Samstag, 30. April 2022

Samstagsnotizen: Abkehr vom kirchlichen Arbeitsrecht - was bedeutet das (2.6.) "Betriebsverfassung" - Art. 8 GrO

Das kirchliche #Arbeitsrecht steht in der Kritik. Nun fordert die #KAB eine grundlegende Reform in einem Offenen Brief an Bischof Georg #Bätzing und Kardinal Rainer Maria #Woelki. Schwerpunkte sind Arbeitnehmerrechte und die Gestaltung der Reform: https://bit.ly/3kiPFim #Kirche
twitterte das "Ökumenische Sozialwort" unter Bezug auf einen Beitrag von "katholisch.de":
REGELUNGEN MÜSSTEN VORBILD FÜR MENSCHENWÜRDIGE ARBEITSWELT SEIN
KAB fordert Arbeitsrechtsreform auf Augenhöhe
AKTUALISIERT AM 28.04.2022

...
Der kirchliche Dienst müsse ein "effektives und einklagbares Gleichgewicht der beiden Seiten sicherstellen". Dies betreffe etwa die betriebliche Mitbestimmung: "Ein eigenes, kirchliches Mitbestimmungsrecht hat nur dann seine Berechtigung, wenn es ein stärkeres Mitbestimmungsrecht darstellt" als im Betriebsverfassungsgesetz gefordert.

Forderung nach stärkerer Mitbestimmung

Die Seite der Beschäftigten müsse "zur Durchsetzung ihrer Interessen ausreichend befähigt werden", schreibt die KAB weiter. Dafür brauche es Arbeitgeberverbände oder auch Gewerkschaften. Auch seien die Besonderheiten des kirchlichen Dienstes in der Ausgestaltung von Tarifen weiter zu berücksichtigen. ...
Damit hat sich die KAB - gerade rechtzeitig zum 1. Mai - erneut zum Thema "kirchliches Arbeitsrecht" geäussert und den Block auf das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht gelenkt.
Das passt - wohl zufällig - genau in unsere Blockreihe "Samstagsnotizen".

Damit kommen wir nun also zu einem weiteren tragenden Balken des besonderen kirchlichen Arbeitsrechts - dem Mitarbeitervertretungsrecht.
Die KAB charaktarisiert das eigene katholische Mitarbeitervertetungsrecht wie folgt:
Einmal abgesehen davon, dass bei einem direkten Verglich die Liste der Mitbestimmungsverpflichtungen im BetrVG deutlich länger ist als bei der MAVO - es gibt noch einen weiteren, in diesem Fall ganz augenfälligen Unterschied. Solange ein Betriebsrat nicht ausdrücklich ja zu einer Maßnahme gesagt hat, liegt eine Zustimmung nicht vor. Damit geht es erst einmal nicht weiter oder zu einer betrieblichen Einigungsstelle. Eine MAV hat jedoch nur eine Woche zur Verfügung, um auf einen Zustimmungsantrag zu reagieren. Schweigt sie, stimmt sie zu. Stimmt sie nicht zu, bleibt nur der Gang zu einer Einigungsstelle auf Diözesanebene. Mit deutlich anderen Spielregeln als eine betriebliche Einigungsstelle. Hinzu kommt: Die Möglichkeit, Nein zu sagen, ist auf schlichte Rechtskontrolle beschränkt. Eine MAV hat daher kaum die Möglichkeit zu einer organisatorischen wie sozial gestaltenden Mitbestimmung, sonder nkann allenfalls Rechtsmißbrauch verhinden. Diese Benachteiligung der MAVen zieht sich durch das gesamte Regelwerk: Schlimmstes verhindern - ja, Gestaltend wirken: kaum.
Quelle: KAB Impulse 01/2022 S. 11
Dass das "sozial vorblidlich" wäre (wie von Kardinal Frings dem Bundeskanzler Adenauer zugesichert), oder gar der eigenen Soziallehre entsprechen würde (Mater et magistra, Nrn. 91 ff) wird wohl niemand so recht überzeugend behaupten können.

Und bei der Gelegenheit: nachdem die MAVO nicht einmal das Niveau des vor 50 Jahren grundlegenden reformierten Betriebsverfassungsgesetzes erreicht, wird es spannend, ob und wie die nun angestrebte Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes in den kirchlichen Normen übernommen wird.
Wir erinnern uns: das kirchliche Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht besteht nur "in den Schranken der für alle geltenden Gesetze". Das Betriebsverfassungsgesetz des Bundes wie auch die Personalvertretungsgesetze der Länder nehmen aber die Kirchen selbst sowie deren caritativen und erzieherischen Einrichtungen ausdrücklich aus. Es handelt sich somit gerade nicht um für alle geltende Gesetze.
Das war in der "Weimarer Republik" anders. Das "Betriebsrätegesetz", das "Vorgängergesetz" zum heutigen Betriebsverfassungsgesetz, galt bei gleicher verfassungsrechtlicher Grundlage wie heute selbstverständlich auch für die Kirchen. Anlässlich der Neufassung wurden die Kirchen auch nicht etwa "aus verfassungsrechtlichen Gründen" ausgenommen, sondern lediglich, weil (für die katholische Kirche) der Kölner Kardinal Frings dem seinerzeitgen (Kölner Alt-OB) Bundeskanzler Adenauer zusicherte, dass die Kirchen ein besonders sozial vorbildliches Mitarbeitervertretungsrecht auf Grundlage der eigenen Soziallehre schaffen würde - und die Einheitlichkeit mit den Bestimmungen über die "Zonengrenze" hinweg auch in der nachmaligen DDR angestrebt werde.

Klar ist demnach jedenfalls: der Gesetzgeber kann durch einfachgesetzliche Regelung die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes auf kirchliche Einrichtungen ausdehnen - und das gilt für den Landesgesetzgeber und die Personalvertretungsgesetze gleichermaßen.
Ob nun die o.g., derzeit in den Gesetzen genannten Ausnahme vorliegt, ist in der Rechtsprechung immer wieder Anlass für neue Entscheidungen. Dass es nicht auf die Eigentums- bzw. Besitzverhältnisse sondern auf die Tätigkeit der Einrichtung ankommt, ist schon seit Jahrzehnten höchstrichterlich geklärt (BayVGH, B. v. 13.09.1989 - 17 P 89.000759). Gewerblich, also nicht selbstlos tätige Einrichtungen, unterliegen zweifelsfrei (schon aus dem Wortlaut der Ausnahmevorschrift) dem staatlichen Recht. Daher ist beispielsweise schon seit 2003 mit der Umstellung der Finanzierung von Krankenhäusern - und seither zunehmend - die Frage berechtigt, ob diese Einrichtungen denn noch "selbstlos" tätig sind. Ähnliches gilt etwa für kirchliche Altenheime oder Rettungsdienste. Darüber hinaus verlangt die Rechtsprechung ein "Mindestmaß an Einflußmöglichkeit" der Kirchen auf die Tätigkeit der jeweiligen Einrichtung (BAG, Beschluss vom 05.12.2007, 7 ABR 72/06).

Wenn man nun nach verfassungsrechtlichen Begründungen für eine unterschiedliche Regelung sucht, dann ist nach den neueren Theorien maßgeblich, ob eine Einbeziehung der Kirchen in ein "für alle geltendes Gesetz" ein "besonderes Opfer" für die Kirchen darstellt, also eine besondere Belastung, die für kirchliche Einrichtungen intensiver ist als für vergleichbare säkuläre Einrichtungen. Das aber ist hinsichtlich der Wohlfahrtsverbände stark zu bezweifeln - AWO, BRK, DRK, Paritäter, genauso wie Caritas und Diakonie, sie unterscheiden sich derzeit außer der Inanspruchnahme besonderer Vorschriften im Arbeits- und Datenschutzrecht in Nichts voneinander.

Es liegt also einzig und alleine an den Landtagen und dem Bundestag, wielange die Ausnahme kirchlicher Einrichtungen vom Betriebsverfassungsgesetz des Bundes bzw. den Personalvertretungsgesetzen der Länder noch aufrecht erhalten wird.
(wird fortgesetzt)

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