Dienstag, 27. Dezember 2022

... eine nicht ganz so frohe Weihnachten hat die Kreuznacher Diakonie ...

etwa 150 MitarbeiterInnen des Evangelischen Krankenhauses in Saarbrücken bereitet, wie der Saarländische Rundfunk berichtet:
Etwa 150 Beschäftigte des Evangelischen Krankenhauses in Saarbrücken haben nach Informationen von Verdi an Heiligabend ihre Änderungskündigung per Einschreiben erhalten. Betroffene zeigen Fotos der Schreiben in sozialen Netzen.
Weitere Quelle: Saarbrücker Zeitung - Mitarbeiter-Kündigung kommt Heiligabend – Kritik von Verdi und FDP an Kreuznacher Diakonie
(über die Umtriebe der Kreuznacher Diakonie haben wir bereits mehrfach berichtet)

Dazu die Aussage eines MAV-Mitgliedes, bei Facebook wiedergegeben:
Ich kann dazu nichts mehr sagen. Die haben sowas von jeglicher Moral und jedglichem Anstand und Nächstenliebe verloren ... Mir tut das für meine KellgInnen unheimlich leid und es tut mir wehr !!!!
(zitiert von Monika Schneider).

Abgesehen von der Stillosigkeit einer kirchlichen Einrichtung, solche Kündigungen an Weihnachten zustellen zu lassen:
die Einrichtungen der evangelischen Kirche und Diakonie unterlegen nicht dem Betriebsverfassungsgesetz und den Personalvertretungsgesetzen, wenn sie "caritativ", also selbstlos und uneigennützig tätig sind. Für solche Einrichtungen gilt dann das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) der evangelischen Kirche.
Die kirchlichen Regelungen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie weit weniger Mitbestimmungsmöglichkeiten eröffnen als die einschlägigen staatlichen Regelungen. Das wird auch damit begründet, dass solche kirchlichen Einrichtungen ja nicht (markt)wirtschaftlich tätig sind sondern caritativ, und daher ein entsprechender Schutz für die Beschäftigten gar nicht so erforderlich sei.
Wenn ein Betrieb nach Betriebsverfassungsgesetz gechlossen werden soll,
kommt der Arbeitgeber am Betriebsrat nicht vorbei. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt ihm viele Möglichkeiten zur Mitbestimmung. In manchen Fällen kann er die Schließung sogar aufschieben oder verhindern.
Dieses Gesetz soll leider bei der Diakonie nicht einschlägig sein. Wir verweisen daher nur mit diesem Link auf Ausführungen der Rechts- und Fachanwaltskanzlei Dr. Drees.
Aber das alles soll ja bei der kirchlichen Einrichtung nicht gelten.

Nach § 40 MVG hat die Mitarbeitervertretung (MAV) ein Mitbestimmungsrecht bei folgenden Angelegenheiten:
§ 40
Fälle der Mitbestimmung in organisatorischen und sozialen Angelegenheiten
Die Mitarbeitervertretung hat in folgenden Fällen ein Mitbestimmungsrecht:
...
f) Aufstellung von Sozialplänen (insbesondere bei Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen) einschließlich Plänen für Umschulung zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen und für die Folgen von Rationalisierungsmaßnahmen, wobei Sozialpläne Regelungen weder einschränken noch ausschließen dürfen, die auf Rechtsvorschriften oder allgemein verbindlichen Richtlinien beruhen,
...
m) Grundsätze für die Gewährung von Unterstützungen oder sonstigen Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht,
...
Dann gibt es nach § 42 ergänzend die Möglichkeit der "eingeschränkten Mitbestimmung". In diesen Fällen kann eine MAV ihre Zustimmung nur verweigern, wenn
die Maßnahme gegen eine Rechtsvorschrift, eine Vertragsbestimmung, eine Dienstvereinbarung, eine Verwaltungsanordnung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt,
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der oder die durch die Maßnahme betroffene oder andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benachteiligt werden, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist,
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass eine Einstellung zur Störung des Friedens in der Dienststelle führt.
Im Falle der ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit darf die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung nur verweigern, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt.
Zu diesen Fällen - mit denen der Mitarbeitervertretung lediglich eine Rechtskontrolle zur Vermeidung gerichtlicher Niederlagen zugestanden wird, gehört dann:
§ 42
Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung in Personalangelegenheiten der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
Die Mitarbeitervertretung hat in den folgenden Personalangelegenheiten der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht:
...
b) ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit,
...
g) Versetzung oder Abordnung zu einer anderen Dienststelle von mehr als drei Monaten Dauer, wobei in diesen Fällen die Mitarbeitervertretung der aufnehmenden Dienststelle mitbestimmt,
...
Dazu kann ein Mitberatungsrecht kommen - bei der eine MAV in der Regel gegen die "gefestigte Meinung" des Arbeitgebers argumentieren kann. Ob diese "Mitberatung" dann auch erfolgreich ist, steht auf einem anderen Blatt.
Nach § 46 des MVG hat die jeweilige MAV ein Mitberatungsrecht bei folgenden Angelegenheiten (Zitat):
§ 46
Fälle der Mitberatung
Die Mitarbeitervertretung hat in den folgenden Fällen ein Mitberatungsrecht:
Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen,
außerordentliche Kündigung,
ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit,
...
Wenn der kirchliche Arbeitgeber gegen eine dieser Mitwirkungsmöglichkeiten verstößt, darf sich die MAV auch beschweren (§ 48 MVG). Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ist einer kirchlichen Mitarbeitervertretung (MAV) verwehrt.

Na Toll !
Wir nehmen das Verhaltenn der Kreuznacher Diakonie wieder einmal zum Anlass zu hinterfragen, ob eine Einrichtung wirklich "caritativ" tätig ist, wenn sie offensichtlich nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen betrieben wird und sogar "hohe betriebswirtschaftliche Verluste" und "fehlende Perspektiven" offiziell als Grund für eine Schließung genannt werden.
Müsste in solchen Fällen einer bestehenden MAV (bis zur Wahl eines Betriebsrates) nicht wenigstens das gleiche Recht wie auch einem Betriebsrat zugestanden werden?
Kann sich der Staat leisten, einen großen Teil seiner Bürger ohne funktionierende soziale Beteiligungsrechte und entsprechenden Rechtsschutz zu lassen?

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