Samstag, 8. Juni 2013

Düstere Aussicht

Der beeindruckende Bericht der Autorin, die ein halbes Jahr als Pflegehelferin eine Welt erlebt hat, in der es Stress und Chaos, aber wenig Liebe gibt, ist jetzt online zugänglich:
Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 31.5.2013: Düstere Aussicht


Eine Frage, die sich bei der Lektüre auch aufdrängt, ist die, ob Caritas und Diakonie durch ihre verbandlichen Arbeitgeberinteressen (Kampf um Marktanteile und kirchliche Sonderrechte) nicht systematisch daran gehindert sind, die bestehenden Nöte überhaupt noch wahrzunehmen und für Veränderungen zu kämpfen...

Kardinal Marx hat es kürzlich als ein Irrweg gegeißelt, "das Leben mit einem Kostenfaktor zu versehen und zu fragen: Was kosten die zehn Minuten, die ich bei einem Sterbenden verbringe?" 

Nur gilt auch für Caritas-Einrichtungen: 10 Minuten kosten doppelt so viel wie 5 und die Kosten orientieren sich an der Qualifikation des Mitarbeiters, an seiner Vergütungsgruppe, daran, ob Zeitzuschläge anfallen usw...

c.

PS. Lektürtipp zum Thema:


Wichtig ist auch, dass neben der geänderten Refinanzierung seither der karitative Bereich für private gewinnorientierte Anbieter geöffnet wurde. „Aber wenn etwa im caritativen Bereich die Politik die Rahmenbedingungen so ändert, dass man mit Altenheimen und Krankenhäusern, sogar mit Beratungsstellen und Kindergärten Aktionäre befriedigen kann, dann hat sich etwas Grundlegendes verändert…Dass gemeinnützige Unternehmen im kirchlichen Bereich in Konkurrenz, im Wettbewerb stehen zu Anbietern, die reich werden wollen, das ist eine völlige Veränderung… Diese Veränderung haben alle Parteien mitgemacht und gewollt“ (Kardinal Dr. Reinhard Marx, ZMV, Sonderheft 2010).Da die Kritik von Kardinal Marx sehr grundsätzlicher Natur ist, soll noch eine weitere Stimme – der britische Wissenschaftler Colin Crouch- zu Wort kommen: „ Tatsächlich besteht eine der wichtigsten Errungenschaften des neoliberalen Projekts darin, mehr oder weniger alle Institutionen der Gesellschaft – von Universitäten über Krankenhäuser und Wohlfahrtseinrichtungen bis hin zu Behörden – unter die Verpflichtung zu stellen, so zu agieren, als ob sie profitorientierte Unternehmen wären. An dieser Aufgabe müssen sie jedoch scheitern. Wenn per definitionem nur der wirtschaftlich handelt, der all sein Tun dem Gewinnstreben unterordnet, muss sich jede Organisation, die andere Ziele verfolgt, der Ineffizienz zeihen lassen.“ (Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus, Berlin 2011, S. 231 f.)

aus: Otmar Schreiner, Das kirchliche Arbeitsrecht in der politischen Bewährung

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