Nun sind Aussagen aufgetaucht, die auch die kirchenrechtliche Verbindlichkeit der Beschlüsse einschließlich der Schlichtungsergebnisse massiv in Frage stellen.
Von Mitgliedern der Gremien wird gerne kolportiert, wesentlich sei ein entsprechender Gremienbeschluss. Dessen Inkraftsetzung könne dann durch einen Bischof oder sogar einen Generalvikar wie durch einen "Urkundsbeamten" erfolgen. Die Grundordnung ist diesbezüglich eindeutig. Bestandteil des kirchlichen Arbeitsrechts werden nur Regelungen, die von der (zuständigen) "Kommission beschlossen und vom (zuständigen Diözesan-)Bischof in Kraft gesetzt sind" (Art. 7 Abs. 1 S. 3 GrO, § 3 Abs. 1 der Rahmen-KODA-Ordnung). Beides soll also konstitutiv sein - der Beschluss der Kommission wie auch die Inkraftsetzung durch den Bischof. Denn erst mit dieser Inkraftsetzung wird der Kommissionsbeschluss auch zu einer kirchlichen Rechtsnorm, die für den jeweiligen kirchlichen Arbeits- oder Dienstgeber zu beachten wäre.
Interessant ist aber nun die folgende Frage: was gilt, wenn ein Bischof einen solchen Beschluss abweichend oder nicht in Kraft setzt? Das soll ja schon passiert sein. In der Diskussion um den "Synodalen Weg" hat sich nun ein Kirchenrechtler zu Wort gemeldet.
... Gremien aus Bischöfen, anderen Geistlichen und Laien können aus Sicht des Kirchenrechtlers Matthias Pulte keine Entscheidungsgewalt in den Bistümern ausüben. Sie könnten lediglich als Beratungsorgane errichtet werden, deren Beschlüsse aber keinen bindenden Charakter hätten, erklärt der in Mainz lehrende Theologe auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).berichtet katholisch.de *).
Pulte verwies dafür auf die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils und das geltende Kirchenrecht. Demnach haben die Bischöfe "alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt" bei der Regierung ihrer Diözesen. Daher sei eine "Selbstbindung" des Bischofs an Beschlüsse von Gremien im Kirchenrecht auch nicht vorgesehen.
Das universelle Kirchenrecht formuliert nun im Codex Iuris Canonici von 1983 die (ordnungsgemäße) Beteiligung eines dafür geschaffenen kirchlichen Gremiums als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Rechtshandlung - und zwar sowohl mit Beratungs- wie auch mit Zustimmungsrechten.Im Ersten Buch, Titel VII, ist in den Canonices 124 ff geregelt:
Can. 124 — § 1. Zur Gültigkeit einer Rechtshandlung ist erforderlich, daß sie von einer dazu befähigten Person vorgenommen wurde und bei der Handlung gegeben ist, was diese selbst wesentlich ausmacht und was an Rechtsförmlichkeiten und Erfordernissen vom Recht zur Gültigkeit der Handlung verlangt ist.Ein Bischof kann demnach einem entsprechenden, von ihm geschaffenen Gremium also grundsätzlich sowohl Beratungs- wie auch Zustimmungsrechte einräumen. Diese werden als "Beispruchsrechte" bezeichnet. Voraussetzung dazu ist natürlich, dass der Gegenstand dieser Beispruchsrechte nicht bereits anderweitig normiert ist. Denn dann würde ein solches Beispruchsrecht in bestehenden Rechte eingreifen. Dies kann der Fall sein, wenn etwa die (Aus-)Wahl eines Bischofs durch ältere Regelungen dem Papst selbst oder einem anderen Gremium vorbehalten ist. Dies könnte auch der Fall sein, wenn das universelle Kirchenrecht keinen Raum für eigenständige Regelungen aufweist. Auf c. 1286 CIC sowie die päpstlichen Sozialenzykliken haben wir im Kontext mit dem Arbeits- und Sozialrecht in der katholischen Kirche ja schon öfter verwiesen.
§ 2. Eine hinsichtlich ihrer äußeren Elemente vorschriftsmäßig vorgenommene Rechtshandlung wird als gültig vermutet.
Can. 125 — § 1. Wenn eine Handlung dadurch zustande kommt, daß einer Person von außen her Zwang zugefügt wurde, dem sie auf keine Weise widerstehen konnte, gilt diese Handlung als nicht vorgenommen.
§ 2. Eine Handlung, die aufgrund schwerer, widerrechtlich eingeflößter Furcht oder aufgrund arglistiger Täuschung vorgenommen wurde, ist rechtswirksam, wenn nicht etwas anderes im Recht vorgesehen ist; sie kann aber durch das Urteil eines Richters aufgehoben werden, sei es auf Antrag der geschädigten Partei oder ihrer Rechtsnachfolger, sei es von Amts wegen.
Can. 126 — Eine Handlung, die vorgenommen wurde aus Unkenntnis oder Irrtum, der sich auf etwas bezieht, was ihr Wesen ausmacht, oder der eine für unverzichtbar erklärte Bedingung betrifft, ist rechtsunwirksam; andernfalls ist sie rechtswirksam, wenn nicht etwas anderes im Recht vorgesehen ist, aber die aus Unkenntnis oder Irrtum vorgenommene Handlung kann die Möglichkeit Zu einer Aufhebungsklage nach Maßgabe des Rechtes bieten.
Can. 127 — § 1. Wenn im Recht bestimmt wird, daß ein Oberer zur Vornahme von Handlungen der Zustimmung oder des Rates eines Kollegiums oder eines Personenkreises bedarf, muß das Kollegium bzw. der Kreis gemäß can. 166 einberufen werden, es sei denn, daß, wenn es sich lediglich um das Einholen eines Rates handelt, im partikularen oder eigenen Recht etwas anderes vorgesehen ist; damit aber die Handlungen gültig sind, ist erforderlich, daß die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Anwesenden vorliegt bzw. der Rat von allen eingeholt wird.
§ 2. Wenn im Recht bestimmt wird, daß ein Oberer zur Vornahme von Handlungen der Zustimmung oder des Rates irgendwelcher Personen als einzelner bedarf, gilt:
1° wenn die Zustimmung gefordert wird, ist die Handlung eines Oberen rechtsunwirksam, der die Zustimmung dieser Personen nicht einholt oder gegen deren Stellungnahme oder die Stellungnahme einer dieser Personen handelt;
2° wenn der Rat gefordert wird, ist die Handlung eines Oberen rechtsunwirksam, der diese Personen nicht hört; obgleich der Obere keineswegs verpflichtet ist, sich ihrer, wenn auch übereinstimmenden, Stellungnahme anzuschließen, darf er dennoch ohne einen seinem Ermessen nach überwiegenden Grund von deren Stellungnahme, vor allem von einer übereinstimmenden, nicht abweichen.
§ 3. Alle, deren Zustimmung oder Rat erforderlich ist, sind verpflichtet, ihre Meinung aufrichtig vorzutragen und, wenn es die Wichtigkeit der Angelegenheiten verlangt, sorgsam die Geheimhaltung zu wahren; diese Verpflichtung kann vom Oberen eingeschärft werden.
Can. 128 — Jeder, der widerrechtlich durch eine Rechtshandlung oder auch durch eine andere mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit vorgenommene Handlung einem anderen Schaden zufügt, ist verpflichtet, den Schaden wiedergutzumachen.
Der zitierte Artikel führt also zurecht weiter aus:
Jedoch gebe es Mitbestimmungsrechte, die kirchenrechtlich vorgesehen sind, wie die Beispruchrechte (Recht auf Anhörung oder Zustimmung) von Priesterräten oder dem Konsultorengremium (Domkapitel). Das gelte auch für deutsche Besonderheiten wie die Kirchensteuerräte der Bistümer. "Deren Mitbestimmungsrechte sind staatskirchenrechtlich abgesichert" und seien auch vom Kirchenrecht unberührt, so der Kirchenrechtler.Was heißt das nun für eine AK oder KODA?
Selbstbindung "rechtlich vertretbar"
Unter Beachtung dieser Rahmenbedingungen erscheine eine Selbstbindung des Diözesanbischofs "rechtlich vertretbar und aufgrund der Expertise der Beratungsgremien mitunter auch sinnvoll". Wenn der Bischof aber nach Gutdünken von den Beschlüssen der Gremien abweiche, werde die Selbstbindung "zur Farce", sagte Pulte weiter. Ein Abweichen von den Beschlüssen und damit eine singuläre Aufhebung der Selbstbindung erscheine dann nur gerechtfertigt, wenn der Bischof dies dem entsprechenden Gremium nachvollziehbar begründen kann. "Dennoch, diese Selbstbindung des Diözesanbischofs an Beschlüsse von Beratungsgremien kann keine juristisch erzwingbare Bindungswirkung entfalten", so Pulte. Grundsätzlich müsse ein Abweichen von der Selbstbindung des Bischofs eröffnet bleiben, da ansonsten die Freiheit der Amtsausübung konterkariert würde.
Im Endeffekt nichts anderes, als dass jeder Diözesanbischof solange an die Beispruchsrechte der von ihm gebildeten Kommission gebunden ist, solange er diese Befugnisse nicht ändert oder die jeweilige Kommission komplett abschafft. Das aber kann ein Bischof jederzeit tun.
*)
siehe auch
katholisch.de: KRITIKER SEHEN WIDERSPRUCH ZUM KIRCHENRECHT - Die Selbstbindung der Bischöfe bei synodalen Gremien wirft Fragen auf
"Eine Selbstbindung der Entscheidungen des Diözesanbischofs ist im Codex Juris Canonici nicht vorgesehen", hält Pulte fest. Aber: "Die Selbstbindung erschiene sinnlos, wenn der Bischof nach Gutdünken von den Beschlüssen der Gremien abweicht, denen er zuvor zugesagt hat, sich an die Beschlüsse zu halten. Sie würde zur Farce."sowie gleichlautend
Auch wenn ein Abweichen von den Beschlüssen – und damit eine singuläre Aufhebung der Selbstbindung – unter diesen Bedingungen nur gerechtfertigt sei, wenn der Bischof dies dem entsprechenden Gremium nachvollziehbar begründen könne, so der Kirchenrechtler, könne diese Selbstbindung des Diözesanbischofs an Beschlüsse von Beratungsgremien keine juristisch erzwingbare Bindungswirkung entfalten. "Grundsätzlich muss ein Abweichen von der Selbstbindung des Bischofs eröffnet bleiben, da ansonsten die Freiheit der Amtsausübung (canon 381 § 1 CIC) konterkariert würde."
domradio: 09.03.2023 Wie fest oder flexibel kann ein Bischof sich selber binden? Gretchenfrage beim Synodalen Weg
"Die gestufte Überprüfung der Beschlüsse durch eine Schlichtung, die letztinstanzlich auch den Bischof durch eine supradiözesane Instanz definitiv binden soll, wie bisher von Forum 'Macht und Gewaltenteilung' vorgesehen, widerspricht dem geltenden Kirchenrecht (canon 381 § 1 CIC 1983) und dem 2. Vatikanischen Konzil (Bischofs-Dekret Christus Dominus 11), nachdem dem Bischof 'alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt' bei der Regierung seiner Diözese zukommt. Selbst wenn der Synodale Weg solche synodalen Gremien einrichten würde, wären diese nach geltendem Recht nichtig, da sie gegen gesetzliche Rechtssetzung (vgl. canon 6 § 1) stünden", resümiert Pulte.
eingedenk der Kritik aus Rom hat die SYNODALVERSAMMLUNG die ABSTIMMUNG ÜBER den HANDLUNGSTEXT AUS MACHT-FORUM VERTAGT: "Keine Entscheidung zu Synodalen Räten in Bistümern und Pfarreien" berichtet https://www.katholisch.de/artikel/44011-keine-entscheidung-zu-synodalen-raeten-in-bistuemern-und-pfarreien ... Man darf gespannt sein, ob sich das auch auf den "Dritten Weg" auswirkt. Dort wird - bis hin zur "Zwangsschlichtung" - im Grunde all das seit Jahrzehnten praktiziert, was nun auf kirchenrechtliche Kritik gestoßen ist.
AntwortenLöschenÜber die Vertagung berichtet dann auch Radio Vatikan (Zitat): Keine Einigung zu Mitbestimmung von Laien in Bistümern und Pfarreien
AntwortenLöschenÜber einen umstrittenen Handlungstext zu mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für Laien in Bistümern und Pfarreien entschied die Vollversammlung am Abend nicht mehr, sondern beschloss die Überweisung in einen noch zu gründenden Synodalen Ausschuss. Dieser soll das Papier weiterentwickeln, um es mehrheitsfähig zu machen.
Der Vatikan hatte vor kurzem die Gründung sogenannter Synodaler Räte, also gemeinsamer Leitungsorgane von Laien und Klerikern, kategorisch ausgeschlossen. Mehrere Bischöfe, darunter der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, hatten erklärt, trotzdem daran festhalten zu wollen. (Zitat Ende) - Quelle: https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2023-03/synodaler-weg-beschluesse-segen-laien-predigen-frankfurt.html - man darf gespannt sein, wie Rom mit den bisherigen Beschlüssen umgeht. "Entscheidend ist nicht, was vom Synodalen Weg beschlossen wird; entscheidend ist, wie der Heilige Stuhl darauf reagiert.
So funktioniert die katholische Kirche nun mal."