Freitag, 15. Dezember 2017

AVR Caritas - Zusatzversorgung Anlage 8 auch künftig rechtswidrig?

Worum geht es?

A) Regelungen der AVR Caritas:
In der Anlage 8 (Versorgungsordnung A) der AVR Caritas ist geregelt:
§ 1 Versorgungszusage

(1) Mitarbeiter und die zu ihrer Ausbildung Beschäftigten (Anlage 7 zu den AVR), für die nach der Satzung der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (im folgenden Zusatzversorgungskasse genannt) Versicherungspflicht besteht, sind durch ihren Dienstgeber bei der Zusatzversorgungskasse zum Zwecke der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsversorgung sowie der Versorgung ihrer Hinterbliebenen zu versichern.

(2) Der Versorgungsanspruch des Mitarbeiters und des zu seiner Ausbildung Beschäftigten sowie der Versorgungsanspruch eines ihrer Hinterbliebenen richten sich ausschließlich nach der Satzung der Zusatzversorgungskasse und ihrer Ausführungsbestimmungen und können nur gegenüber der Zusatzversorgungskasse geltend gemacht werden.
Damit wird beschrieben:
1. Die Caritas-Arbeitgeber verpflichten sich zu einer Beitragszahlung, mit der eine bestimmte Leistung erwirkt werden soll.
2. Für die Leistungsbeschreibung ist auf die Satzung der Zusatzversorgungskasse verwiesen, bei der die jeweiligen Arbeitgeber auch Mitglieder sind - nicht aber eine arbeitsvertragliche Regelung geschaffen. *)
3. Ansprüche sollen nur gegenüber der jeweiligen Kasse geltend gemacht werden können, deren Garanten
a) bei öffentlichen Kassen die anderen Mitglieder (z.B. Kommunen) bzw. Bund und Länder sind,
b) bei der KZVK Köln die deutschen (Erz-)Diözesen sind.
Ein Anspruch an die Arbeitgeber soll nicht bestehen.


B) gesetzliche Normen:
Diese Regelungen erscheinen vor dem Hintergrund des aktuell geltenden Betriebsrentengesetzes zumindest problematisch. Dort ist in § 1 geregelt:
(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
Mit der Beitragszahlung durch die Caritas-Arbeitgeber ist es also nicht getan. Sie müssen zumindest nachrangig auch für die Leistung haften. Denn letztendlich ist die Betriebsrente über den Arbeitsvertrag vereinbart. Vertragspartner sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ob - und wie weit - der jeweilige Arbeitgeber seine Verpflichtungen über einen Dritten (Versorgungsträger, z.B. Zusatzversorgungskasse) absichert, ist zunächst seine Sache. Auch wenn er keine Anmeldung zur Zusatzversorgung vornimmt, muss er eine vertragliche Leistung erbringen.
Bei den Kommunen ist der Umfang dieser Leistung im Wesentlichen im Altersvorsorgetarifvertrag (ATV-K) beschrieben. Die AVR Caritas nimmt dagegen keine Leistungsbeschreibung vor. Sie verweist nur auf die Satzung der jeweiligen Kasse. Und soweit die kirchlichen Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen bei einer kommunalen Zusatzversorgungskasse anmelden, wird der ATV-K (bzw. der wortgleiche ATV bei der Mitgliedschaft in der VBL) über den Bezug zur Kassensatzung indirekt auch im kirchlichen Bereich zur Leistungsbeschreibung. Denn die Satzungen der kommunalen Zusatzversorgungskassen und der VBL übernehmen die Leistungszusagen aus den entsprechenden Tarifverträgen. Wie aber ist das bei den Beschäftigten, die bei der KZVK zur Zusatzversorgung angemeldet sind? *)
Die Satzung der KZVK offenbart zudem Besonderheiten, die vor dem Hintergrund des AGG sehr zweifelhaft sind. **)

Zwischenstand unserer Überlegungen:
Die AVR Caritas dürften in einigen Punkten mit dem derzeit geltenden Betriebsrentengesetz kollidieren.
Eine rechtskonforme Interpretation der AVR-Regelung kann nur zu dem Ergebnis führen, dass die Anlage 8 der AVR Caritas - entgegen dem Wortlaut der Regelung - bisher eine Leistungszusage enthält, deren Umfang zumindest **) durch die Satzung der Kasse bestimmt wird, bei der die entsprechenden Arbeitgeber jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Mitglied waren.

(siehe dazu die nachfolgenden Rechtsprechungshinweise)


C) Rechtsprechung:
Bereits vor Jahren hat das BAG zu unterhälftig tätigen Teilzeitbeschäftigten - die seinerzeit nicht bei der Zusatzversorgung angemeldet werden konnten - entschieden, dass die Ansprüche (auf Betriebsrente) aus dem Arbeitsverhältnis dann vom Arbeitgeber zu erfüllen sind (BAG Urteil v. 16. März 1993, A AZR 1389/92 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit, im Anschluss an das Urteil vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG). Das BAG begründete dies damit, dass die Zusatzversorgung, anders als die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ein vom Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis erdientes und nur wegen der Zweckbestimmung als Versorgung nicht frei verfügbares Entgelt für die erbrachten Dienste darstelle.
Daran ändert auch nichts, dass die Arbeitgeber schon vor Jahren anstelle einer Gehaltserhöhung zugestimmt haben, die gesamte Finanzierung der Zusatzversorgung (durch Beiträge oder Umlagen) zu bezahlen.

In diesem Zusammenhang dürfen wir noch auf ein weiteres Urteil des BAG hinweisen:
1.
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, die über eine Pensionskasse durchgeführt werden, und macht die Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen, hat der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG dem Versorgungsempfänger im Umfang der Leistungskürzung einzustehen.
2.
Von dieser Einstandspflicht kann der Arbeitgeber sich durch vertragliche Abreden ***) nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer befreien. Deshalb begründet eine in der Versorgungszusage enthaltene (dynamische) Verweisung auf die Satzung der Pensionskasse kein akzessorisches Recht des Arbeitgebers zur Kürzung laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
Quelle: BAG, Urt. v. 19.6.2012 - 3 AZR 408/10; BetrAV 2012, 710; DB 2012, 2818; ZIP 2012, 2456; NZA-RR 2013, 426

Und letztendlich gibt es inzwischen eine weitere wichtige Entscheidung des BAG zur freiwilligen Versicherung:
...
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger gegenüber für die Beträge einzustehen, um die die Zahlungen der PKDW ... hinter dem auf den Beiträgen der Rechtsvorgängerin der Beklagten beruhenden Teil der ... gezahlten Pensionskassenrente des Klägers ... zurückbleiben.
...

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG liegt betriebliche Altersversorgung auch vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage).
...
(BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 · Az. 3 AZR 65/14)

Mit anderen Worten:
Der Arbeitgeber steht dafür gerade, dass die Leistungen aus der freiwilligen Versicherung gewährt werden, die zum Abschluss der Vereinbarung zur Entgeltumwandlung auch in der Leistungszusage der Versorgungskasse zugesagt waren.
Eine Leistungskürzung der Kasse ist also nichts anderes als eine Leistungsverlagerung zu Lasten der Arbeitgeber.
Diese Entscheidung ist für die freiwillige Versicherung von besonderer Bedeutung. Denn auch die seit 2002 bestehende freiwillige Versicherung bei der Zusatzversorgungskasse ist – wie die Pflichtversicherung - eine betriebliche Altersversorgung. Man kann sich nur zur zusätzlichen freiwilligen Vorsorge anmelden, wenn man auch über den Arbeitgeber pflichtversichert ist (vgl. § 26 ATV-K). Zudem ist der Arbeitgeber bei einer Entgeltumwandlung auch Vertragspartner – er schließt den Vertrag ab; der Versicherte ist lediglich Begünstigter. Damit ist hier der Arbeitgeber in derselben Haftung wie bei einer Pflichtversicherung
Die freiwillige Versicherung unterscheidet sich von der Pflichtversicherung nur dadurch, dass die Finanzierung der freiwilligen Versicherung zusätzlich (freiwillig) vom (Netto-)Gehalt der Beschäftigten abgezogen wird, während für die Pflichtversicherung das (zusatzversorgungspflichtige) Brutto-Entgelt maßgeblich ist, und die Finanzierung "auf das Gehalt draufgepackt" wird.
Der Arbeitgeber haftet also nach dem Betriebsrentengesetz auch für die Zusagen aus der freiwilligen Versicherung, selbst wenn die Kasse durch eine Satzungsänderung entsprechende Leistungsreduzierungen vornimmt.
Beim Abschluss gibt der Arbeitnehmer eine Entgeltverzichterklärung gegenüber dem Arbeitgeber ab. Die andere Seite dieser Erklärung ist mit arbeitsrechtlicher Zusage auf eine entsprechende Rente verbunden. Welche Höhe diese Rente haben soll, ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung der Kasse, und zwar zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der einziger Unterschied zur Pflichtversicherung ist, dass der Beitrag vom Lohn des Arbeitgebers abgezogen wird.
Der Arbeitgeber meldet die Mitarbeiter dann bei der Kasse an.
Damit wird rechtlich ein Versicherungsverhältnis begründet und eine Leistungszusage gegeben (der Arbeitgeber unterzeichnet diese Vereinbarung als Gewährleister).

Eine künftige Änderung des Gesetzes ändert diese bestehenden Rechtsbeziehungen nicht. Eine neue Rechtslage kann sich allenfalls für Neuverträge ergeben. Das würde dann aber ein "Austrocknen" der Versorgungskassen bedeuten, das nach den (soweit bekannt) satzungsrechtlichen Regelungen erhebliche Ablösungszahlungen der so handelnden Arbeitgeber nach sich ziehen würde.

Man kann es drehen und wenden wie man will:
Sollte eine Versorgungskasse wie die KZVK Köln die Leistungen aus der Betriebsrente (Zusatzversorgung) oder der freiwilligen Versicherung kürzen, müssten die Mitglieder dieser Kasse, also die Arbeitgeber, sofort entsprechende Rückstellungen bilden, um die arbeitsvertraglichen Zusagen gegenüber den Beschäftigten erfüllen zu können.


D) Neue Rechtsnorm:
Zum 01.01.2018 wird nun das neue "Betriebsrentenstärkungsgesetz" in Kraft treten. Es soll - wie der Name schon sagt - die "zweite Säule" der Altersversorgung, die Betriebsrenten stärken - nicht aber funktionierende Rentensysteme wie die Zusatzversorgung beschädigen.
Mit dem "Betriebsrentenstärkungsgesetz" soll nun ergänzend zur bisherigen Leistungszusage (die ja nicht abgeschafft wird) eine Beitragszusage ermöglicht werden. Bei einer Beitragszusage, wie sie das Betriebsrentenstärkungsgesetz vorschlägt, sagt der AG nur die Zahlung eines Beitrages zu. Eine darüberhinausgehende Haftung besteht nicht mehr. Somit ist dieser Weg für den Arbeitgeber risikolos. Genau das will das Betriebsrentenstärkungsgesetz bewirken: dass Arbeitgeber nun Betriebsrenten vereinbaren und dabei nicht haften.
Das heißt, dass sich das Risiko - etwa einer unzureichenden Verzinsung der Kapitalanlage - auf die Arbeitnehmer verlagert. Denn der Arbeitgeber hätte mit seiner Beitragsleistung seine Verpflichtung erfüllt.
Bei der bisherigen Leistungszusage wird dagegen eine bestimmte Leistungshöhe zugesagt, so dass der Arbeitgeber letztendlich hierfür einstehen muss.

Im Dienstgeberbrief Nr. 3/2017 berichtet nun die Arbeitgeberseite der AK Caritas:
Im Dienstgeberbrief Nr. 4/2016 vom 13.12.2016 wurde über den damaligen Referentenentwurf berichtet. Am 01.06.2017 hat der Deutsche Bundestag das Betriebsrentenstärkungsgesetz nun verabschiedet.
...
Auch wenn der am intensivsten diskutierte Komplex der Sozialpartnermodelle mit reinen Beitragszusagen für den Bereich der Kirchen und damit auch der Caritas mangels einer Öffnungsklausel für eigene Rechtssetzung durch kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nicht möglich ist, enthält das Gesetz Neuregelungen, die für den Bereich der AVR durchaus interessant sind. ...


E) Schlussfolgerung:
Daraus ergibt sich auch nach der Inkraftsetzung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes:
Die arbeitsvertraglichen Zusagen auf Zusatzversorgung richten sich schon bisher an den Arbeitgeber - dieser hat als Gewährleister für die Leistungen einzustehen, auch und gerade, wenn eine Kasse die entsprechenden Zusagen nicht einhält.
Die gilt sowohl bei der freiwilligen Vorsorge wie - erst recht - bei der Betriebsrente.
Diese Rechtslage dürfte auch nach dem 01.01.2018 unverändert weiter gelten. Die Regelung in § 1 der Versorgungsordnung A der Caritas dürfte somit - auch nach dem 1. Januar 2018 - rechtswidrig sein.
Man kann die Arbeitgeberseite der Caritas nur warnen, ernsthaft über Eingriffe in die Zusatzversorgung, über ein Zurückziehen aus der Solidargemeinschaft oder etwa über Leistungsreduzierungen nachzudenken.



*)
Für die Satzung der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Köln haben sich die Bischöfe in § 5b Abs. 5 ein Letztbestimmungsrecht ausbedungen.

**)
In § 36 der Satzung ist im Gegensatz zum ATV-K "kirchenspezifisch" ein satzungsrechtlicher Anspruch auf Hinterbliebenenrente für Lebenspartner nicht vorgesehen, obwohl eine Lebenspartnerschaft seit der Neufassung der Grundordnung jedenfalls für nichtkatholische Beschäftigte kein Kündigungsgrund ist.
Nichtkatholischer Mitarbeiterinnen werden sich also unter Umständen über Jahrzehnte hin an der Finanzierung der Altersvorsorge beteiligen, ohne aber einen satzungsrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Leistung zu erwerben.
Dass Lebenspartner wie Ehepartner einen Anspruch auf Hinterbliebenrente haben, ist im Übrigen rechtlich längst höchstrichterlich entschieden:
- Bundesarbeitsgericht (Az. 3 AZR 294/09)
- Bundesverfassungsgericht (Beschluss des Ersten Senats vom 7. Juli 2009, - 1 BvR 1164/07 -)
- BGH (Urteil vom 26. April 2017, Az.: IV ZR 126/16)

***)
Was durch vertragliche Abreden schon nicht möglich ist, kann durch „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ wie etwa die AVR-Caritas - vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 – 6 AZR 160/05 (lexetius.com/2005,3737) Nr. [21] (1.b) der Gründe - erst recht nicht gemacht werden (§§ 305 c, 307 I, 308 Nrn. 3, 4, 5 BGB)

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