Den umfangreichsten und daher wohl wichtigsten Teil der Grundordnung nehmen die Bestimmungen zu den Loyalitätspflichten ein.
Bereits Artikel 3 (Einstellungsvoraussetzungen) ist auf höchstrichterliche Kritik gestoßen.Demnach dürfen kirchliche Arbeitgeber bei Einstellungen gemäß nationalem Recht nur dann von Bewerberinnen und Bewerbern die Zugehörigkeit zu einer Konfession verlangen, wenn die auszuübende Tätigkeit direkt mit dem Glauben und der Verkündigung desselben zu tun hat. "Bei verkündigungsfernen Tätigkeiten gilt: Kirchliche Arbeitgeber dürfen bei Einstellungen ausschließlich die Qualifikation und Eignung berücksichtigen. Das ist jetzt auch gerichtlich überprüfbar", sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand.(Fall Egenberger - siehe Pressemitteilung von ver.di)
Widerspricht diese Entscheidung dem deutschen Verfassungsrecht? Tatsächlich ist in den staatskirchenrechtlichen Grundlagen geregelt:
"Jede Religionsgemeinschaft ... verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde"(Art. 123 GG i.V. Art. 12 RKonk, Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 Abs. 3 WRV; vgl. Art. 142 Abs. 3 BV).
(Quelle: katholisch.de)Die katholische Kirche müsse ihr Amtsverständnis auf den Prüfstand stellen .... "Untersuchungen lassen keinen Zweifel daran, dass die enge Begrenzung des Amtes auf ehelose Männer sowie die dogmatische Überhöhung klerikalen Machtmissbrauch begünstigt." ..."Für mich ist klar: Es braucht in der katholischen Kirche die Öffnung des Amtes für Frauen und Männer, für Verheiratete und Zölibatäre",
In Artikel 4 werden die "idealen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" beschrieben, fein differenziert zwischen katholischen, nichtkatholischen christlichen und nichtchristlichen Arbeitnehmern.
In Artikel 5 ist dann geregelt, wie damit umzugehen ist, wenn einzelne Beschäftigte diesen Anforderungen nicht genügen - also kein "heiligmäßiges Leben" führen können oder wollen.
Dazu ist vorab anzumerken, dass das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluß des Zweiten Senats vom 4. Juni 1985 Az. -- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 -- festgestellt hat:
- ...
- Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der verfaßten Kirche anerkannten Maßstäben. Dagegen kommt es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedenen Motiven beeinflußt sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter Kirchengliedern oder etwa gar einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an.
- Im Streitfall haben die Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden. Es bleibt danach grundsätzlich den verfaßten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubenslehre und Sittenlehre" sind und was als - gegebenenfalls schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen ist.
- Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit.
- Liegt eine Verletzung von Loyalitätspflichten vor, so ist die weitere Frage, ob sie eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften des § 1 KSchG, § 626 BGB zu beantworten. Diese unterliegen als für alle geltendes Gesetz im Sinne der Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungen.
...Warum das?3. Die staatlichen Gerichte haben im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt. Sie haben sodann unter dem Gesichtspunkt der Schranken des "für alle geltenden Gesetzes" eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die - im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen verstandenen - kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen sind. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind dabei jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen.
(Quelle)Das AGG ist das einheitliche zentrale Regelungswerk in Deutschland zur Umsetzung von vier europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien, die seit dem Jahr 2000 erlassen worden sind.... Erstmals wurde in Deutschland ein Gesetz geschaffen, das den Schutz vor Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität durch private Akteure (z. B. Arbeitgeber, Vermieter, Anbieter von Waren und Dienstleistungen) umfassend regelt.
p.s.:
Wir hatten daher in unserem Beitrag vom 16. März ausgeführt:
Ein theologisch seriöser Umgang mit der Thematik könnte so aussehen, dass die Bischöfe einen gemeinsamen Diskussionsprozess mit den Gewerkschaften starten, in dem die Beschäftigten, die kirchlichen Arbeitsrechtsfunktionäre beider Seiten und die kirchlichen Sozialethiker, sowie politisch Verantwortliche einbezogen sind und die anstehenden Fragen diskutieren - inklusive der Frage, wie ein Übergang ins weltliche System aussehen könnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.
Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.