßige Betätigung schützt die Arbeitnehmer vor der institutionellen und strukturellen Macht der Unternehmen *).
Dass die Kirche in den päpstlichen Sozialenzykliken das "Gewerkschaftsprinzip" einhellig befürwortet, und das universelle Kirchenrecht in can. 1286 1° CIC die Einhaltung der Soziallehre durch die Ökonomen der kirchlichen Einrichtungen fordert - sich die deutsche katholische Kirche mit ihrem Wohlfahrtsverband aber nicht daran hält, trägt maßgeblich zur Unglaubwürdigkeit von Kirche und Caritas bei.
Fraglich ist ohnehin, ob Einrichtungen von Kirche und Caritas, die nicht selbstlos sondern unternehmerisch tätig sind, vom Betriebsverfassungsgesetz befreit wären **).


Anmerkung:
*) vgl. dazu
1. Die mehrfach zitierte Entscheidung des BAG "Tarifverhandlung ohne Streikrecht ist kollektives Betteln"
2. "Der lange Hebel. Macht und Machtressourcen von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden im Arbeitskampf" (klick).
Doch ist dieser zu ihren Gunsten gestaltet. So sind wirtschaftliche Entscheidungen weitestgehend der tariflichen Regulierung und damit dem Streikrecht entzogen. Vor allem aber können Unternehmen selbst bestimmen, ob und wenn ja in welchem Rahmen sie Tarifverhandlungen führen.
...
Unternehmen und Arbeitgeberverbänden stehen grundsätzlich mehr und wirkungsvollere Machtressourcen zur Verfügung. Hinter der Idee »Gewerkschaft« steht deshalb ja auch, dieses dem Lohnarbeitsverhältnis eigene Machtungleichgewicht durch kollektive Organisierung und gemeinsames Handeln zumindest teilweise auszugleichen. Zugleich ist der kollektive Zusammenschluss die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Beschäftigte die Gegenseite überhaupt zu Verhandlungen bewegen können.
...
Nur eine kleine Minderheit von Tarif- und Arbeitskonflikten entwickelt sich bekanntlich überhaupt zum Arbeitskampf. ...

**) auch darauf haben wir mehrfach hingewiesen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.