Sonntag, 3. Oktober 2021

Konsequenzen der Bundestagswahl - Warum eine Ampelkoalition eine Herausforderung für die Kirchen wäre

das analysiert u.a. "katholisch.de"
Noch ist völlig unklar, von welcher Bundesregierung Deutschland künftig regiert wird. Derzeit jedoch scheint eine Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP die wahrscheinlichste Option zu sein. Katholisch.de analysiert, welche Konsequenzen ein solches Bündnis für die Kirchen und ihre Interessen hätte.
und meint insbesondere zum kirchlichen Arbeitsrecht (wir berichteten), das aus einer stark überdehnten verfassungsrechtlichen Grundlage abgeleitet wird:
Kaum weniger konfliktfrei dürfte es zwischen den Kirchen und einer Ampelkoalition mit Blick auf die weitere Zukunft des kirchlichen Arbeitsrechts zugehen. Auch hier haben sich alle drei potenziellen Partner vor der Wahl für Änderungen ausgesprochen. Erkennbare Unterschiede zwischen den Parteien gibt es lediglich bei der Frage, wie diese Änderungen erreicht werden und wie umfangreich sie ausfallen sollen.

Während die SPD in ihrem Wahlprogramm ankündigt, gemeinsam mit den Kirchen einen Weg erarbeiten zu wollen, "ihr Arbeitsrecht dem allgemeinen Arbeits- und Tarifrecht sowie der Betriebsverfassung anzugleichen", deuten Grüne und FDP an, notfalls auch gegen die Kirchen entsprechende Entscheidungen zu treffen. Doch während die Grünen "nur" eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts, eine Förderung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung sowie eine Aufhebung der Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz fordern, sprechen sich die Liberalen für eine vollständige Abschaffung der kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht aus – dies immerhin mit der Einschränkung "soweit sie nicht Stellen betreffen, die eine religiöse Funktion ausüben".

Welche Zukunft hat das Staatskirchenrecht unter Rot-Grün-Gelb?

Auch was das Staatskirchenrecht und damit das Verhältnis von Kirchen und Staat angeht, könnte eine Ampelkoalition insbesondere auf Initiative der Grünen und der Liberalen Änderungen anstoßen. Während die Sozialdemokraten dieses Thema in ihrem Wahlprogramm gar nicht erwähnt haben, haben die beiden kleineren Parteien vor der Wahl sogar jeweils eigene Kapitel dazu in ihre Programme aufgenommen. Am weitgehendsten sind dabei die Forderungen der FDP, die das Staatskirchenrecht zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln will. "Es soll einen passenden rechtlichen Status bieten für alle Religionsgemeinschaften, die das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen", so die Partei, die sich in diesem Zusammenhang zudem für eine Abschaffung von Tanzverboten und ähnlichen Einschränkungen an stillen Feiertagen wie dem Karfreitag ausspricht.

Der Vorsitzende unserer Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, bezeichnet
die FDP als ein "Sicherheitsrisiko für Arbeitnehmerrechte". Bisherige Erfahrungen mit der Partei hätten gezeigt, dass mit ihr das Risiko einer Umverteilung zugunsten von Wohlhabenden und zu Lasten der breiten Bevölkerung bestehe.
In dem Zusammenhang hat Werneke auch auf die Problematik der Altenpflege und die Kooperation von Caritas-Arbeitgebern und Dumpingverbänden hingewiesen:
Werneke: Es ist nun einmal leider so, dass die Tarifautonomie in weiten Teilen nicht mehr funktioniert, weil es gar keine Arbeitgeberverbände gibt, mit denen wir als Gewerkschaften überhaupt Tarifverhandlungen abschließen können oder es Arbeitgeberverbände gibt, die keine Tarifverträge abschließen wollen. Nehmen Sie mal den Bereich der Altenpflege, da gibt es zwar Arbeitgeberverbände, aber deren einziges Ziel ist es, das Zustandekommen von Tarifverhandlungen zu vereiteln. Und von daher ist es eine Notwendigkeit, über ...

Detjen: Da sprechen Sie jetzt von der Caritas, da sprechen Sie von den kirchlichen Arbeitgeberverbänden. Die haben die Allgemeinverbindlichkeit des Pflegetarifvertrages abgelehnt.

Werneke: Die Allgemeinverbindlichkeit in der Altenpflege ist an der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas gescheitert. Aber es gibt ja darüber hinaus Arbeitgeberverbände der privaten Anbieter – Herr Brüderle, den wir alle noch kennen und an den wir uns erinnern, ist dort einer der führenden Persönlichkeiten – und die weigern sich schlicht und ergreifend einfach, Tarifverträge hier abzuschließen, haben sogar jetzt versucht, die Tariffähigkeit von ver.di in dem Feld zu beklagen. Haben da nicht obsiegt, aber da zeigt man ja und sieht man, welche Geisteshaltung da ist.
Quellen:
ZDF Heute und Bezug auf den Deutschlandfunk

Eine etwas andere Sicht hat die ZEIT (online). Dort heißt es:
Ein völlig neuer Sozialstaat

SPD, Grüne und FDP sind sich in vielen Fragen näher, als man denkt. Eine Ampel-Koalition könnte die umfassendsten Sozialreformen seit der Agenda 2010 auf den Weg bringen.

Zwischen 1969 und 1982 regierten die Sozialdemokraten erst unter Willy Brandt, später unter Helmut Schmidt gemeinsam mit der FDP. Rot-Gelb führte damals zum Beispiel das Bafög ein, das es Menschen aus ärmeren Haushalten mithilfe des Staates bis heute ermöglicht, durch ein Studium den sozialen Aufstieg zu schaffen. Die Koalition beschloss das Kindergeld, sie verschaffte sogar Gewerkschaften und Betriebsräten mehr Rechte. Aus heutiger Sicht erscheint besonders die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes erstaunlich, da die FDP seit den Neunzigerjahren eine gegenteilige, neoliberale Politik vorantrieb.

Soziale Spaltung

Auch in der zweiten SPD-geführten Regierungsphase, 1998 bis 2005, brachte Rot-Grün umfassende, aber auch unpopuläre Reformen zustande. ....

Hier befindet sich eine Analyse der Bundestagswahl mit Albrecht von Lucke und Marco Herack; sie ordnen das Wahlergebnis aus gewerkschaftlicher Sicht ein

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.