Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.Das wisst ihr ja alle schon zumindest aus der Tagespresse. Daher bringen wir jetzt mit etwas Verspätung einige Links zu Quellen und Kommentierungen, dokumentiert als Service für unsere Leser (EuGH, Urt. v. 22.09.2022, Az. C-120/21; Az. C-518/20 und C-727/70):
Der Europäische Gerichtshof hat in drei Fällen aus Deutschland entschieden, dass der Urlaubsanspruch in bestimmten Fällen doch nicht verfällt beziehungsweise verjährt. Entscheidend sei, ob der Arbeitgeber seinen Teil dazu beigetragen und beispielsweise darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub bald verfällt. Für eine Verjährung müsse er den Arbeitnehmer zuvor durch entsprechende Aufforderung tatsächlich in die Lage versetzt haben, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.Quelle und mehr: beck-aktuell
Zwei Fälle drehen sich um Urlaubsanspruch bei Krankheit
Zwei der Fälle drehten sich um den Urlaubsanspruch bei Krankheit. Die Kläger machten geltend, dass sie einen Anspruch auf bezahlten Urlaub für das Jahr haben, in dem sie aus gesundheitlichen Gründen erwerbsgemindert beziehungsweise arbeitsunfähig waren. Bei Krankheit verfällt der Urlaubsanspruch nach deutschem Recht normalerweise nach 15 Monaten. Das BAG wollte vom EuGH wissen, ob der Urlaubsanspruch auch dann nach 15 Monaten verfallen darf, wenn der Arbeitgeber seine Pflichten nicht erfüllt hat, also beispielsweise keine Frist gesetzt hat, in welcher der Urlaub genommen werden soll.
EuGH: Ansprüche auf Jahresurlaub können ausnahmsweise erlöschen
Dem erteilte der EuGH eine klare Absage: Der Urlaubsanspruch verfalle nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen. ...
Aber: Arbeitgeber muss Arbeitnehmer Ausübung seines Urlaubsanspruchs ermöglichen
Allerdings würden mit dem automatischen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub die Grenzen verkannt, die von den Mitgliedstaaten zwingend einzuhalten sind, wenn sie die Modalitäten für die Ausübung dieses Anspruchs im Einzelnen festlegen. Nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 GRCh könne ein erworbener Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt wurde, seinen Urlaub zu nehmen. Hiervon könnten die Mitgliedstaaten nicht abweichen. Es obliege dementsprechend dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben. In den beiden zu entscheidenden Fällen bestehe zudem nicht die Gefahr der negativen Folgen einer unbeschränkten Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub. Daher erscheine ein Schutz der Interessen des Arbeitgebers nicht unbedingt erforderlich.
Dritter Fall: Urlaub wegen hohen Arbeitsaufkommens nicht genommen - Verjährung?
Im dritten Fall konnte die Klägerin ihren Urlaub nach eigener Aussage wegen des hohen Arbeitsaufwands nicht nehmen und forderte eine Abgeltung der Urlaubstage. Ihr Arbeitgeber argumentierte, dass die Urlaubsansprüche nach der im Zivilrecht üblichen Frist von drei Jahren verjährt seien. Auch hier führte der EuGH aus, dass eine Abgeltung der Urlaubstage wegen Verjährung nur dann ausscheidet, wenn der Arbeitgeber dafür gesorgt hat, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrnehmen konnte. ...
Arbeitgeber darf sich Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht entziehen
Die mit der Verjährung bezweckte Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe dem Arbeitgeber zudem nicht als Vorwand dienen, unter Berufung auf sein eigenes Versäumnis im Rahmen der Klage des Arbeitnehmers einen Vorteil zu ziehen, indem er die Einrede der Verjährung erhebt. ...
Der Jahresurlaub von Beschäftigten verfällt nur noch, wenn der Arbeitgeber seine Hinweispflicht erfüllt hat. Auch eine Verjährung von Urlaubsansprüchen ist nicht ohne Weiteres möglich, entschied der Europäische Gerichtshof und hat damit die Rechte von Beschäftigten gestärkt.Quelle und mehr: Haufe Online Redaktion
Urlaubsansprüche verjähren nur, wenn der Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet wurde. Das nationale Verjährungsrecht ist in diesem Sinne auszulegen, urteilte der EuGH.Quelle und mehr: LTO.de - Legal Tribune Online - Aktuelles aus Recht und Justiz
Weitere Quellen:
FAZ - EuGH stärkt Anspruch auf Urlaubstage
SPIEGEL online: »Der Arbeitgeber muss seine Angestellten explizit bitten, Urlaubstage zu nehmen«
Tagesschau: EuGH stärkt Urlaubsanspruch bei Verjährung
ZEIT online: Nur ein Satz im Arbeitsvertrag reicht nicht
ZDF heute: Jahresurlaub: Arbeitgeber in der Pflicht
Die Urteile des EuGH (Az.: C-518/20 und C-727/20 sowie C-120/21) sind als Volltexte auf den Seiten des Gerichtshofes verfügbar.
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