Dienstag, 20. Dezember 2022

Linke Gewerkschafter feiern den Papst

berichtete gestern das DOMRADIO (Köln). Demnach forderte der Papst die Gewerkschafter zudem auf, sich auch für die Interessen der benachteiligten Nichtmitglieder einzusetzen - also das gewerkschaftliche Engagement für alle Beschäftigten und nicht nur für die Gewerkschaftsmitglieder auszuüben *):
Rund 5.000 Mitglieder des linken Gewerkschaftsbunds CGIL haben den Papst gefeiert. ...

Bei der Begegnung in der vatikanischen Audienzhalle jubelten die Arbeitervertreter, von denen viele aus dem kommunistischen Spektrum der italienischen Politik stammen, dem Papst bei einer Rede zu, die er mit dem Satz begann: "Es gibt keine Gewerkschaft ohne Arbeiter, und es gibt keine freien Arbeiter ohne Gewerkschaften!"

In seiner immer wieder von Beifall unterbrochenen Ansprache sagte der Papst, die Erwartung, dass der technologische Fortschritt zu mehr Gerechtigkeit führen würde, sei enttäuscht worden. Man müsse wieder den Wert der Arbeit zum Ausgangspunkt nehmen, wie er dies in seinen Enzykliken "Laudato si" und "Fratelli tutti" getan habe.
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Ausdrücklich forderte der Papst die Gewerkschafter auf, sich auch für die Interessen jener Benachteiligten einzusetzen, die "nicht Mitglieder sind, weil sie das Vertrauen verloren haben".

Große Friedensdemonstration in Rom

Am Ende seiner Rede bat der Papst die Versammelten, von denen viele keine praktizierenden Katholiken waren: "Falls ihr könnt, betet für mich!" Zu Beginn seiner Ansprache hatte Franziskus den Gewerkschaftsvorsitzenden Maurizio Landini (61) nach einer kämpferischen Begrüßungsrede gelobt und ihm unter großem Gelächter bescheinigt: "Er ist ein guter Junge."

Landini hatte davon geschwärmt, dass er bei der großen Friedensdemonstration in Rom am 5. November mit großer Freude "neben den roten Fahnen der CGIL auch jene der katholischen Vereinigungen" gesehen habe. "Dieser wunderschöne Tag hat gezeigt, dass wir - die Kirchenfernen und die Katholiken - zusammenarbeiten können, um eine Gesellschaft zu verändern, die auf Konkurrenz, Egoismus und Ausbeutung aufgebaut ist."

Die "Confederazione Generale Italiana del Lavoro" (CGIL) ist Italiens linker nationaler Gewerkschaftsbund; daneben gibt es auch nationale Gewerkschaftsbünde mit gemäßigt sozialdemokratischer sowie mit christdemokratischer Tradition. Bis Ende der 1990er Jahre gehörten die CGIL-Mitglieder überwiegend der kommunistischen Partei und deren Nachfolge-Organisationen an. Mit rund 5 Millionen Mitgliedern ist die CGIL der größte Gewerkschaftsdachverband in Italien. ...
Die Adventszeit ist ja die Zeit der frohen Erwartung und Hoffnung. Ob wir auf eine ähnliche Szene in Deutschland hoffen können? Da steht wohl die unkatholische, historisch schwer belastete Idee der "Dienstgemeinschaft" mit dem "Dritten Weg" dagegen.

Diese Ansprache des Papstes ist nicht die erste Rede, mit der er die Gewerkschaftsbewegungen gewürdigt hat. Wir erinnern beispielhaft: Ansprache an die christliche Arbeiterbewegung (9. Dezember 2022) - englische Übersetzung https://www.vatican.va/content/francesco/en/speeches/2022/december/documents/20221209-movim-cristiano-lavoratori.html
VIDEOBOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS ZUR 109. KONFERENZ DER INTERNATIONALEN ARBEITSORGANISATION (17. Juni 2021)
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Wir sollten im Gegenteil Lösungen finden, die uns helfen, eine neue Zukunft der Arbeit aufzubauen, die gegründet ist auf angemessene, würdige Arbeitsbedingungen; die aus Kollektivverhandlungen hervorgeht und die das Gemeinwohl fördert, eine Grundlage, welche die Arbeit zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Sorge für die Gesellschaft und die Schöpfung macht. In diesem Sinne ist die Arbeit wahrhaft und wesentlich menschlich. Darum geht es: dass sie menschlich ist.
In Anerkennung der grundlegenden Rolle, die diese Organisation und diese Konferenz als privilegierter Ort für einen konstruktiven Dialog spielen, ...

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Die Kirche hat eine lange Erfahrung in der Teilnahme an diesen Dialogen durch ihre örtlichen Gemeinden, Volksbewegungen und Organisationen, und sie bietet sich der Welt an als Brückenbauerin, um eine Hilfe zu sein bei der Schaffung der Voraussetzungen für einen solchen Dialog oder, wo das angebracht ist, um ihn zu erleichtern. Diese Dialoge für das Gemeinwohl sind wesentlich für das Ziel, eine solidarische und nachhaltige Zukunft unseres gemeinsamen Hauses aufzubauen, und sie sollten sowohl auf gemeinschaftlicher als auch auf nationaler und internationaler Ebene stattfinden. Und ein Merkmal wahren Dialogs ist, dass die Dialogpartner dieselben Rechte und Pflichten haben. Es kann nicht sein, dass einer, der mehr oder weniger Rechte hat, mit jemandem, der keine Rechte hat, einen Dialog führt. Gleicher Umfang an Rechten und Pflichten, das gewährleistet einen ernsthaften Dialog.

Zweitens ist es auch für die Sendung der Kirche wesentlich, sicherzustellen, dass alle den Schutz erhalten, den sie ihrer Verletzlichkeit entsprechend benötigen: Krankheit, Alter, Behinderung, Vertreibung, Marginalisierung oder Sucht. Die sozialen Sicherungssysteme, die selbst großen Risiken ausgesetzt sind, müssen unterstützt und ausgebaut werden, um den Zugang zu Gesundheitsdiensten, Lebensmitteln und zur Stillung der menschlichen Grundbedürfnisse sicherzustellen. In Notzeiten, wie zum Beispiel der Covid-19-Pandemie, sind besondere Hilfsmaßnahmen erforderlich. Eine besondere Aufmerksamkeit für die ganzheitliche und effektive Ver- sorgung durch öffentliche Dienste ist ebenfalls wichtig. Die sozialen Sicherungssysteme waren aufgefordert, viele Herausforderungen der Krise zu bewältigen, und gleichzeitig sind ihre Schwachpunkte deutlicher geworden. Schließlich muss der Schutz der Arbeitnehmer und der am meisten gefährdeten Personen durch die Achtung ihrer Grundrechte, einschließlich des Rechts, sich gewerkschaftlich zu organisieren, gewährleistet sein. Mit anderen Worten: Sich zu einer Gewerkschaft zusammenzuschließen ist ein Recht. Die Covid-Krise hat bereits die Schwächsten getroffen, und sie sollten nicht durch sich ausschließlich auf wirtschaftliche Indikatoren konzentrierende Maßnahmen zur Beschleunigung des Aufschwungs Schaden erleiden. Das heißt, dass hier auch eine Reform der Art und Weise des Wirtschaftens, eine grundlegende Wirtschaftsreform vonnöten ist. Die Art und Weise, wie die Wirtschaft vorangebracht wird, muss anders werden, sie muss sich ihrerseits ändern.



*) ergänzender Hinweis:
Die Ansprache des Papstes an die Führungskräfte und Delegierten des Allgemeinen Italienischen Gewerkschaftsbundes (CGIL) vom 19. Dezember 2022 ist hier (italienisch) nachlesbar
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Liebe Freunde, wenn ich mich an diese Vision erinnere, dann deshalb, weil eine der Aufgaben der Gewerkschaft darin besteht, im Sinne der Arbeit zu erziehen und die Brüderlichkeit unter den Arbeitern zu fördern. Dieses prägende Anliegen ist nicht wegzudenken. Es ist das Salz einer gesunden Wirtschaft, die in der Lage ist, die Welt besser zu machen. ... Auf Investitionen in Menschen zu verzichten, um einen größeren unmittelbaren Gewinn zu erzielen, ist ein schlechtes Geschäft für die Gesellschaft“ (Enzyklika Laudato si’, 128).
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Die Gewerkschaft – hören Sie genau hin – ist berufen, die Stimme derer zu sein, die keine Stimme haben. Man muss Lärm machen, um den Stimmlosen eine Stimme zu geben.
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