Sonntag, 23. Juli 2017

Sonntagsnotizen - Neue Caritas dieser Woche

Das aktuelle Heft der Neuen Caritas (13/2017 vom 17. Juli 2017) befasst sich in einer ganzen Reihe von Beiträgen mit Themen, die auch in unsere Interessenssphären fallen. 

Dr. Matthias Scholz (Malteser Deutschland/AcU) informiert über die tarifpoitischen Ziele der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU), die in der vollständigen Fassung hier verfügbar sind:  17-05-15-Tarifpolitische-Ziele-der-AcU.pdf

Klar ist und nicht neu, wo die ACU aktuell ihre Schwerpunkte sieht: in der Reform der betrieblichen Altersversorgung und in der "Stärkung der Pflege als ein attraktives Arbeitsfeld". In der betrieblichen Altersversorgung sollen, nachdem "die Organ- und Aufsichtsstruktur der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK) in den vergangenen Monaten erneuert wurde" die Reformen fortgesetzt werden. An die Realitäten angepasst werden sollen sowohl der aktuelle Finanzierungsbeitrag als auch das Leistungsrecht. (Zu vermuten ist, dass sich Finanzierungsbeitrag und Leistungsrecht nicht in die gleiche Richtung entwickeln sollen.) Angekündigt wird, die entsprechende Diskussion mit künftigen Vergütungsrunden zu verknüpfen.

Als weitere Schwerpunkte der ACU werden benannt:

  • Tarifliche Regelungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels
  • Transparenz der AVR "insbesondere auch für Mitarbeitende und Führungskräfte wiederherstellen"
  • Entgeltordnung insbesondere bei der Anlage 2 endgültig fertigstellen
  • Lösungen für Branchenbesonderheiten finden
  • Gesetzliche Abweichungsmöglichkeiten beim Arbeitsrecht (z.B. im AÜG) nutzen

Die Abneigung gegen den TVöD als tarifliches Vorbild wird in die Formulierung gekleidet, es gelte "ein für die Caritas passendes Gleichgewicht zu finden. Im Kopieren anderer Tarifsysteme liegt das nicht!"
Nichts neues also. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die ACU von der strategischen Ausrichtung verabschiedet, das Niveau der höheren Vergütungsgruppen attraktiv (= nach oben) und das der unteren Vergütungsgruppen marktgerecht (= nach unten) auszurichten.

Prof. Dr. Franziskus Knoll OP, befaßt sich in einem Beitrag "Pflege braucht Spiritualität" mit dem Stellenwert von "Spiritualität" in der Pflege. Der interessierte Leser, der sich in die Darstellung der Bedeutung von Spiritualität für die beruflich ausgeübte Pflege vertieft, wird dann vielleicht doch über eine Formulierung erschrecken, die seinen Alltag (der als belastend, von Zeitmangel geprägt, krank machend gilt) in ein anderes Licht rückt: gegenüber einem möglichen Einwand, "für eine spirituelle Begleitung kranker Menschen fehlt den Pflegekräften schlichtweg die Zeit", stellt Prof. Knoll fest:
"Im Blick auf den Faktor Zeit bleibt zu bedenken, dass die Berufsgruppe der Pflegenden am häufigsten in Kontakt mit den zu Pflegenden ist. Die Frage ist also nicht das 'Ob', sondern das 'Wie', das heißt die Qualität des Kontaktes. Sind Pflegende 'nur' verfügbar oder tatsächlich präsent? Und ist der beklagte Zeitmangel nicht eigentlich Ausdruck innerer Überlastung, der man sich argumentativ zu entziehen sucht?"
So kann man das auch sehen? Bloße Verfügbarkeit statt echter Präsenz? Ausreden, wo der Pflegende beim spirituellen Selbstmanagement versagt?

In der Beilage CBP-Info 3/2017 findet sich eine kritische Darstellung der "aktuellen Debatte zur MAVO-Novellierung" aus Dienstgebersicht. Verfasser ist der stellvertretende CBP-Vorsitzende und Direktor der Stiftung Haus Lindenhof, Jürgen Kunze.
Kunze beklagt sich zunächst, dass die caritativen Arbeitgeber von den Bischöfen bei der aktuellen bzw. den vergangenen Novellierungen zu wenig gehört worden seien; denn von den Mitarbeitern drohen Gefahren:
"Beharrlich streben die Mitarbeiter(innen) nach mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. Massiv unterstützt durch Gewerkschaftskreise, die dafür durchaus eigennützige Motive haben."
Tja.
Die durchwachsen unübersichtliche Darstellung von "Drittem Weg", "Dienstgemeinschaft" und BRD-spezifischem "Selbstbestimmungrecht" mündet schließlich in die Empörung darüber,
"vielen Mitarbeitervertreter(inne)n reichen die bestehenden Regelungen nicht aus. Gefühlt schon gar nicht: Man ist überzeugt, benachteiligt zu sein, und Verdi festigt diesen Eindruck."
Je nun.
Der Artikel mündet schließlich  in einen energischen Protest:
"Dienstgeber in der Caritas können sich - obwohl sie hohes Verständnis für Mitwirkung haben und haben müssen - nicht darauf einlassen, im Rahmen eines noch unverstandenen Dritten Wegs mit ihren Mitarbeiter(inne)n und mit Mitteln, die noch über die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetz hinausgehen, über die Zukunft und Strategien ihres Unternehmens zu verhandeln."
Man muss das wohl als Drohung betrachten, dass die Caritas-Dienstgeber für den Fall, dass die Bischöfe so weiter machen, dazu übergehen könnten, das Betriebsverfassungsgesetz, über das die MAVO offensichtlich weit hinausgeht, anzuwenden, auf dass die Mitarbeiter in ihren Rechten wieder auf ein Normalmaß zurückgeführt werden?

Eine erfreulich sachliche wie kritische Lektüre ist im selben Heft die Dokumentation einer Bewertung des 5. Armuts- und Reichtumsberichts durch den Deutschen Caritasverband (eine große DCV-Stellungnahme gab es bereits im Dezember 2017 -   Stellungnahme zum 5. NArB )

Bekanntlich gibt es zum 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zahlreiche kontroverse Positionierungen aus Wissenschaft, Politik und Wohlfahrtsverbänden. Die aktuelle Dokumentation ist sehr lesenswert und benennt zahlreiche Forderungen, denen man im aktuellen Bundestagswahlkampf stärkere Präsenz wünschen würde.

Etwa zum Thema  "Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen, Leistungsgerechtigkeit und Transparenz im Steuersystem"

Umverteilung im Steuersystem gerechter gestalten
Auch der Deutsche Caritasverband sieht eine zentrale Herausforderung darin, Ungleichheit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung zu begegnen. Soziale Ungleichheit hat seit den 1980er-Jahren bis Mitte der 2000er-Jahre deutlich zugenommen, seither stagniert der Trend. Eine wachsende soziale Ungleichheit gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität in der Gesellschaft, so dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Steuerliche Maßnahmen sind deshalb angemessen und erweitern den staatlichen Handlungsspielraum für eine präventive Sozialpolitik. Die Caritas schlägt die Abschaffung der Abgeltungsteuer und eine wirksame Besteuerung von Erbschaften vor. Zudem müssen durch internationale Zusammenarbeit die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung einschließlich der Steuerhinterziehung international tätiger Unternehmen eingeschränkt werden. Eine (moderate) Anhebung der Einkommensteuersätze für hohe Einkommen in Verbindung mit einer höheren Einkommensgrenze beim Erreichen des Spitzensteuersatzes könnte auch die untere Mitte entlasten…


Das liest sich dann doch anders als der durchgeknallte Medienwahnsinn vom "Steuerzahlergedenktag 2017" der in der vergangenen Woche durch den Boulevard gezogen ist und zu dem Stefan Sell das Nötige gesagt hat:  Aufgeblasener Steuerzahlergedenktag

2 Kommentare:

  1. ein "Caritatives Unternehmen" ist ein Widerspruch in sich, denn ein Unternehmen muss um Gewinnerzielung bemüht sein - und kein Unternehmer kann damit caritativ tätig werden

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  2. § 240 StGB:

    Nötigung

    1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (Anm.: verwerflich wäre z.B. eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit, die auch die passive Religionsfreiheit einschließt)

    (3) Der Versuch ist strafbar.

    (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter1.
    ...

    2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

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