Dienstag, 12. Januar 2016

Lineare Erhöhung, Festbetrag, Sockelbetrag, Mindestbetrag: kleine Begriffskunde zur Tarifforderungsdiskussion

In den Mitgliederdiskussionen gab es oftmals Unsicherheiten und Unklarheiten im Hinblick auf die Art unserer Forderungen und der Wirkung des Verhandlungsergebnisses auf die Tabellen.

Deshalb wollen wir die Mitgliederdiskussion zur Tarifrunde TVöD 2016 Bund und Kommunen die unterschiedlichen Forderungsvarianten darstellen und erläutern. Es geht dabei nicht um ein Plädoyer für die eine oder andere Forderung und deren Durchsetzung, sondern zunächst um die Klarheit in der Wirkungsweise.


Eines soll an dieser Stelle jedoch schon hervorgehoben werden: Oftmals werden Forderungen mit sozialer Komponente mit der Begründung erhoben, dass „es gerechter wäre“. Dabei wird allerdings oft übersehen, dass das Ergebnis von Tarifverhandlungen in den seltensten Fällen etwas mit der Herstellung von Gerechtigkeit zu tun hat, sondern mit einer Ausbalancierung der Kräfteverhältnisse zwischen den Arbeitgebern einerseits und den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften andererseits.

Wir dürfen auch nicht übersehen, dass es im Rahmen der Tarifreformen im öD der letzten Jahre insbesondere auch zu Einschnitten bei den höheren Entgeltgruppen kam. Bei der Bezahlung von Tätigkeiten, die einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss erfordern, besteht zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft inzwischen eine große Lücke. Andererseits reicht das Geld in den niedrigeren Entgeltgruppen oft nicht um sein eigenes Leben entsprechend materiell abzusichern.

Nicht zuletzt müssen wir bei der Diskussion und Beschlussfassung einer Forderung auch beachten, wie die Arbeitgeber darauf reagieren. Es geht dabei nicht um die Erhebung einer „den Arbeitgebern genehmen Forderung“ – sondern es geht um die Frage, wie viel Kraft für die Durchsetzung einer Forderung unsererseits vonnöten ist und entwickelt werden muss. Letztendlich entscheidet nämlich nicht die Schönheit einer Forderung und geschickte Verhandlungsstrategie über den Erfolg von Tarifrunden, sondern die Durchsetzungskraft der Beschäftigten und das Ergebnis.

Die Forderungsformen


I. Lineare Entgelterhöhung. Alle Werte in der Entgelttabelle werden mit einem einheitlichen Prozentwert erhöht. Eine derartige Erhöhung behält grundsätzlich die einmal von den Tarifvertragsparteien vereinbarte, und damit wohl als richtig empfundene, Spreizung der Entgelttabelle bei. Bei diesem Modell ist noch zu berücksichtigen, dass die sonstigen Zuschläge (z.B. Erschwerniszuschläge) in der Regel entsprechend angepasst werden.

II. Der Festbetrag ist das Gegenmodell zur reinen linearen Erhöhung. Statt um einen Prozentwert werden in dieser Variante über die gesamte Entgelttabelle hinweg die Tabellenwerte um einen festgelegten €-Betrag angehoben (z.B. 100 €). Die Wirkung ist: Die unteren Entgeltgruppen profitieren deutlich mehr von dieser Variante. Je nach Höhe des Festbetrages kann es durchaus sein, dass damit in den unteren Entgeltgruppen ein deutlicher Reallohnzuwachs  erreicht wird – aber in den höheren Entgeltgruppen eingeschränkt. Zu berücksichtigen ist, dass die Erhöhung der Zuschläge gesondert vereinbart werden muss. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei häufiger Realisierung eines Festbetrages das Gefüge zwischen den Entgeltgruppen deutlich verschoben werden würde, was wiederum bei Höhergruppierungen zu Verwerfungen führen könnte, wenn nicht entsprechend korrigiert würde. Die Gefahr ist sehr gering, da insbesondere die öffentlichen Arbeitgeber Festbeträge kategorisch verweigern.

Nun zu den Modellen, die Kompromisse darstellen.

III. Beim Sockelbetrag gibt es eine Vorweganhebung der Tabellenwerte um einen fixen €-Betrag und auf die so erhöhten Tabellenwerten wird eine lineare Erhöhung um X-Prozent aufgesetzt; so wie in der Tarifrunde 2008. Die absoluten Erhöhungsbeträge liegen zum Beispiel (50 € und 2,1 %) zwischen 5,05 % in der EG 2 und 3,39 % in der EG 15, jeweils Stufe 1.

Das ist eine deutlich moderatere Entwicklungslinie als bei einem Festbetrag. Auch hier gilt: über die Erhöhungswerte für die Zuschläge muss gesondert verhandelt werden.

IV. Die Variante Mindestbetrag bedeutet eine prozentuale Forderung – aber ein Mindest-€-Betrag genannt, um den sich der Tabellenwert für alle auf jeden Fall erhöhen muss z.B. 3 %, mind. aber 90 € (wie Tarifrunde TVöD 2014). Bei diesem Beispiel ist bis zu einer bestimmten EG der Mindestbetrag höher als der Erhöhungsbetrag aus dem Prozentwert. Aber ab einer bestimmten EG mit der gewissen Stufe übersteigen die 3 % den Mindestbetrag, also erhöht sich der Tabellenwert um die
3 % und nicht um den Mindestbetrag von 90 Euro.

V. Nun zur Einmalzahlung. Dabei handelt sich um keine dauerhaft wirkende Tabellenerhöhung. Hier gibt es für einen definierten Zeitraum einen einmaligen Ausgleichsbetrag, der in die Tabellenberechnung nicht einfließt. Davon abweichend wären allerdings Erhöhungen jährlich wiederkehrender Einmalzahlungen (wie Urlaubsgeld oder Jahressonderzuwendung) unter Umständen differenziert zu bewerten.

Abschließend: eine Sockel-, Mindest-, oder Festbetragsforderung stößt bei den öffentlichen Arbeitgebern auf massiven Widerstand – so dass deren Durchsetzung auf dem reinen Verhandlungsweg ausgesprochen schwierig ist.

Wenn also eine Forderungsdiskussion nicht zu einem „Wünsch-Dir-was“ verkommen soll, muss gerade bei diesen Forderungen die Durchsetzbarkeit intensiv mitdiskutiert werden. Hinzu kommt, dass hauptsächlich der Druck auf die Arbeitsplätze im unteren Einkommensbereich im öffentlichen Dienst gewachsen ist – hier besteht die größte Gefahr des Outsourcings, der Privatisierung, der Fremdvergabe – zumeist sind es die Bereiche, die dem Zwangswettbewerb unterworfen wurden bzw. im Wettbewerb mit privaten Dienstleistern stehen.

Quelle (geringfügig geändert): Ver.di München

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